
Vor vier Jahren stürzte beim U-Bahn-Bau in Köln das Stadtarchiv samt Nachbarhäusern ein. Zwei Menschen starben, ein Milliardenschaden entstand – die genaue Ursache ist bis heute nicht klar. Deshalb haben die entsprechenden Baurechtsprozesse noch nicht einmal begonnen.
Sobald die starten, gibt es Kämpfe an schwindelerregend vielen Fronten: Die Stadt Köln als geschädigte Eigentümerin des Stadtarchivs muss sich zum einen mit der Bauherrin, der stadteigenen KVB, auseinandersetzen. Zum anderen geht sie mit Forderungen von mindestens einer Milliarde Euro Schadensersatz gegen die 21 Baufirmen des U-Bahn-Baus vor, zum Beispiel gegen Bilfinger, Züblin und Wayss & Freytag. Ebenso in der Schusslinie sind die beteiligten Planer und überwachende Architekten. Weitere Kläger werden die anderen Geschädigten sein, etwa Hauseigentümer, Mieter und Angehörige der Verstorbenen. Dann wird die KVB als Bauherrin gegen die Bauunternehmen vorgehen. Gibt´s mehrere, die den Schaden verantworten müssen, werden die später miteinander über ihre jeweilige Haftungsquote streiten. Des Weiteren dürften alle gegen ihre jeweiligen Versicherungen – Haftpflicht und Bauhaftpflicht – prozessieren. Die Versicherer untereinander wiederum streiten dann wegen der Beteiligungsquoten.
Die lange Liste von Klägern und Beklagten zeigt eindrucksvoll, wie komplex Baurechtsfälle sind. Hier geht es nicht nur um Eigenheime oder Gewerbeimmobilien, sondern auch um komplexe Projekte im Anlagenbau und um schwierige Konstrukte wie Skihallen, Krematorien, Windkraftanlagen, Fertigungsstraßen oder Klinikbauten. Der schlüsselfertige Neubau eines kompletten Klinikums mit 70 Millionen Euro Investitionsvolumen ist selbst für gewiefte Baurechtler „Turnen am Hochreck“, sagt Stephan Freund, Baurechtler bei Heuking Kühn Lüer Wojtek.
Platzen dann etwa Fertigstellungstermine, müssen etwa schon terminierte Operationen abgesagt werden – das wird teuer. Oder bei Hotels: „Taucht da ein Fehler auf , zum Beispiel eine zu hohe Duschkante, und es gibt 200 Zimmer, hat man das Problem gleich 200-mal“, sagt Freund. Wenn die Werbekampagne schon läuft, der Eröffnungstermin steht und die Reservierungen angenommen sind, wird’s richtig teuer.
Viele Dauermandate
Manchmal werden lange Untersuchungen nötig, bis überhaupt nur die Ursache eines Problems erkannt ist. Uwe Steingröver von Friedrich Graf von Westphalen & Partner berichtet vom Bau einer Skihalle, die sich anhob, weil sie Kälte in den Boden ableitete und – wie sich nach aufwendiger Ursachenforschung herausstellte – eine Bodenheizung benötigt hätte.
Typische Baumängel in Altbauten
Bis in die 60er und 70er Baujahre hinein finden sich noch unzureichend gegen Feuchtigkeit geschützte Kellerfundamente und Kellerwände. Bei Bauten aus den 20er Jahren finden sich teilweise sogar verrostete Stahlträger in Gewölbekellern. Muss ein Keller trocken gelegt und sogar ringsum ausgeschachtet werden, um ihn gegen Feuchtigkeit abzudichten, kostet das den Hauseigentümer schnell 20.000 Euro und mehr.
Bei Baujahren bis in die 70er Jahre finden sich noch ungedämmte Dachstühle, die die Energiekosten für ein Gebäude deutlich in die Höhe treiben. In den 70er und 80er Jahren gab dann zwar immer mehr gedämmte Dächer, doch oftmals wurde noch Mineralwolle verarbeitet, deren Fasern lungengängig sind und somit schädlich für die Atemwege sind. Ein komplett neues Dach mit Dämmung kostet schnell einen ordentlichen fünfstelligen Betrag. Sollte keine Dämmung vorhanden sein, sind Käufer heute zudem zur nachträglichen Dämmung verpflichtet. Für ein Einfamilienhaus muss der Bauherr mit Ausgaben im fünfstelligen Bereich rechnen. Die zeitweise modernen Flachdächer litten noch bis Ende der 70er Jahre unter oft fehlerhafter Ausführung, so dass früher oder später Wasser eindrang. Sie sollten vor einem Kauf genau geprüft werden, da Wasserschäden am Dach schnell Folgeschäden nach sich ziehen.
Holzfenster können bei sehr guter Pflege 50 Jahre und länger halten, oder schon nach zehn Jahren das Zeitliche segnen. Kunststofffenster halten generell eher 15 bis 25 Jahre. Sollen Fenster komplett erneuert werden, kommen auch hier schnell 20.000 Euro oder mehr zusammen.
Nicht selten finden sich in Altbauten veraltete oder korrodierte Leitungssysteme. So wurden etwa bis in die 60er Jahre noch Stromleitungen ohne Erdungskabel verlegt, die heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr genügen. In noch älteren Gebäuden drohen auch undichte Gasleitungen oder alte Wasserleitungen aus Blei. Generell spricht man bei Wasserleitungen von einer Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren, nur Kupferleitungen halten noch zehn Jahre länger. Gleiches gilt für Leitungen für das Heizwasser. Die Kosten lassen sich pauschal kaum veranschlagen, aber der Installations- und Zeitaufwand ist hoch – insbesondere wenn viele Wände und Böden dafür aufgestemmt werden müssen. In einem Modellvergleich der Sanierung eines Altbaus durch den Verband privater Bauherren e.V. schlug die Erneuerung der Elektroleitungen in einem 60er-Jahre Einfamilienhaus mit einem niedrigen fünfstelligen Preis zu Buche. Für die Erneuerung der Sanitärleitungen muss mit einem Betrag in ähnlicher Größenordnung gerechnet werden.
Im Durchschnitt ist ein Heizkessel nach 20 bis 30 Jahren am Ende seiner Lebensdauer angelangt. Zudem ist die Technik oft veraltet, der Energiebedarf entsprechend hoch. Neueigentümer sind zudem unter bestimmten Bedingungen gesetzlich gezwungen ihre Heizungsanlage zu erneuern. Eine Umrüstung auf eine sparsamere Brennwertheizung ist mit rund 10.000 Euro zu veranschlagen. Soll es eine moderne Pellet-Heizung sein, kommen schnell noch ein paar tausend Euro hinzu. Müssen zudem Leitungen und Heizkörper erneuert werden, wird es nochmals deutlich teurer, da auch hier der Installationsaufwand vergleichsweise hoch ist.
Ab den 50er Jahren hielt die Bauchemie Einzug in den Hausbau. Leider wurden bis in die 80er Jahre noch Materialien verwendet, die heute als stark gesundheitsgefährdend gelten. So wurde bis in die 70er Jahre noch Asbest verbaut, etwa in Form von Asbestzementplatten. Die krebserregenden Stoffe zu ersetzen und zu entsorgen ist aufwändig und teuer, zudem ist während der Baumaßnahmen das Gebäude oftmals nicht bewohnbar. Auch finden sich etwa teerhaltige Parkettkleber, giftige Holzschutzmittel oder Formaldehyd in Holzbauteilen. Hier ist Vorsicht geboten.
Ist die Fassade sanierungsbedürftig, muss laut Energieeinsparverordnung auch gleich eine Wärmedämmung aufgebracht werden – denn werden Bauteile verändert, müssen sie auch energetisch verbessert werden. Bei einem Einfamilienhaus entstehen so für die Fassade schnell Kosten von 25.000 Euro und mehr.
Klar ist: Viele der Mandate sind Dauermandate. Selbst ein Rechtsstreit um ein Einfamilienhaus mit Mängeln am Dach kann sich über Jahre erstrecken. „Eine Baurechtsstreitigkeit dauert nicht unter zweieinhalb Jahren, allein schon weil ein Sachverständigengutachten neun bis zwölf Monate Zeit braucht“, sagt Freund. Die Unterlagen füllen ganze Hallen. Als die Kanzlei Kapellmann etwa mit dem Bauprozess um das Sony-Center in Berlin beauftragt wurde, musste sie erst mal Platz für die 300 Leitz-Ordner schaffen.