Vergaberecht „Fünf Jahre Sperre, wenn Straftatbestände erfüllt sind“

Oliver Esch Quelle: PR

Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber sollten fair und transparent sein. Vergaberechtsanwalt Oliver Esch über illegal beschaffte Informationen, was Tricksern droht und Anforderungen, die Unternehmen überfordern.

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WirtschaftsWoche: Herr Esch, beim Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus haben sich laut Presseberichten Mitarbeiter wahrscheinlich illegal vertrauliche Unterlagen vor der Ausschreibung eines Auftrags für die Bundeswehr beschafft. Kommt so etwas öfter vor?
Oliver Esch: Es dürfte eher die Ausnahme sein, dass Unternehmen illegal beschaffte vertrauliche Unterlagen zu anstehenden oder laufenden Vergabeverfahren besitzen. Damit riskiert das Unternehmen doch von laufenden Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Das gilt selbst dann, wenn die Mitarbeiter des Bieters sich die Unterlagen nicht selbst beschafft haben, sondern sie ihnen zugespielt wurden. Solche Unterlagen können Angebotsinhalte von Wettbewerbern oder andere vertrauliche Informationen sein. Sobald so etwas passiert, müsste der Bieter den Auftraggeber informieren, um die Angelegenheit aufzuklären

Bringen solche Informationen Unternehmen einen Vorteil bei Ausschreibungen?
An sich nicht. Denn der öffentliche Auftraggeber ist gesetzlich verpflichtet, alle Bieter gleich zu behandeln. Und er muss alle für die Angebotserstellung relevanten Informationen sämtlichen Bietern rechtzeitig zugänglich zu machen, dafür gibt es das Transparenzgebot. Dies gilt jedenfalls für alle Informationen aus seinem Informations- und Herrschaftsbereich. Und wenn der Auftraggeber dafür die Fristen des Vergabeverfahrens, allen voran die Angebotsfrist, verlängert oder von vornherein hinreichend lang terminiert, um allen Bietern gleiche Bedingungen zu gewähren. Außerdem kann es sein, dass während des laufenden Verfahrens noch für die Angebotserstellung weitere umfangreiche, relevante Informationen nachgereicht werden müssen.

Was sind in so einem Fall üblicherweise die Folgen?
Ein Unternehmen riskiert von diesen und weiteren Ausschreibungen ausgeschlossen zu werden. Im Vergaberecht gibt es mehrere Ausschlusstatbestände. Das kann eine nachweislich schwere Verfehlung, die die Integrität des Unternehmens in Frage stellt, sein. Aber auch der besondere Fall des Versuchs, an vertrauliche Informationen zu kommen, durch die das Unternehmen Vorteile beim Vergabeverfahren haben könnte.

Welche Konsequenzen drohen bietenden Unternehmen darüber hinaus?
Noch härter sind sogenannte Vergabesperren für künftige Ausschreibungen. Je nach Verstoß kann diese Sperre fünf Jahre dauern, wenn Straftatbestände erfüllt sind. Bei anderen Verfehlungen bis zu drei Jahre Sperre..

Wie können Unternehmen solche Taten möglicherweise auch überengagierter Einzelner verhindern?
Diejenigen Mitarbeiter, die mit der Vorbereitung von Angeboten befasst sind, müssen entsprechend sensibilisiert und geschult werden. Sie müssen wissen, was zulässig und was verboten ist.

Aus Sicht von Unternehmen werden Ausschreibungen immer komplizierter. Was sind denn die größten Hürden, gerade für Mittelständler?
Eine ganz wesentliche Hürde ist diese: Gerade dann, wenn Unternehmen umfangreiche Unterlagen beibringen sollen, muss sichergestellt werden, dass zum einen sämtliche angefragten Informationen und Unterlagen auch vorgelegt werden und zum anderen die vorgelegten Unterlagen in sich widerspruchsfrei sein müssen. Insbesondere, wenn die Bieter umfangreiche Konzepte vorlegen sollen. Hier darf letztlich kein Produkt oder Verfahren abweichend von den benannten Produkten und Verfahrensweisen im Leistungsverzeichnis beschrieben werden. Und: Verschiedene Konzepte müssen untereinander stimmig sein. Jede erfolgreiche Ausschreibungsbearbeitung beginnt mit dem sorgfältigen Durchlesen der Vergabeunterlagen.

Nach meiner Einschätzung werden kleine oder mittelständische Unternehmen nicht benachteiligt. Hürden für den Mittelstand können jedoch unter Umständen in allzu hohen Anforderungen zur Erfüllung bestimmter Normen liegen. Großunternehmen sind bei der Angebotserstellung teilweise auch schwerfälliger, weil unterschiedliche Abteilungen zuarbeiten.

Benachteiligt können kleinere und mittelgroße Mittelständler dann sein, wenn der Auftraggeber eine Bewertung anhand von Kriterien, wie Umsatzgröße, einer Mindestpersonalzahl oder Anforderungen an technische Ausstattung oder Anzahl und Umfang von Referenzen, gefordert werden.

Bei vielen Unternehmen herrscht der Eindruck, dass bei Ausschreibungen vor allem der Preis eine Rolle spielt und Qualität weniger wichtig ist. Stimmt das?
Das hängt von den Zuschlagskriterien des Auftraggebers ab. Vielfach stellt der in durchaus erheblichem Umfang auch qualitative, nicht preisbezogene Kriterien als Zuschlagskriterien auf. Dazu können auch  politische Ziele wie etwa Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit zählen. Das erhöht dann den Aufwand für die Angebotswertung beim Auftraggeber. Letztlich sieht das deutsche Vergaberecht aber in der Tat nach wie vor die Möglichkeit vor, den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium festzulegen.   

Wie ließen sich gegebenenfalls Ausschreibungsverfahren verbessern?
Durch vorherige Recherche durch den Auftraggeber. Damit früh klar wird, wenn die Leistungsbeschreibung unter Umständen nicht dem aktuellen Stand verfügbarer Technik oder Lösungen entspricht. Wenn etwa in Form von Referenzen spezielle umweltfreundliche Verfahren gefordert werden, für die aber noch kein Anbieter die geforderte Anzahl an Referenzen bringen kann. In Berlin wurde kürzlich ein Bauprojekt für Kitas so ausgeschrieben, dass sich kein einziger Anbieter fand – zu hoch waren die Anforderungen an moderne Verfahren und zu viele Referenzprojekte. Das konnte kein mittelständischer Betrieb schaffen.

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