Im millionenschweren Schadensersatzprozess um den Börsengang der Deutschen Telekom hat die Vorsitzende Richterin unvorsichtige Anleger ermahnt. Wenn Anleger den Börsenverkaufsprospekt nicht verstehen, müssten sie sich von Experten beraten lassen, sagte Birgitta Schier-Ammann bei der Verhandlung am Oberlandesgericht Frankfurt. Man müsse trennen zwischen dem fachlichen Prospekt und der Werbung mit dem populären Schauspieler Manfred Krug, sagte die Richterin in der Diskussion um die Verständlichkeit des 263 Seiten starken Prospekts zum dritten Börsengang der Telekom im Jahr 2000.
Noch keine Stellung nahm der Senat zu den neuen Angriffspunkten wie dem globalen Haftungsrisiko, das die Telekom vom Bund und der Staatsbank KfW ohne erkennbare Gegenleistung übernommen hatte. Dorthin waren die Einnahmen von rund 13 Milliarden Euro aus dem Börsengang geflossen. Zudem soll die Beteiligung am US-Mobilfunker Sprint im Jahr 1999 im Prospekt um rund 8 Milliarden Euro zu positiv dargestellt worden sein. Der Senat habe über diese Vorwürfe noch nicht abschließend beraten, sagte Schier-Ammann. Für den 25. April stellte der Senat einen Beschluss in Aussicht. Dann könnte es zu einem Musterentscheid zugunsten oder gegen den Kläger kommen.
Fortsetzung folgt
Nach einem Urteil sieht es allerdings nicht aus. Eher rechnen die Prozessbeteiligten mit einer Fortsetzung der Beweisaufnahme zu den beiden noch offenen Vorwürfen. Bis Ende Februar werden weiter Schriftsätze ausgetauscht, am 25. April wird der Senat dann einen Entscheidung verkünden. „Der Senat hat bislang klar Stellung zu allen Vorwürfen bezogen, in denen er der Argumentation der Kläger nicht folgt“, sagt Rechtsanwalt Andreas Tilp, der den Musterkläger vertritt.“ Insofern ist die Aussage, der Senat müsse über die offenen Punkte noch beraten, klares Indiz dafür, dass die ernsten Anschuldigungen noch nicht vom Tisch sind. „Ich glaube, dass das Verfahren mit einer Beweisaufnahme weitergeht“, so Tilp.
Das OLG verhandelte zum 17. Mal in dem Musterprozess um die Klagen von rund 17.000 Kleinanlegern, die für erlittene Kursverluste rund 80 Millionen Euro Schadensersatz verlangen. Beide Seiten gehen unabhängig von dem Frankfurter Urteil davon aus, dass der Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof weitergeführt wird.
Die ersten Klagen um den Börsengang stammen aus dem Jahr 2001. Der Rechtsanwalt Andreas Tilp kritisierte das Musterverfahrensgesetz (KapMuG), das dem Prozess zugrunde liegt: „Das ist absichtlich so schlecht gemacht, damit der Telekom-Prozess nicht in absehbarer Zeit endet.“ Immerhin richte sich etwa jede zehnte Klage gegen den Bund, der darüber hinaus auf europäischer Ebene effektive Sammelklagen von Aktionären behindere. In Frankfurt wird exemplarisch der Fall eines schwäbischen Pensionärs geklärt, der 1,2 Millionen Euro fordert. Er hatte im Jahr 2000 einen Teil seiner Ersparnisse in die „Volksaktie“ gesteckt. 66,50 Euro kostete eine Aktie zum Höhepunkt des Technologie- und Börsen-Hypes - zwei Jahre später waren die Titel für gerade einmal acht Euro zu haben.