Streitfall des Tages Wenn sich das Finanzamt verrechnet

Auch Finanzbeamte machen Fehler. Dann müssen Arbeitnehmer zehntausende Euro weniger an Einkommenssteuer zahlen. Wie sich Fehler erkennen lassen und wann Steuerzahler tausende Euro nachzahlen müssen.

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Der Schmu des Tages. Illustration: Tobias Wandres

Der Fall


Inkompetenz? Schlamperei? Oder menschliches Versagen? Die Ursache bleibt unklar, das Ergebnis ist spektakulär: Das Finanzamt hatte sich zur Freude des Steuerzahlers verrechnet. Genauer: Es hatte erheblich zu viel Lohnsteuer angerechnet und diese dann dem glücklichen Steuerpflichtigen auch erstattet. Der Rechenfehler war gewaltig. Laut Medienberichten geht es um satte 85.000 Euro, die irrtümlich ausgeschüttet wurden.

Das Finanzamt hatte im Einkommensteuerbescheid aufgrund eines eigenen Fehlers gleich einmal den zehnfachen Betrag der für den Steuerpflichtigen abgeführten Lohnsteuern auf die festgesetzte Einkommensteuer angerechnet und eine viel zu hohe Steuererstattung ausgezahlt. Der Steuerpflichtige vereinnahmte das Sümmchen stillschweigend.

Mehr als fünf Jahre gingen ins Land und das Malheur fiel auf. Das Finanzamt erkannte den Fehler, als es den Einkommensteuerbescheid nochmal änderte. Zügig wurde die Anrechnungsverfügung korrigiert. Und natürlich verlangte der Fiskus nun den zu viel ausgezahlten Erstattungsbetrag zurück.


Die Gegenseite


Der Steuerzahler im Glück hatte zunächst die Auszahlung kassiert ohne die Finanzbeamten auf ihren Fehler aufmerksam zu machen. Nun, nachdem er nach fünf Jahren das Geld zurückzahlen sollte weigerte er sich.


Die Relevanz


Der Streitfall unterscheidet sich nicht wesentlich von Fällen einer versehentlichen Doppelüberweisung eines Steuererstattungsbetrages. Hier beginnt die fünfjährige Verjährung des Erstattungsanspruches mit der Doppelzahlung. Danach kann das Geld behalten werden.

Dennoch meinen Experten, dass Fälle, in denen sehr hohe Summen zu Unrecht vom Fiskus überwiesen wurden, eher die seltene Ausnahme darstellen.

Einiges sagt die amtliche "Statistik über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern" für das Jahr 2010 aus. Sie wurde im September 2011 veröffentlicht. Und kam zu dem Ergebnis, dass rund 70 Prozent aller Einsprüche auf dem Wege der "Abhilfe" erledigt wurde. Damit ist zumindest belegt, dass viele Steuerbescheide nicht ganz korrekt sind und Fehler so auch immer zu Mehr- oder Minderzahlungen führen können. Es muss ja nicht immer gleich um 85.000 Euro gehen.


Wann Steuerzahler erstatten müssen

Die Rechtslage

Das Finanzgericht hatte zunächst die Rückforderung des Fiskus für rechtens gehalten. Begründung: Der Steuerzahler hätte den Anrechnungsfehler erkennen können. Außerdem sei die Verjährung erst später an- und noch nicht abgelaufen.

Doch die Sache ging dann zum Bundesfinanzhof, Deutschlands höchstem Steuergericht. Und dort waren die Richter auf der Seite des Steuerzahlers. Sie erklärten, der Fiskus könne die Lohnsteuer nicht mehr zurückfordern, weil seit dem Erlass des Einkommensteuerbescheids mehr als fünf Jahre verstrichen seien (Az. VII R 55/10). Der Betroffene hatte Glück, denn nach fünf Jahren verjähren die Rückforderungsansprüche des Fiskus.

Nach Ablauf der Verjährungsfrist sollen Steuerzahler endgültig sicher sein können, was sie aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen zu zahlen haben und was ihnen zu erstatten ist. So dürfen Bürger dann auch zu viel Erhaltenes behalten.

Umgekehrt können sie danach auch nicht verlangen, dass auf die festgesetzte Steuer nachträglich etwas angerechnet und erstattet wird. Laut Richter wirkten sich auch die Änderungen des Einkommensteuerbescheides nicht auf den Fristablauf aus.


Die Expertin


Anita Käding vom Bund der Steuerzahler Deutschland kennt diese fünfjährige Verjährungsfrist auch. Aus der Praxis weiß sie: „Streit gibt es hier immer wieder darum, wann die Verjährungsfrist begonnen hat zu laufen“. Zudem weist sie darauf hin, dass die Zahlungsverjährung gehemmt und unterbrochen werden kann. Die Krux: „Nach einer Unterbrechung beispielsweise fangen die fünf Jahre von vorn an zu laufen“.

Käding rät im Falle eines Falles zu einer steuerlichen Beratung, um herauszufinden, wie es überhaupt dazu gekommen sein kann. Gleichzeitig warnt sie: „Wenn es nämlich aufgrund von fehlerhaften Angaben des Steuerzahlers zu dieser ungerechtfertigten Erstattung gekommen ist, ist man schnell dem Vorwurf der Steuerhinterziehung ausgesetzt.“ Wenn kein Fehler des Steuerzahlers oder seiner Berater vorliege, müsse sich jeder Steuerzahler selbst überlegen, ob er mit dem Gefühl etwas zu Unrecht erlangt zu haben ruhig schlafen kann.


Verhaltensregeln bei Fehler der Finanzbeamten

Das Fazit


Nicht nur wenn die Finanzbeamten sich verrechnen können sich Steuerzahler ins Fäustchen lachen. Auch wenn es zu versehentlichen Doppelüberweisungen eines Steuererstattungsbetrages kommt, sieht es gut aus. Sind fünf Jahre nach der Auszahlung vergangen, gehört das Sümmchen endgültig dem, an den es gezahlt wurde.

Die Devise lautet also: Immer erst fünf Jahre warten. Aber in dieser Zeit lässt sich der Betrag ja ohne weiteres zinsträchtig anlegen. Solange die Steuer nicht nachgezahlt werden muss, ist ja Geld zum Anlegen da. Ob daraus ein Vorteil entsteht, hängt davon ab, wie gut der Betroffene investiert.

Allerdings sollten die Modalitäten so sein, dass die Summe in den ersten fünf Anlage-Jahren jederzeit zurückgezahlt werden kann. Manchmal merkt´s der Fiskus ja doch noch.

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