Verspätete Steuerzahlungen Wann das Finanzamt sechs Prozent Zinsen zahlt

Verspätete Steuerzahlungen verzinst das Finanzamt mit sechs Prozent pro Jahr. Dem Staat brachte das 2016 stolze 670 Millionen ein - ein Unrecht, sagen Experten. Wann der Fiskalzins greift und warum er kaum zur Geldanlage taugt.

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Die besten Finanzämter Deutschlands
Der Briefkasten des Finanzamtes in Euskirchen (NRW) Quelle: APN
Berlin-Zehlendorf Quelle: dpa
Das als Edelstein- und Garnisonsstadt bekannte Idar-Oberstein bietet seinen 28.300 Einwohnern ein kundenfreundliches Finanzamt an. Quelle: dpa
Rang 9: Oldenburg Niedersachsen (2,85 Punkte im Schnitt) schafft es in der Länderwertung gerade mal auf Platz 14 von 16. Das Amt Oldenburg allerdings sticht mit 4,65 Punkten deutlich positiv hervor. Quelle: dpa
Rang 7: Koblenz Koblenz ist mehr als 2000 Jahre alt, Teile der Stadt zählen zum UNESCO-Welterbe. Außerdem verfügt Koblenz über eine Universität. Ein weiterer Grund für die 111.000 Einwohner stolz auf ihre Stadt zu sein: Wie im Vorjahr landet das Finanzamt unter den Top 10. Quelle: dpa
Rang 2: Worms-Kirchheimbolanden Nur knapp den ersten Platz verpasst hat das Finanzamt in Worms-Kirchheimbolanden. Die Behörde aus Rheinland-Pfalz bekommt 4,90 Punkte. Rheinland-Pfalz hat mit einem Durchschnittswert von 3,65 Punkten im Schnitt die beliebtesten Finanzämter Deutschlands. Quelle: dpa
Bitburg hat nicht nur eines der am meisten verkauften Biere Deutschlands. Auch das Finanzamt genießt Ansehen. Quelle: obs

Der Staat kassiert in der Niedrigzinsphase weiter kräftig aus Zuschlägen auf Steuernachforderungen. Im vergangenen Jahr nahm der Fiskus unterm Strich und per Saldo gut 670,5 Millionen Euro an Zinsen ein, wie das Bundesfinanzministerium nun mitteilte. Schon in den Jahren 2014 und 2015 lag das Kassenaufkommen bei insgesamt rund 1,92 Milliarden Euro.

Zu den hohen Überschüssen aus Erstattungs- und Nachzahlungszinsen trugen im vergangenen Jahr Einnahmen von 228 Millionen Euro aus Zinsen zur Einkommen- und Lohnsteuer bei. Die Zinsen zur Körperschaftsteuer betrugen etwa 318 Millionen Euro, die zur Umsatzsteuer rund 131 Millionen Euro.

Der Überschuss von 670 Millionen Euro entspricht dem Saldo aus Erstattungs-  und Nachzahlungszinsen, die das Finanzamt berechnet. Denn sowohl für Steuernachforderungen als auch für Steuererstattungen des Finanzamtes fallen nach Ablauf bestimmter Fristen Zinsen von 0,5 Prozent pro Monat an. Die Summe ergibt sich aus der Differenz zwischen Nachzahlungs-, Stundungs- und Aussetzungszinsen (bekommt der Staat) sowie Erstattungszinsen (zugunsten der Steuerpflichtigen).

Seit 2008 soll Vater Staat über die Verzinsung von ausstehenden Steuerschulden 7,5 Milliarden Euro eingenommen haben. Wie viel der Staat hingegen ausgibt, weil er Steuerrückerstattungen ebenfalls verzinsen muss, geht aus dem Bericht leider nicht hervor. Dem Bund der Steuerzahler zufolge nimmt der Staat jedoch regelmäßig deutlich mehr Zinsen ein, als er zahlen muss.

Der feste Zinssatz ist seit mehr als 50 Jahren unverändert und steht gerade in der Niedrigzinsphase immer wieder in der Kritik. Nach Darstellung des Bundesfinanzministeriums ist er verfassungskonform und habe sich in der Praxis bewährt. Der Zinssatz von 0,5 Prozent könne „nicht mit dem wie auch immer verstandenen „Marktzins“ verglichen werden“. Es bestünden Unterschiede zwischen dem „Marktzins“ und der Verzinsung nach der Abgabenordnung.


„Verfassungsgemäßer Zins“ beschäftigt Gerichte

Angesichts der extrem niedrigen Zinsen, die am Kapitalmarkt für Ersparnisse und Guthaben erzielbar sind, empfinden das viele Steuerzahler und Experten als unverhältnismäßig, zumal der Staat bei diesem Thema mit zweierlei Maß misst: Vom Finanzamt erhaltene Zinsen sind genau wie andere Kapitalerträge steuerpflichtig. Gezahlte Zinsen dagegen können vom Steuerzahler in der Regel nicht wie Anlageverluste steuermindernd geltend gemacht werden. Wegen dieser Ungleichbehandlung ist nach Darstellung des Bundesverbandes Lohnsteuerhilfevereine auch eine Verfassungsbeschwerde anhängig (Az. 2 BvR 1711/15).

Zudem laufen noch Verfahren vor dem Finanzgericht Münster (Aktenzeichen 10 K 2472/16 E), in dem es auch um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinsen geht, sowie vor dem Bundesfinanzhof (Aktenzeichen I R 77/15) um (verfassungs-)rechtliche Bedenken gegen die Höhe des Zinssatzes. Beide Verfahren werden vom Bund der Steuerzahler unterstützt.

Teure Fehler bei der Steuererklärung
Steuerfehler Nummer 1: Ausgaben vergessenBeiträge zum Beispiel für die Riester- oder Rürup-Rente können Arbeitnehmer von der Steuer absetzen. Weil genau das beim Abschluss dieser Verträge meist als Verkaufsargument genannt wird, ist es vielen Bürgern bekannt – aber nicht unbedingt bewusst. „Aus der Praxis wissen wir, dass Steuerzahler oft vergessen, ihre Riester- und Rürup-Kosten in der Steuererklärung anzugeben“, so die Experten des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe. Sie haben sieben Fehler zusammengestellt, durch die sich Steuerpflichtige Rückzahlungen häufig entgehen lassen. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 2: Rechnungen bar zahlenHandwerker, Putzfrauen oder auch Au-pairs haben gemeinsam, dass man die Kosten in vielen Fällen von der Steuer absetzen kann - entweder als sogenannte Handwerkerleistung oder als haushaltsnahe Dienstleistung. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass Steuerzahler voll auf den Kosten sitzen bleiben, wenn sie das Geld bar bezahlen. Da hilft es auch nichts, die Rechnungen aufzuheben. Ohne Kontonachweis keine Steuervorteile. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 3: Hintertür zuschlagen und außergewöhnliche Belastungen nicht angebenDer Bundesfinanzhof (BFH) hat Ende 2015 in Bezug auf außergewöhnliche Belastungen entschieden, dass die Regel zur zumutbaren Eigenbelastung nicht zu beanstanden ist. Deshalb gilt weiterhin: Nur die Krankheits-, Pflegeheim- oder Scheidungskosten, die über der eigenen zumutbaren Belastungsgrenze liegen, kann man absetzen. Für diesen zumutbaren Eigenanteil hat der BFH aber im Januar 2017 eine neue Berechnungsregelung festgelegt. Die Richter gaben den Finanzämtern vor, dass künftig schrittweise die Prozentwerte je nach Einkommenshöhe angesetzt werden müssten (VI R 75/14). So seien von den ersten 15.340 Euro nur zwei Prozent aufzubringen (306,80 Euro), von den nächsten 35.790 Euro drei Prozent (1073,70 Euro) und erst darüber vier Prozent. Im Ergebnis sinkt die zumutbare Eigenbelastung gegenüber der alten Regelung. Viele Bürger sammeln gar nicht erst die Belege für das Zahnimplantat oder die Brille, weil sie denken, dass sie mit den Kosten sowieso nicht über die Zumutbarkeitsgrenze kommen. Aber es gibt noch eine Hintertür: Stehen außergewöhnliche Belastungen an, sollten Steuerzahler versuchen, sie in einem Kalenderjahr zu bündeln, um die Zumutbarkeitsgrenze sicher zu überschreiten. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 4: Mietvertrag mit Angehörigen nicht wasserdicht gestaltenVermietungen unter Verwandten sind nicht ungewöhnlich. Der Mieter bekommt eine Immobilie zum günstigen Preis, der Vermieter kann – trotz geringerer Miete – seine Kosten für das Objekt voll absetzen. Das geht aber nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens, die monatliche Miete beträgt mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete. Das heißt so viel wie: Zu günstig geht nicht. Zweitens … Quelle: IMAGO
… muss die Durchführung des Mietvertrags einem Fremdvergleich standhalten. Das bedeutet: Die Miete wird überwiesen und nicht bar ausgezahlt, sie wird außerdem pünktlich überwiesen, es gibt eine jährliche Nebenkostenabrechnung und ähnliches mehr. Quelle: dpa
Steuerfehler Nummer 5: Einträge vertauschenSie haben eine Fortbildung selbst bezahlt, die Kosten dafür aber nicht bei Weiterbildung sondern bei allgemeinen Werbungskosten in der Steuererklärung angegeben? Oder Sie haben Handwerkerleistungen bei den außergewöhnlichen Belastungen eingetragen? So etwas passiert Laien immer wieder. Das Finanzamt streicht dann zwar die geltend gemachten Kosten aus den falschen Zeilen raus, trägt sie aber nicht in die richtigen ein. Die Rückzahlung, die Ihnen zustehen würde, bleibt einfach aus. Quelle: dpa
Steuerfehler Nummer 6: Fristen verstreichen lassenDas Finanzamt schickt Ihnen den Steuerbescheid und Sie sind froh, dass Sie keine Steuern nachzahlen müssen? Oder Sie bekommen eine Rückzahlung, die aber geringer ausfällt als von Ihnen erwartet? Die meisten unternehmen in solchen Fällen nichts. Das könnte allerdings ein teurer Fehler sein. Denn vier Wochen nach dem Bescheid verstreicht die Einspruchsfrist. So lange können Sie den Bescheid genauer unter die Lupe nehmen oder einen Profi engagieren, der nachträglich für Sie gegenüber dem Finanzamt eintritt und etwaige Fehler behebt. Quelle: Handelsblatt Online


Inzwischen haben auch Politiker das Thema aufgegriffen: Einige CDU-Bundestagsabgeordnete etwa wollen am Zinssatz drehen. „Wir müssen die Vollverzinsung endlich anpassen. Das ist eine Frage der Fairness“, zitiert das "Handelsblatt" etwa Margaret Horb, die für die CDU im Bundestag sitzt. Der Zeitung zufolge hat die CDU bereits einen Gesetzentwurf erarbeitet. Demnach könnte der fiskalische Zinssatz von sechs auf drei Prozent sinken. "Der Steuerzahlerbund fordert seit geraumer Zeit eine Halbierung des Zinssatzes auf drei Prozent pro Jahr. Die Initiative der CDU unterstützt unseren Vorschlag“, sagt Isabel Klocke, Abteilungsleiterin Steuerrecht und Steuerpolitik beim Bund der Steuerzahler.

Einen variablen Zinssatz oder eine gesetzliche Kopplung an bestimmte Kapitalmarktzinsen hält sie wegen geringerer Transparenz und wegen des hohen Aufwands für nicht praktikabel.

Im Nullzinsumfeld hohe Rendite

Steuerzahler, denen Nachzahlungen an das Finanzamt ins Haus stehen, dürften sich über die Zinssatzhalbierung also freuen, sie zahlen künftig weniger. "Steuerzahler, denen auf Steuernachzahlungen Zinsen von sechs Prozent per anno vom Finanzamt aufgeschlagen werden, raten wir dringend mit Verweis auf die laufenden Verfahren zum Einspruch gegen ihren Steuerbescheid“, empfiehlt BdSt-Steuerexpertin Klocke. „Sie sollten das Ruhen des Verfahrens beantragen, bis die Verfassungsmäßigkeit des hohen Fiskalzinses in den Musterverfahren geklärt ist. So wahren sie ihre Chancen auf Rückerstattung zu viel gezahlter Zinsen.“

Andererseits: Seitdem festverzinsliche Wertpapiere, Sparbücher, Tages- und Festgeldkonten kaum noch Zinserträge einbringen, schauen Anleger und Kreditgeber neidisch auf den hohen Zinssatz vom Finanzamt. Einige Ratgeber legen ihren Lesern sogar nahe, durch hohe Steuervorauszahlungen und verzögerte Steuerbescheide diese sechs Prozent als Geldanlage zu nutzen. Denn wer seine Steuerschuld bereits bezahlt hat, aber mit einer Steuerrückzahlung rechnen kann, leiht dem Staat im Grunde Geld, wofür er eine marktübliche Verzinsung erwarten kann.

Heute liegen die höchsten Zinsen am Markt für Festgeld mit bis zu vier Jahren Laufzeit und für 10.000 Euro Anlagesumme bei maximal 1,76 Prozent, oft liegen sie nur um 1,0 bis 1,1 Prozent. Die Rendite beträgt so nach vier Jahren also maximal 723 Euro. Bei sechs Prozent läge sie bereits bei 2625 Euro. Aber die wird ein Steuerpflichtiger so nie bekommen.

In der Praxis als Anlageform untauglich

Der Haken: Die Idee ist nicht einfach in die Praxis umzusetzen. Denn wie lange das Finanzamt für einen Steuerbescheid benötigt, ist nicht hinreichend genau planbar. Außerdem verzinst der Fiskus Steuerrückzahlungen auch nur unter bestimmten Voraussetzungen und nach untypischen Berechnungsmethoden.

Zum einen berechnet der Staat keinen Zinseszinseffekt, sondern kalkuliert stur für jeden Monat 0,5 Prozent der ursprünglichen Summe. Zum anderen zahlt das Finanzamt die sechs Prozent erst ab dem 15. Monat nach dem Ende des fraglichen Steuerjahres, also ab dem April des Folgejahres. Dauert es bis zur Steuerrückzahlung vier Jahre, hat der Steuerzahler also nur einen Anspruch auf Verzinsung für 33 der 48 Monate, anders ausgedrückt bekommt er 16,5 Prozent statt 24 Prozent Zinsaufschlag. Unter dem Strich wären das also 1650 Euro. Immerhin noch mehr als das Doppelte von dem, was ein Festgeldkonto aktuell abwerfen würde.

Die Zinserträge sind aber auch ebenso zu versteuern, also nach Ausschöpfung des Freibetrags (801 Euro im Jahr, zusammen veranlagte Paare 1602 Euro) mit 25 Prozent - plus Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.

Besonders häufig sind Unternehmen nach Betriebsprüfungen vom Fiskalzins betroffen, da diese oft erst zwei oder drei Jahre nach Ablauf des Geschäftsjahres stattfinden. Zuletzt waren auch Rentner häufiger zur Zahlung von Zinsen an das Finanzamt verpflichtet, weil ihnen über Jahre nicht klar war, dass ihre Rente inzwischen steuerpflichtig ist und sie entsprechend Steuererklärungen für mehrere Jahre nachreichen mussten.

Mit Material von dpa

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