Überziehungskredit überteuert BGH-Urteil verbietet Gebühr bei Kontoüberziehung

Wegen der niedrigen Zinserlöse erhöhen viele Banken ihre Gebühren oder führen sie ein - etwa eine Mindestgebühr für das Überziehen des Dispokredits. Jetzt hat der Bundesgerichtshof diese Praxis untersagt.

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Stellen Sie sich vor, Sie bitten einen Kollegen, Ihnen bis zum morgigen Tag einen Euro zu leihen, da Sie ihr Portemonnaie daheim vergessen haben. Zehn Euro Schulden haben Sie ohnehin schon bei ihm, aber der Kollege stimmt zu und macht sich eine Notiz auf einem Zettel, dass Sie ihm den Euro am kommenden Tag zurückgeben wollen. Am darauffolgenden Tag bringen Sie ihm den Euro an seinen Arbeitsplatz. Er notiert auf seinem Zettel, dass er das Geld zurückerhalten hat. Und verlangt von ihnen dafür 6,90 Euro. Dafür, so sagt er, können Sie bei ihm im laufenden Quartal jedoch gerne wieder einen Euro leihen ohne dass diese Individualgebühr anfällt. Bei diesem Kollegen leihen Sie sich sicher nicht nochmal Geld. Aber so was passiert natürlich sowieso nie.

1 Euro leihen, 6,90 zahlen

Den Kunden einiger Banken ist es jedoch genau so ergangen. Stellen Sie sich vor, Sie sind Kunde der Deutschen Bank und haben dort ein Girokonto. Dies überziehen sie im laufenden Quartal einen Tag vor dem Gehaltseingang um einen Euro. Das kostet sie 6,90 Euro.

In beiden Fällen ging es um die Überziehung des Girokontos über den vereinbarten Dispokredit hinaus. Duldet die Bank die Überschreitung, werden erhöhte Zinsen fällig. Im Streitjahr 2012 beliefen sie sich auf über 16 Prozent. Aber die pauschalen Mindestentgelte, die beide Banken zusätzlich verlangten, waren nicht rechtens. Die Targobank verlangte laut Preisverzeichnis 2,95 Euro monatlich, bei der Deutschen Bank waren es 6,90 Euro im Quartal. Allerdings wurden diese Beträge mit den Sollzinsen verrechnet. Waren die aufgelaufenen Zinsen geringer, wurde nur die Pauschale fällig. Überstiegen die Sollzinsen die Pauschale, wurde sie nicht erhoben.

BGH sieht unangemessene Benachteiligung der Kunden

Dagegen hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen geklagt. Nicht allein gegen die Deutsche Bank, sondern auch gegen die Targobank, die ebenfalls eine Gebühr von 2,95 Euro für die Überziehung des Dispokredites erhebt. Heute hat der Bundesgerichtshof (BGH) die beiden Klagen, die die Verbraucherschützer gegen die Geldinstitute erhoben hatten, verhandelt und sein Urteil gesprochen: Banken dürfen für geduldete Kontoüberziehungen keine Pauschale mehr verlangen. Der BGH hat die Klausel als unangemessene Benachteiligung der Kunden untersagt.

Der BGH hatte bereits während der Verhandlung Bedenken gegen diese Mindestentgelte geäußert. Falls eine Bank die Überziehung eines Kontos dulde, gewähre sie damit dem Kunden einen Kredit. Die dafür zu zahlenden Zinsen seien laut Gesetz abhängig von der Laufzeit und könnten bei minimalen Zinsprofiten nicht durch einen Festbetrag ersetzt werden, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Ellenberger in seiner vorläufigen Einschätzung des Falles.

Der Richter verwies auch darauf, dass Kunden ohne Dispokredit bei einer geringfügigen Überziehung für wenige Tage am Monatsende unangemessen benachteiligt würden, weil dann das Entgelt etwa von 2,95 einem Zinssatz von mehr als hundert Prozent entsprechen könne.

In der ersten Instanz hatten die Oberlandesgerichte in Frankfurt und Düsseldorf unterschiedliche Urteile gefällt. Im ungünstigsten Fall kann so eine Klausel dazu führen, dass ein Kunde wegen einer Überziehung um wenige Cent an einem einzigen Tag mehrere Euro Gebühr zahlen muss. Das kritisieren die Verbraucherschützer als unverhältnismäßig. (Az. XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15)

Die Anwälte der beiden Häuser am Bundesgerichtshof hatten in der Verhandlung noch von „Peanuts“ gesprochen. Nach ihrer Darstellung entstehe der Bank durch einen kurzfristig gewährten Kleinstkredit, bei dem schon beide Augen zugedrückt werden, ein hoher Aufwand. So müssten Sachbearbeiter in jedem Einzelfall die Bonität des Kunden prüfen. Über Zinsen lasse sich das nicht finanzieren. Selbst bei einem hohen Satz von 16,5 Prozent zahle ein Kunde, der sein Konto eine Woche lang um 1000 Euro überziehe, nur 3,16 Euro.

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Die Richter deuteten aber an, dass sie an zwei Urteile von 2014 anknüpfen wollen. Damals hatte der Senat laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühren für Kreditverträge gekippt, weil die Banken damit unzulässigerweise ihre Kosten auf die Kunden abwälzten.

Seit März verpflichtet ein neues Gesetz die Banken, die aktuellen Zinssätze gut sichtbar auf ihre Internetseite zu stellen. Wenige Klicks bei der Hausbank lehren die meisten Verbraucher jedoch, dass zwischen gut sichtbar und leicht zu finden viel Raum ist.

Mit Material von dpa.

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