Verbraucherzentralen „Wir wollen keine Klageindustrie wie in den USA“

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„Wir überlegen, wie wir VW verklagen könnten“

Inwiefern?
Bei Sammelklagen denkt man gleich an die Klageindustrie in den USA, aber dieses Modell ist nicht beabsichtigt und wird auch nicht kommen. Das US-System ist sehr aggressiv und kommerzialisiert. Das liegt an verschiedenen Eigenarten des US-Gerichtssystems, die aber in der EU gar nicht angedacht sind. So gibt es dort etwa ein Erfolgshonorar für Anwälte. Das wird es in Brüssel nicht geben. In Europa dürfen keine Privatkanzleien klagen, sondern nur Non-Profit-Organisationen. Wenn Prozessfinanzierer eingesetzt werden, dann dürfen diese keinen Einfluss auf das Klageverfahren ausüben.

Gerade die Geschädigten des VW-Dieselskandals hoffen nun auf eine schnelle Umsetzung, weil ihre Ansprüche Ende des Jahres verjähren. Wird es jetzt eine große Diesel-Klagewelle geben?
Der EU-Vorschlag dürfte bis Ende des Jahres noch nicht in trockenen Tüchern sein, wird hier also nicht helfen. Aber die Musterfeststellungsklage soll spätestens zum 1. November im Gesetzblatt stehen. Da kann man hoffen, dass das den VW-Geschädigten noch zu Gute kommt.

Bereiten Sie sich jetzt schon auf einen Ansturm von klagewütigen VW-Kunden vor?
Ja und nein. Wir überlegen heute schon, wie eine mögliche VW-Klage funktionieren könnte, aber das ist noch in einem vorläufigen Stadium. Dafür warten wir erst einmal ab, wie das Gesetz konkret am Ende ausfallen wird, um zu sehen wie realistisch es ist, dass wir mit einer solchen Klage auch gewinnen.

Was denken Sie, wie viele solcher Prozesse werden Sie in Zukunft führen?
Wir als Zentralverband werden voraussichtlich nur wenige Verfahren pro Jahr durchführen können, alleine deshalb, weil unser Prozesskostenetat nicht mehr hergibt. Aber wir hoffen, dass nicht nur wir von der Klagemöglichkeit Gebrauch machen, sondern auch andere Verbände, sodass sich eine gewisse Dynamik entwickelt. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Klagebefugnis für die Musterfeststellungsklage breit definiert. Der Mieterbund oder der ADAC etwa stecken ja sehr tief in ihren Themen drin und sollten mit ihrer Fachkompetenz natürlich auch klagen können. Nur dann wird die Musterfeststellungsklage den erwarteten Nutzen bringen.

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