Verbraucherschutz Chance auf Sammelklage in Deutschland steigt

Maximilian Schrems: Der österreichische Jurist darf in seinem Heimatland keine Sammelklage gegen Facebook einreichen. Quelle: AP

Verbraucher könnten bald auch in Deutschland wirksame Sammelklagen nutzen. Dazu trägt ausgerechnet ein eigentlich negatives Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Zulässigkeit von Sammelklagen gegen Facebook bei.

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Eigentlich befasste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) nur damit, ob ein Österreicher eine Sammelklage gegen Facebook einreichen kann. Der Österreicher Max Schrems forderte, das soziale Netzwerk in seiner Heimat wegen Datenschutzverstößen verklagen zu können. Dabei wollte er auch die Interessen von 25.000 anderen Facebook-Nutzern vertreten, die ihm ihre Rechte abgetreten haben. Über 5000 davon kommen aus Deutschland (Rechtssache C-498/16). Jeder von ihnen wollte symbolische 500 Euro Schadensersatz fordern - in Summe also 12,5 Millionen Euro. Weitere 75.000 Nutzer hatten sich für das Verfahren registriert und wollten bei einem positiven Ausgang ebenfalls noch in den Rechtsstreit eintreten.

Strittig war, ob Schrems in Österreich klagen kann. Facebook lehnte das ab: Das Tech-Unternehmen habe seinen europäischen Sitz schließlich in Irland. Unklar war auch, ob Schrems stellvertretend für andere Facebook-Nutzer vor Gericht ziehen kann. Auch das hielt Facebook nicht für zulässig. Zuletzt ging es um die Frage, ob Schrems angesichts seines großen Engagements für den Datenschutz noch als Verbraucher gilt, oder ob er als Aktivist diesen Status verloren hat und aus seinem Engagement einen Beruf gemacht hat.

Der EuGH wies die Forderung nach einer Art internationaler Sammelklage nun ab. Schrems könne nicht stellvertretend für andere in Österreich klagen. Allerdings dürfe Schrems eine Musterklage in Österreich führen. So könnte er versuchen, seine Ansprüche durchzusetzen. Im Anschluss müssten dann jedoch alle anderen Verbraucher ihre Ansprüche ebenfalls selbst vor Gericht durchsetzen.

Die Entscheidung darf damit als eine Art Unentschieden gewertet werden. Facebook wollte eigentlich durchsetzen, dass Klagen nur individuell und nur in Irland möglich sind. Schrems wiederum wollte eine kollektive Klage in Österreich. Nun ist die Klage in Österreich möglich, aber eben nur individuell.

"Nicht der große Wurf, sondern ein stumpfes Schwert"

Allerdings hat das aus Verbrauchersicht zumindest vordergründig negative Urteil eine durchaus positive Seite. Schon der EuGH-Generalanwalt hatte im November vergangenen Jahres gefordert, dass die EU-Staaten endlich funktionierende Systeme für kollektiven Rechtsschutz - also zum Beispiel Sammelklagen - schaffen sollten. Diese dienten dem effektiven Schutz der Verbraucher und könnten das Justizsystem entlasten, weil weniger gleich gelagerte Verfahren nötig seien.

Die Einführung sollte allerdings Sache der Länder und der EU-Kommission sein. Die EU-Kommission ist an dem Thema dran. Sie hat bereits angekündigt, im April einen Gesetzentwurf zum kollektiven Rechtsschutz vorlegen zu wollen.

Die bislang in Deutschland verfolgten Pläne - Musterfeststellungsklage genannt - genügten diesen Anforderungen nicht, mein Arndt Eversberg. Er ist Geschäftsführer des Prozessfinanzierers Roland Prozessfinanz aus Köln, der Schrems Klage finanziert hat. „Was bisher in Deutschland geplant ist, bietet Verbrauchern nur die halbe Lösung. Es ist nicht der große Wurf, sondern ein stumpfes Schwert“, sagt Eversberg. Denn in Deutschland dürften Verbraucherverbände nur klären, ob Verbraucher Anspruch auf Schadensersatz haben. Geschädigte müssten dann aber doch individuell ihren Schadensersatz durchsetzen. „Das wird für die Unternehmen billig, denn das macht kaum jemand“, sagt Eversberg. Schon die Verfahren der Verbraucherverbände könnten drei bis zehn Jahre dauern. Danach müsse noch jeder Betroffene individuell klagen, so Eversberg. „Jede dieser Klagen kann scheitern, wenn der Sachverhalt nur etwas anders gelagert ist oder im Rahmen der Musterklage nur in Teilen entschieden wurde.

Was sich 2018 für Verbraucher ändert
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Eversberg rät der Politik dazu, sich an anderen europäischen Ländern zu orientieren. In Österreich dürften Verbraucherverbände als Kläger nicht nur stellvertretend für geschädigte Verbraucher vor Gericht klären, ob ein Anspruch auf Schadensersatz besteht. Sie dürften diesen Schadensersatz dann auch stellvertretend einklagen. Solch ein Instrument hält Eversberg auch in Deutschland für dringend nötig. Die Chancen darauf sind mit dem EuGH-Urteil nun gestiegen.

Vielleicht schreibt Schrems also erneut Geschichte: 2015 hatte der EuGH bereits die sogenannte Safe-Harbor-Vereinbarung der EU zur Datenübertragung in die USA gekippt. Der Auslöser war auch damals Schrems Streit mit Facebook.

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