Heinrich Maria Schulte saß regungslos auf seinem Stuhl, als er von Richter Peter Rühle sein Urteil erfuhr. Der 61-jährige Medizinprofessor und Finanzunternehmer soll für acht Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Es ist die wohl härteste Strafe, die je ein deutsches Gericht in einem Wirtschafts-Strafprozess verhängte.
Die Große Strafkammer des Hamburger Landgerichts sah es als erwiesen an, dass Schulte als Inhaber und Chef des Fondshauses Wölbern Invest rund 147 Millionen Euro gewerbsmäßig veruntreut hat. Betroffen sind mehr als 30.000 Anleger, die in 30 geschlossene Fonds investiert hatten. Vier Fonds haben inzwischen Insolvenz angemeldet, bei mindestens sechs weiteren gibt es Probleme.
Mit dem Urteil folgte das Gericht weitgehend Staatsanwalt Heyner Heyen. Der forderte in seinem Plädoyer am vorletzten Verhandlungstag eine Gesamtstrafe von zwölf Jahren. Schultes Anwälte Wolf Römmig, Arne Timmermann und Thomas Hauswaldt plädierten dagegen auf Freispruch für ihren Mandanten, der seit 19 Monaten in Untersuchungshaft sitzt.
Die wichtigsten Fondstypen im Überblick
Wie der Name schon sagt, legen diese Investmentfonds in Aktien an. Aufgrund der breiten Anlagestreuung ist ein Investment in Aktienfonds weniger risikoreich als eine Direktanlage in Einzeltitel. Aktienfonds haben spezielle Anlageschwerpunkte – etwa bestimmte Branchen, Länder, Regionen oder Anlagestile.
Dieser Investmentfonds – auch Exchange Traded Funds (kurz ETF) genannt – bildet einen Index wie beispielsweise den Dax eins zu eins nach. Die Zusammensetzung dieses Fonds verändert sich nur, wenn sich die Zusammensetzung des zugrunde liegenden Index verändert. Deshalb spricht man von einem passiven Investment. ETFs können fortlaufend über die Börse gehandelt werden. Ihre Verwaltungsgebühren sind sehr gering, Ausgabeaufschläge wie bei „aktiv“ gemanagten Fonds entfallen.
Für die kurzfristige Anlage eignen sich vor allem Geldmarktfonds. Sie investieren in Geldmarktinstrumente wie beispielsweise Festgeld und kurz laufende, festverzinsliche Wertpapiere. Die Kursschwankungen dieser Fonds sind gering, die Renditeaussichten allerdings auch.
Offene Immobilienfonds legen das Geld der Anleger in Grundstücken, Erbbaurechten und Beteiligungen an Büro- und Geschäftsimmobilien an. Anleger profitieren von den Miet- und Zinseinnahmen sowie den Wertsteigerungen der Immobilien. Die Anzahl der ausgegebenen Anteile ist anders als bei geschlossenen Immobilienfonds nicht begrenzt.
Sogenannte Lebenszyklusfonds sind im Grunde Mischfonds mit einem bestimmten Anlageziel beziehungsweise -horizont. Die Lebenszyklusfonds haben eine feste Laufzeit, gegen Ende dieses Zeitraums – das können 20, 25 oder 30 Jahre sein – schichtet das Fondsmanagement schrittweise von Aktien in Anleihen um, um das Kapital und die angefallenen Kursgewinne zu sichern.
Diese Fonds legen in Aktien und Anleihen an. Der Fondsmanager kann so in stagnierenden oder fallenden Märkten verzinsliche Wertpapiere übergewichten, bei steigenden Akteinkursen den Anlageschwerpunkt aber wieder verlagern. Das Ziel: einen höheren Ertrag als reine Rentenfonds zu erzielen und beim Risiko niedriger als bei einem Aktienfonds zu liegen. Der typische Aktienanteil liegt zwischen 30 und 70 Prozent – je nach Geschmack der Anleger.
Rentenfonds investieren ausschließlich oder überwiegend in festverzinsliche Wertpapiere wie Pfandbriefe, Kommunalobligationen oder Länder- beziehungsweise Unternehmensanleihen. Da regelmäßig Erträge in Form von Zinszahlungen anfallen, bieten Rentenfonds in der Regel stetige Erträge.
Die Verteidiger kündigten im Vorfeld der Verkündung indirekt an, im Falle einer Verurteilung in Revision zu gehen. Der Sachverhalt sei angesichts vieler nicht ausgewerteter Dokumente nicht vollständig ermittelt worden. Damit könnte der Fall nun beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe landen.
Laut Staatsanwalt Heyen hat Schulte zwischen August 2011 und September 2013 mit 327 Einzelüberweisungen mehr als 147 Millionen Euro aus den geschlossenen Immobilienfonds des Emissionshauses Wölbern Invest entnommen. Abzüglich erfolgter Rückzahlungen blieben nach Ansicht der Ermittler 115 Millionen Euro offen.
Das Geld soll Schulte über eine holländische Briefkastenfirma abgezweigt haben. Es diente demnach zur Anzahlung für neue geschlossene Fonds, aber auch zur Finanzierung von Schultes inzwischen insolventer Medizinfirma Medivision. Und zum privaten Vergnügen.
Privatjet-Flüge und Fahrten auf der Segelyacht
So flossen laut Staatsanwaltschaft allein 2,5 Millionen Euro in die Renovierung von Schultes Villa an der feinen Hamburger Elbchaussee. Für zwei Millionen Euro gönnte sich der Manager Flüge im Privatjet und die Nutzung einer Segelyacht. Eine weitere Million floss in Kunst und Schmuck. Dazu stießen die Ermittler auf Rechnungen für Heliskiing und Opernbesuche in Bayreuth.
Aussicht auf Schadenersatz oder einen Vergleich besteht, wenn...
verschwiegen oder nicht detailliert genug offengelegt haben. Dies gilt auch, wenn der Prospekt die Höhe der Vergütung und deren Empfänger korrekt angibt.
Investment beworben wurde, obwohl es sich um eine unternehmerische Beteiligung handelt, oder sie zum Beispiel einem älteren Sparer zur Altersvorsorge empfohlen wurde.
mit sich selbst zum Nachteil der Anleger gemacht hat. Beispielsweise verkauft eine Reederei Schiffe überteuert an hauseigene Fonds, ohne dass dies im Prospekt steht.
zweckentfremdet wird. So warb beispielsweise die Commerzbank Geld für Filmfonds ein, das aber nur zu einem Bruchteil in die Filmproduktion floss.
falsche Angaben enthält, beispielsweise über die Höhe der Kosten oder unternehmerische Risiken.
beschlossenen Änderungen der Geschäftsgrundlagen juristisch angreifbar sind. Dazu gehören etwa der zeitweise Verzicht auf Mieten oder die Verpflichtung, Geld in einen kriselnden Fonds nachzuschießen.
Schulte selbst wies den Vorwurf der gewerbsmäßigen Untreue zurück. Er habe sich nicht persönlich bereichern wollen. Für alle Zahlungen habe es belastbare Rechtsgrundlagen gegeben. Außerdem habe er sich stets auf seine juristischen Berater, vornehmlich der Kanzlei Bird & Bird verlassen.
Die kommt mit dem Urteil gegen Schulte nun zunehmend in Bedrängnis. Denn gegen Bird & Bird läuft im Zusammenhang mit dem Wölbern-Skandal ein Zivilverfahren: 29 Fondsgesellschaften und der Insolvenzverwalter Tjark Thies verlangen von der Kanzlei 166 Millionen Euro Schadenersatz. Drei Anwälte von Bird & Bird berieten Schulte. Sie sollen ihm geholfen haben, Millionen aus den Fonds abzuzweigen. So zumindest der Vorwurf der Kläger.
Bird & Bird wies die Vorwürfe zurück und kündigte an, sich „mit allen rechtlich verfügbaren Mitteln entschieden zur Wehr zu setzen“. Die Kanzlei habe sich „im Rahmen der Beratung der Wölbern Gruppe im rechtlich zulässigen Rahmen bewegt und an keiner Stelle Rechtsverletzungen legitimiert“.