Unterhalt

Was Sie beim Kindesunterhalt beachten müssen

Anke Henrich
Anke Henrich Freie Autorin, Mittelstands-Expertin

Infos vom Finanzamt, Ansprüche an die Großeltern oder der Geldwert der Bleibe bei der neuen Freundin: Streiten sich Ex-Partner um den Kindsunterhalt, gibt es immer wieder juristische Überraschungen. Der Rechtsanwalt J. Christoph Berndt kennt sich damit aus.

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Spielende Kinder auf einem Hüpfkissen Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Berndt, wie hoch ist der Mindestunterhalt, den ein Unterhaltsverpflichteter überhaupt zahlen muss?

J. Christoph Berndt: Es gibt klare Untergrenzen: Kindern bis zum 6. Lebensjahr stehen 240 Euro zu; 6- bis 11 Jährigen 289 Euro  und 12- bis 18-Jährigen 355 Euro. So gibt es die „Düsseldorfer Tabelle“ allen Eltern vor. Hierbei ist bereits die Hälfte des staatlichen Kindergeldes berücksichtigt.

J. Christoph Berndt. Quelle: PR

Gibt es auch Obergrenzen für sehr gut situierte Eltern?

Auch die gibt es faktisch. Keiner kann im Namen seines Kindes - denn nur das hat den Anspruch auf Unterhalt - vom anderen Elternteil unbegrenzt Geld fordern. Die Höchstsätze liegen in den drei Altersgruppen bei 441, 520 und 625 Euro. Der jeweilige Höchstsatz stellt eine sogenannte relative Sättigungsgrenze dar. Ein höherer Unterhaltsbedarf wäre durch beziehungsweise für das Kind im Einzelnen darzulegen.

Der angemessene Bedarf eines studierenden oder in Ausbildung befindlichen Volljährigen mit eigenem Hausstand liegt pauschal bei 735 Euro abzüglich Kindergeld. Das entspricht ungefähr dem Bafögsatz.

Zur Person

Das ist nicht viel, wenn ein Kind beispielsweise auf eine Privatschule geht.

In diesem oder anderen Fällen für höhere Unterhaltswünsche muss der betreuende Elternteil belegen, welche Ausgaben er für das Kind konkret hat. Können sich die Eltern nicht einigen, muss notfalls ein Richter klären, ob diese Kosten für den Lebensstandard des Kindes berechtigt sind und wie sich beide Elternteile daran beteiligen müssen.

Was der Ex über den Unterhalt wissen sollte

Nun nennt aber nicht jeder Unterhaltspflichtige freiwillig sein Einkommen. Welche Offenlegungspflichten hat er? 

Alle zwei Jahre muss er routinemäßig und vollständig auf Aufforderung sein laufendes Einkommen plus sein komplettes Vermögen offenlegen. Wenn er das nicht macht, kann im gerichtlichen Verfahren auch das Finanzamt angefragt werden, das dann Auskunft über alle dort bekannten Summen gibt.

Gehören denn zum Einkommen des Unterhaltspflichtigen auch regelmäßige Zuwendungen beispielsweise Zuschuss von den Eltern oder kostenloses Wohnen des Kindsvaters im Haus seiner Freundin? 

Das ist juristisch gesehen eine große Spielwiese, da diese Zuwendungen in der Regel nicht mit der Absicht gemacht werden, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Empfängers zu erhöhen. Auch solche Zuwendungen müssen jedoch komplett angegeben werden. Sie sind aber nicht automatisch relevant für die Unterhaltsberechnung. Ohne gütliche Einigung muss am Ende das Gericht entscheiden.

Mehrarbeit, Arbeitslosigkeit, Schulden

Kann ein Gericht einen Elternteil auch zwingen mehr zu arbeiten als bisher, damit er sein Kind mit mehr Geld unterstützen kann?

Für die Höhe bis zum Mindestunterhalt gilt das auf jeden Fall. Aber der Gesetzgeber hat auch vorgesorgt, falls sich beispielsweise ein Anwalt entschiede, zwecks Unterhaltsparen lieber bei einer US-Kette Burger zu braten statt als Jurist zu arbeiten. Dann gilt: Er ist verpflichtet, seine Arbeitskraft seiner Qualifikation entsprechend bestmöglichst auf den Markt zu bringen. Abtauchen gilt nicht.

Und wenn sich der zahlende Elternteil gleich ganz arbeitslos meldet?

Dann erwartet die Rechtsprechung von ihm, dass er sich mit einer monatlichen Stundenzahl, die einer Anstellung entspräche, um eine Stelle bemüht. Das beinhaltet zum Beispiel je nach Aufwand 15 bis 35 Bewerbungen bundesweit pro Monat.

Auch die Option eine Fortbildung oder eine ganz neue Ausbildung anzufangen, entpflichtet den Unterhaltszahler nicht. In diesem Fall gilt: Die erste Ausbildung hat Vorrang vor dem Kindsunterhalt, weil sie –hoffentlich – sicherstellt, dass der Vater oder die Mutter auf Dauer für den Unterhalt des Kindes sorgen können. Alle weiteren beruflichen Ambitionen entpflichten nicht vom Unterhalt oder lassen ihn sinken. Das gilt bis zum Ende der kompletten Ausbildung des Kindes – also womöglich bis zum Studium bis Mitte zwanzig.

Senken denn Schulden zum Beispiel für Immobilien die Unterhaltspflicht?

In der Regel ja, wenn es alte Schulden sind aus der Zeit, bevor der heute Unterhaltspflichtige von seinem anstehendem Kindersegen wusste.

Nein, wenn es neue Schulden sind. Verbindlichkeiten in Kenntnis der eigenen Unterhaltspflicht sind nicht abziehbar. Dann muss der Betroffene eben umschulden oder die Ratenzahlungen strecken. 

Wenn sich der Unterhaltspflichtige komplett verweigert, was kann der betreuende Elternteil dann machen?

Er kann vor Gericht einen Titel gegen den Zahlungsverweigerer erwirken und damit zum Beispiel dessen Gehalt pfänden lassen. Klappt das auch nicht, bekommen Kinder bis zum 12. Lebensjahr maximal 76 Monate vom Staat einen Unterhaltsvorschuss. Den holt er sich aber beim Unterhaltspflichtigen wieder.

Steuern, Besuchsrecht, Vermögen

Kann man eigentlich nicht erhaltenen Unterhalt als steuerliche Belastung absetzen?

Nein, das funktioniert nicht. Aber es gibt auch noch einen anderen Anspruch auf Kindsunterhalt.

Nämlich?

Auch die vier Großeltern eines Kindes geraten unter Umständen, nämlich wenn der Unterhaltspflichtige komplett ausfällt, in die Pflicht. Es gibt eine Durchgriffshaftung, weil Verwandte in gerader Linie gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet sind.

Stichworte zur Scheidung

Da kommt aber bestimmt Freude auf. Eine Scheidung ist für Kinder ohnehin traumatisch, manche streitende Elternteile nutzen selbst noch das Besuchsrecht als Waffe. Ist das erlaubt?

Ausdrücklich: nein! Unterhalt und Besuchsrecht sind zwei völlig voneinander getrennte Fragen. Weder kann der säumige Zahler drohen, es fließt nur Geld, wenn ich das Kind mehr sehen darf, noch darf der Betreuende trotz Geldsorgen dem Verweigerer mit Kindesentzug drohen.

Wer so agiert, sollte sich ohnehin in einer ruhigen Minute mal fragen, ob bei ihm oder ihr wirklich das Seelenheils des Kindes, das beide Eltern liebt und sehen will, im Vordergrund steht. 

Müssen Eltern auch Unterhalt leisten, wenn das Kind zum Beispiel aus einer Erbschaft eigenes Vermögen hat?

Dann dürfen nur die Erträge, die es daraus hat, zum Beispiel Mieten oder Ausschüttungen von Firmenanteilen, mit dem Unterhaltsanspruch an die Eltern verrechnet werden. Erzielt das Kind Einkünfte über dem derzeitigen Höchstsatz von beispielsweise 735 Euro für volljährige Kinder, sind die Eltern ganz vom Unterhalt befreit. An die Vermögenssubstanz muss das Kind aber nicht gehen.

Haben Sie noch eine gute Nachricht für unterhaltspflichtige Väter und Mütter?

Ja für alle die, die sich die Betreuung ihres Kindes tatsächlich teilen.

Bis jetzt gilt: Nur wenn das Kind im Wechselmodell wirklich je zur Hälfte bei beiden gleich verdienenden Elternteilen lebt, besteht keine Zahlpflicht..

Bislang muss auch ein Vater oder eine Mutter, die sich 30 oder 40 Prozent der Zeit ums Kind kümmert, noch den vollen Unterhalt zahlen. Inzwischen tagt eine Arbeitsgruppe im Justizministerium, um mit einer Gesetzesänderung für mehr Gerechtigkeit  zu sorgen. 2018 wird sie voraussichtlich  ihre Vorschläge der Bundesregierung übergeben.

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