Streitfall des Tages Wenn Patienten ihren Ärger Luft machen

Eine Zahnbehandlung ist oft teuer und manchmal leider vergeblich. In neuen Bewertungsportale der gesetzlichen Krankenkassen können Patienten die Qualität der Mediziner beurteilen. Das gefällt vielen Dentisten gar nicht.

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Der Schmu des Tages. Illustration: Tobias Wandres


Der Fall

 

„Als jahrelanger Patient meines Zahnarztes muss ich leider sagen, das dieser allenfalls durchschnittliche zahnärztliche Leistung erbracht hat, der Preis jedoch deutlich Überhöht ist“, beschwert sich ein Privatpatient im Bewertungsportal www.jamada.de.

Wenn Patienten sich über einen Arzt beschweren, richtet sich ihr Zorn meist gegen ihren Zahnarzt. Bei der Unabhängigen Patientenberatung ist jede dritte Beschwerde über Mediziner gegen einen Zahnarzt gerichtet. In den meisten Fällen geht es um Geld, um Kosten, die als überhöht empfunden werden.

Seit Ende Februar diesen Jahres können gesetzlich Versicherte in Fragebögen nun ihren Zahnarzt bewerten. Sie können unter anderem angeben, ob die Mediziner auf Ängste und Schmerzen eingehen oder über die anstehenden Kosten verlässlich informieren. Die großen gesetzliche Krankenkassen, AOK, Barmer GEK und Techniker Krankenkasse (TK), wollen die Bewertung einsehbar machen, wenn sich pro Arzt mehr als zehn Patienten geäußert haben.

Nur die Versicherten der teilnehmenden Kassen können auch Bewertungen abgeben. Das Zahnarztbewerungsportal orientiert sich an einem bereits seit Mai vergangenen Jahres bestehendem Portal zu Haus- und Fachärzten. Viele Ärzte und ihre Verbände zeigten sich nicht erfreut. Kritisiert wurde vor allem, dass die Bewertungsportale wenig hilfreich seien, da sie keine Behandlungsqualität im klinischen Sinne beurteilen könnten.

Die Relevanz

Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts Deutscher Zahnärzte (IDZ) sollen Zahnärzte unter der Bevölkerung ein hohes Ansehen genießen. Die positiven Attribute, wie rücksichtsvoller Umgang mit Patienten und gut organisierte Praxen sollen nach den Umfragen überwiegen. Negativen Nennungen wie, „bevorzugen Privatpatienten“, bieten nicht notwendige Behandlungen an und „verdienen zu viel“ kämen laut Studie angeblich seltener vor.

Doch trotz hoher Ausgaben für Zahnarztkosten, können viele Patienten die medizinische Leistung ihres Zahnarztes nur schwer einschätzen. Bewertungsportale sollen nach Angaben der Kassen die Vergleichbarkeit erhöhen.

Rund 37 Millionen gesetzlich Versicherte der beteiligten Kassen haben Zugriff auf das Portal und sind aufgefordert, ihre Einschätzung zum letzten Zahnarztbesuch abzugeben. Die drei Krankenversicherungen, die Verbraucherzentralen, Deutscher Behindertenrat, DAG, SHG und die beteiligte Bertelsmann Stiftung riefen weitere Kassen zur Teilnahme auf.

Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 55.000 niedergelassene Zahnärzte. In der bereits seit knapp einem Jahr bestehenden Haus- und Facharztbewertung sind bislang aber nur 3500 der rund 130.000 Mediziner verlässlich bewertet.

Laut der bisherigen Befragung würden 88 Prozent der Patienten ihren Hausarzt bestimmt oder wahrscheinlich weiterempfehlen, aber nur 75 Prozent ihren Facharzt. 17 Prozent würden einen einmal aufgesuchten Facharzt nicht wieder aufsuchen, bei den Hausärzten liegt die Quote nur bei drei Prozent.


Was Bewertungsportale taugen

Die Gegenseite

„Der Wunsch, per Mausklick den richtigen Zahnarzt zu finden, ist nachvollziehbar – aber nicht realistisch", so Timisoara Kerstin Blaschke, stellvertretende Bundesvorsitzende des Freien Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ). Sie sieht in dem Onlineportal ein für „die Krankenkassen interessantes Marketing-Tool“ im Wettbewerb um zahlende Mitglieder. „Den individuellen Nutzen für die Patienten können wir allerdings nicht erkennen", erklärt Blaschke.

„Die Beziehung zwischen Patient und Zahnarzt lebt vom Vertrauen, und das kann man nicht über das Internet, sondern nur durch persönliche Gespräche aufbauen." Ein weiteres Problem für Blaschke: Über die fachliche Qualität der zahnmedizinischen Behandlung findet der Leser keine Informationen im Netz. Dies sei jedoch ein entscheidendes Kriterium für die Wahl des Zahnarztes, das ein derartiges Befragungsportal gar nicht abbilden könne. „Der tatsächliche Nutzen für die Patienten hält sich somit in Grenzen", ergänzt Blaschke.

Die Rechtslage

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (Az: I ZR 55/08) dürfen Preise und Leistungen von Zahnärzten im Internet verglichen werden. Zwei Zahnärzte aus Oberbayern hatten damals gegen den Internetportalbetreiber 2te-Zahnarztmeinung geklagt und in oberster Instanz verloren.

Es sei generell zulässig, so die Karlsruher Richter, dass Verbraucher und Patienten Preis- und Behandlungsangebote bei verschiedenen Zahnärzten einholen und sich danach für einen Zahnarztwechsel entscheiden. Die Internetplattform mache nichts weiter, als den Patienten ein solches Vorgehen zu erleichtern.

Auch Zahnärzte, die Angebote abgeben, handeln nicht rechtswidrig, sondern im Interesse der Verbraucher. Mit der Zahlung eines Erfolgshonorars an das Portal verstießen die Zahnärzte auch nicht gegen ihre Berufsordnung. Denn das Geld fließe nicht für die "Zuweisung" von Patienten, sondern für den Betrieb einer Internetplattform, über die Zahnarzt und Patient eigenständig zueinander kommen könnten.


Wie Patienten einen guten Arzt finden

Der Experte

Nach Ansicht von Gregor Bornes, von der Kompetenzstelle Zahngesundheit der Unabhängige Patientenberatung Deutschland UPD, wird die Patientenbefragung für Kunden der Zahnärzte Entscheidungshilfen bieten. „Leider liegt der Zeitpunkt noch etwas in der Zukunft, da Patientinnen und Patienten erst einmal die Zahnärzte beurteilen müssen“, so Bornes. „ Diese können sehr gut einschätzen, wie der Praxisbetrieb ist, ob sie gut aufgeklärt werden und wie korrekt die Praxis mit privaten Zahlungen umgeht.“

Sie könnten die medizinische Behandlungsqualität allerdings nur schwer beurteilen. „Gerade in der Zahnmedizin merkt man oft erst Jahre später, ob der Zahnarzt gut gearbeitet hat.“ Andererseits sei es eben nicht automatisch ein Fehler des Zahnarztes, wenn eine Behandlung nicht gelingt.

Im Gegensatz zu den Krankenhausportalen, wo man Qualitätsdaten und Fallzahlen einzelner Einrichtungen finden kann, ist der gesamte ambulante Bereich eine "Blackbox".

Doch welche Möglichkeiten haben dann Zahnpatienten, die Qualität der Zahnärzte zu beurteilen? „Die Homepage vieler Praxen kann einen Eindruck geben ist aber letztlich Werbung“, so Bornes. In der Zahnmedizin würden aber Spezialisierungen auf "Fachgebiete" wie Implyantologie oder Parodontoologie leider meist dazu dienen, dass die Angebote teuer werden, über die Qualität erfahre man nichts.

Den Informationsbedarf der Patienten würden sich die Portale zu Nutzen machen: „Es gibt eine große Anzahl von Arztbewertungsportalen, die sind aus meiner Sicht alle unbrauchbar, weil sie Werbung enthalten und schlechte Rückmeldungen von den Beurteilten in der Regel sofort unterdrückt werden.“ Nach Ansicht von Bornes bleibt der erweiterte Freundes- Verwanden- und Bekanntenkreis. „Diese Informationsquelle ist nicht die schlechteste und kann durch seriöse Bewertungsportale ergänzt werden.“

Das Fazit

Seriöse Bewertungsportale, wie die von der Weißen Liste, können für Zahnpatienten hilfreich sein. Auch die Erfahrungen aus dem Bekanntenkreis sollten berücksichtigt werden.

Vor allem empfiehlt es sich auch die Behandlungsempfehlung des Zahnarztes kritisch zu hinterfragen und im Zweifel auch einem anderen Zahnarzt zu konsultieren. .

Nützliche Adressen

Der Ausgang für das neue Bewertungsportal von Zahnärzten bildete die Informationssysteme zu Krankenhäusern der Weißen Liste (www.weisse-liste.de). Über die einzelnen Portale der teilnehmenden gesetzlichen Krankenkassen gelangen Interessierte auf das Zahnarztbewertungsplattform (TK-Ärzteführer: www.tk.de/aerztefuehrer ; AOK-Arztnavigator: www.aok-arztnavi.de ; BARMER GEK Arztnavi: http://arztnavi.barmer-gek.de ).

Zudem gibt es eine Vielzahl privat betriebener Bewertungsplattformen über Zahnärzte. (Auswahl: www.die-zahnarztempfehlung.com/zahnarztsuche ; www.medikompass.de/zahnarzt , www.sparenbeimzahnarzt.de ; www.zahngebot.de ; www.2te-zahnarztmeinung.de).

Aktuelle und ältere Studien zu diesem Thema sind im Internetauftritt (www.idz-koeln.de) des Instituts Deutscher Zahnärzte (IDZ) einsehbar. Unabhängige Patientenberatung bieten die UPD Beratungsstellen, die im Internetauftritt des Bundesverbandes aufgeführt sind (http://www.unabhaengige-patientenberatung.de)

Alle Teile der Serie "Streitfall des Tages": www.handelsblatt.com/streitfall

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