Urteil des Bundesarbeitsgerichts Arbeitnehmer muss überdurchschnittliche Leistungen beweisen

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Zeugnis muss wahr sein

Nach dem Gesetz muss der Arbeitgeber einem ausscheidenden Mitarbeiter ein leistungsgerechtes Zeugnis erstellen. Dabei muss er zum einen darauf achten, dass das Zeugnis inhaltlich der Wahrheit entspricht. Zum anderen muss das Zeugnis wohlwollend sein. Beide Kriterien zu erfüllen, verlangt Arbeitgebern oftmals einen Spagat ab: Tatsächlich schlechte Leistungen dürfen sie im Zeugnis nicht anklingen lassen, zugleich sollen sie den Mitarbeiter wahrheitsgemäß benoten.

Die Geheimsprache der Arbeitszeugnisse
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat entschieden, dass Beschäftigte keinen Anspruch auf Dank und gute Wünsche im Arbeitszeugnis haben (9 AZR 227/11). Firmenchefs seien gesetzlich nicht dazu verpflichtet, Arbeitnehmern für ihre geleisteten Dienste zu danken, deren Ausscheiden zu bedauern oder ihnen für die Zukunft alles Gute zu wünschen. Geklagt hatte ein Mann aus Baden-Württemberg, dessen Arbeitszeugnis mit dem Satz: "Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute" endete. Er hielt diese Schlussformel für unzureichend und sah sein gutes Zeugnis entwertet. Worauf Sie bei Arbeitszeugnissen wirklich achten müssen, erfahren Sie in unserem Bilder-Überblick. Quelle: dpa
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Als Folge einer umfangreichen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, die „Geheimcodes“ im Arbeitszeugnis verbietet und negative Urteile über den scheidenden Mitarbeiter ohnehin nicht erlaubt, fällt die Mehrzahl der Zeugnisse heute gut oder sehr gut aus. Personaler wissen, dass der Inhalt des Zeugnisses in vielen Fällen nicht mehr den tatsächlichen Leistungen entspricht und verlassen sich längst nur noch zu einem geringeren Teil darauf.

Die Entscheidung des BAG ist aus Sicht der Arbeitgeber deshalb zu begrüßen. Im Streitfall trägt der Arbeitnehmer grundsätzlich und unverändert die Beweis- und Darlegungslast für Zeugnisse im oberen Bereich (sehr gut/gut).

Keine vollständige Entwertung

Mit seinem Urteil sorgt das BAG auch dafür, dass das Zeugnis nicht vollends entwertet wird, indem sich eine durchschnittliche Bewertung an dem empirischen Mittel von Umfrageergebnissen statt der individuellen Leistungen orientieren muss. Bei der Beurteilung der Leistungen nach dem Schulnotensystem muss sich die Frage, was durchschnittlich ist, zwingend auch nach den Erfahrungen des Arbeitgebers mit seinen Mitarbeitern richten.

Die „durchschnittliche Bewertung der Leistung“ ist daher ein dynamischer Vorgang beim konkreten Arbeitgeber und kann von Arbeitgeber zu Arbeitgeber sowie in jedem Einzelfall schwanken. Das BAG bestätigt insofern den Einschätzungsspielraum des Arbeitgebers.

Der Streit um die konkrete Leistungsbeurteilung wird damit weiterhin vor den Gerichten ausgetragen werden. Auch künftig wird ein (sehr) gutes Zeugnis bisweilen als Spielball in einem Kündigungsstreitverfahren eingesetzt werden.

Will ein Arbeitnehmer die Verbesserung seines Zeugnisses durchsetzen, ist dies kein „Wunschkonzert“, sondern muss vom Arbeitnehmer mit Tatsachen und Beweisen untermauert werden. Letztendlich wurde das Recht des Arbeitgebers, befriedigende Leistungen im Zeugnis auszustellen, nicht mit neuen Beweislastregelungen durch das BAG erschwert.

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