Streitfall des Tages Wie Sie sich gegen Beleidigungen im Internet wehren

Anonyme Schreiber ruinieren im Internet mit zweifelhaften Beiträgen den Ruf von Unschuldigen. Solche Online-Verleumdungen können böse Folgen haben. Doch Betroffene können sich wehren und sogar Google verklagen.

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Der Schmu des Tages. Illustration: Tobias Wandres

Der Fall


Für viele wird das Internet zum Pranger. Als ein Geschäftsmann seinen Namen googelte, fand er zahlreiche Beleidigungen. Auch sein Geschäftsgebaren wurde fälschlich scharf kritisiert. Damit nicht genug: Ein anonymer Nutzer behauptete, er würde seine Visa-Card zur Begleichung von Sex-Rechnungen nutzen.

Solche Äußerungen seien unwahr und ehrenrührig befand der Unternehmer. Der Bloßgestellte fühlte sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Beleidigungen und Falschbehauptungen über sein Geschäftsgebaren und angebliche privaten Vorlieben können unkalkulierbare Folgen haben. Der Mann musste sich wehren.

Die Gegenseite


Besagter Geschäftsmann verklagte daraufhin niemanden geringeren als den Provider Google. So stellt die Firma mit Sitz in Kalifornien die technische Infrastruktur und den Speicherplatz für eine Website und für die unter einer Webadresseeingerichteten Blogs zur Verfügung.

Genau hier hatte die Beleidigung stattgefunden. Hinsichtlich der Blogs, journal- oder tagebuchartig angelegten Webseiten, fungiert Google nämlich als so genannter „Hostprovider“. Seitens Google wurde, wie sollte es anders sein, die Abweisung der Klage beantragt.

Die Relevanz


Das Internet ist auf dem Vormarsch. Und je mehr User es gibt umso folgenreicher können dort verbreitete Beleidigungen sein. So sind laut aktueller ARD/ZDF-Onlinestudie 51,7 Millionen Deutsche inzwischen online. Innerhalb eines Jahres sind 2,7 Millionen neue Nutzer hinzugekommen. Immerhin suchen 20 Prozent nach den Unternehmensprofilen in einschlägigen sozialen Netzwerken. Nicht gut, wenn dort dann üble und unzutreffende Kommentare über die Firmen abgeben werden.

Laut Medienberichten sollen im Jahr 2010 rund 25 Prozent der Nutzer eines sozialen Netzwerks nach eigenen Angaben mit Beleidigungen oder Bedrohungen in Berührung gekommen sein. Auch auf den Seiten www.rufmordopfer.com und www.Internetvictims.de geht es hoch her und Betroffene melden sich zu Wort.

Immerhin sollen nach einer aktuellen Studie auch 28 Prozent aller Personalberater das Internet nutzen, um sich potentielle Bewerber vor einer Anstellung einmal genauer anzusehen. Wenn sie dort dann falsche, unter die Gürtellinie zielende Behauptungen finden, kann das sehr ungute Folgen haben. Gleiches gilt für Firmen, die durch Blogger zu Unrecht in Misskredit gebracht werden.


Wie Betroffene Einträge löschen können

Die Rechtslage


Der oben beschriebene Fall landete vor dem Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 93/10). Die Richter entschieden, dass in Misskredit gebrachte Geschäftsmann sehr wohl den Provider verklagen könne. Und zwar auch in Deutschland, selbst wenn Google eigentlich in Kalifornien sitzt.

In dem Urteil heißt es, dass ein Hostprovider beleidigende Blog-Einträge bei entsprechender Beanstandung prüfen und notfalls löschen muss. Hostprovider sind alle die, die einen Speicherplatz im Netz für fremde Inhalte zur Verfügung stellen. Dazu gehören auch die Vermieter von Webservern und Adressen. Eine Übersicht findet sich unter anderem hier http://www.hostsuche.de/.

Allerdings geht es in der Entscheidung nicht um Schadensersatz sondern nur um Unterlassung. Sprich: Der Provider muss den Beitrag nur entfernen. Schmerzensgeld oder ähnliches muss er nicht zahlen. Aber auch Beleidigungen werden nur dann entfernt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. So muss der Betroffene seinen Hinweis auf die Beleidigung so konkret fassen, dass der Rechtsverstoß im Großen und Ganzen bejaht werden kann. Das heißt, es muss erkennbar sein, dass die Behauptung wirklich unwahr oder beleidigend ist. Nur dann muss der Eintrag beispielsweise von Google gelöscht werden.

Vorher muss zudem die Beschwerde des Beleidigten an den Verfasser zur Stellungnahme weiter geleitet werden. Letzter kann sich dann innerhalb einer bestimmten Frist zu seinem Geschreibsel äußern. Dann kann es richtig lustig werden. Denn, behauptet der Blogger dann, die Beanstandung seiner Worte sei haltlos, geht die Sache in die nächste Runde. Dann muss beispielsweise Google vom vermeintlich Beleidigten weitere Nachweise verlangen, aus denen sich die behauptete Unwahrheit ergibt.

Der Experte


Oliver Süme ist im Vorstand von Eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft. Gleichzeitig ist er auch Anwalt in der Sozietät Richter & Süme. Für ihn ist es klar: „Ehrverletzende Behauptungen oder Schmähungen gegenüber Privatpersonen sind im Internet ebenso problematisch wie geschäftsschädigende oder unlautere Äußerungen über Unternehmen durch Mitbewerber oder ehemalige Arbeitnehmer“.

Er kennt zahlreiche Fälle, in denen Betroffene Betreiber der Websites verklagen wollen. „Wir haben in der Kanzlei dazu Fälle aus völlig unterschiedlichen Bereichen: Unwahre Behauptungen ehemaliger Arbeitnehmer, Geschäftsschädigende Äußerungen von Mitbewerbern oder die Behauptung, bestimmte Unternehmen würden sich in Zahlungsschwierigkeiten befinden. Auch beleidigende Äußerungen über den Ex-Freund oder aus Rache veröffentlichte intime Fotos hatten wir schon. Das Spektrum ist sehr vielfältig, die Problematik immer die gleiche.“

Doch Süme weist darauf hin: „Das Löschen der Behauptungen funktioniert immer dann nicht, wenn der so genannte Hoster von den Beleidigungen gar keine Kenntnis hat.“. „Hier gibt es immer wieder Probleme“, so der Jurist. Denn es nicht klar, was „Kenntnis“ genau heißt und ab wann sie vorliegt. Auch die Frage, an welche Adresse die Information gesendet werden muss, lässt sich nicht immer eindeutig beantworten.

Doch davon abgesehen läuft das Prinzip „Notice-and-take-down“ sehr gut. Nach Sümes Erfahrung gibt es mit den Providern hier eher geringe Probleme. „Sie handeln, wenn sie entsprechende Hinweise erhalten“.


Die beste Strategie für Beleidigte

Das Fazit

„Gegen Äußerungen Dritter kann man sich natürlich nicht per se schützen, zumindest nicht vorbeugend“, erklärt Süme. Er rät, jeden Fall genau ansehen und zu prüfen, ob die jeweilige Äußerung als Meinungsäußerung nur
unangenehm ist, oder es sich tatsächlich um eine falsche Tatsachenbehauptung handelt.

„In jedem Fall sollten dann die Äußerungen dokumentiert und gesichert werden“, rät der Experte. Je schlimmer und geschäftsschädigender die Behauptungen sind, ums so schneller muss gehandelt werden. Betroffene sollten dann so genau und so umfassend wie möglich dem Host-Provider die Sache erklären. Denn je genauer die Beschreibung umso leichter kann dann gehandelt werden.

Nützliche Adressen

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