WiWo-Top-Kanzleien Die besten Anwälte für Insolvenzrecht

Die besten Anwälte für Insolvenzrecht. Quelle: imago images

In einer Insolvenz ist die Stimmung in der Belegschaft entscheidend. Laufen wichtige Mitarbeiter zügig zur Konkurrenz über, wird eine Sanierung immer schwerer.

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Mal waren es Schneeschippen, mal Klobürsten. Etwa 10.000 Kunden belieferte Bernd Hockemeyer mit seinem Handelsunternehmen Unimet, das auf Geschäftskunden spezialisiert war. Vor knapp 50 Jahren hat es der alteingesessene Bremer Kaufmann gegründet. Und lange Zeit war es hochrentabel: 600 Mitarbeiter, 25 000 verschiedene Garten-, Haushalts-, Elektro- und Werkstattartikel im Angebot, ein eigener Fuhrpark, 120 Millionen Umsatz. Aber wie das so ist mit gut laufenden Geschäften: Sie verstellen den Blick für das, was vielleicht doch nicht ganz so gut läuft.

Dass die Banken Unimet plötzlich das übliche Darlehen für den Einkauf der Sommersaisonware verweigerten, war nur Auslöser für die Insolvenz, berichtet Malte Köster, der als Insolvenzverwalter übernahm. Die Ursache war eine andere: Die Geschäftsführung habe die Digitalisierung verschlafen, die Firma war auf dem technischen Stand von vor zehn Jahren – alles lief zu langsam, zu umständlich, sagt Köster. Er glaubt, dass auch bei manch anderem Unternehmen in den nächsten Jahren solch eine Finanzierung platzen könnte – mit fatalen Folgen.

Unimet handelte mit riesigen Warenmengen, aber ohne ein digitales Warenwirtschaftssystem. Wenn 3000 Spaten mit aufgedrucktem Barcode angeliefert wurden, mussten die Mitarbeiter die Zahlenkolonnen abtippen, weil ihre Systeme nicht kompatibel waren, erzählt der Jurist. Und auch an einer anderen Stelle hatte Unimet es versäumt, sich der Digitalisierung zu stellen: Ein großer Teil der Kunden waren Läden wie der Eisenwarenhändler vom Dorf, die nach und nach aufgeben, weil die Menschen solche Sachen eher online einkaufen. Unimet aber hatte sich nicht um eine neue Kundschaft gekümmert.

Es kam zum Liquiditätsengpass, vergangenen November wurde der Insolvenzantrag gestellt – und Köster legte los. Er hat sich als einer der erfolgreichsten Sanierer einen Namen gemacht: Jedes zweite Unternehmen, bei dem er übernommen hat, konnte er retten.

Weil er genau weiß, wie verunsichert die Belegschaften in der Situation sind, muss er sie von vornherein hinter sich bringen. Kösters Devise: Stets respektvoll mit Mitarbeitern umgehen. Die ersten Infos holt er sich von der Geschäftsführung, danach vom Betriebsrat. Dann tritt er vor die versammelte Belegschaft und redet Tacheles. Alles in den ersten 48 Stunden. In den ersten Minuten muss er die Weichen stellen, an den Teamgeist der Mitarbeiter appellieren und versuchen, „eine Jetzt-erst-recht-Stimmung zu erzeugen“, wie Köster das nennt. Oft genug stößt er in ein Vakuum: „Viele sind ausgehungert nach Informationen und dass man endlich mit ihnen offen und vernünftig redet.“

Köster hat inzwischen eine ganze Reihe von Sätzen, mit denen er die Seele der Belegschaft streichelt: „Was Sie hier geschaffen haben, wird durch den Insolvenzantrag nicht entwertet – es lohnt sich, dafür zu kämpfen“, oder: „Keiner muss hier den Kopf unterm Arm tragen.“ Nach seiner Erfahrung werden die Fehler, die zu einer Insolvenz führen, meist an der Spitze eines Unternehmens gemacht. Nicht unten. Jede Woche tritt er deshalb einmal vor die Belegschaft, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Vor allem will er dabei den Blick der Leute nach vorne richten. Auch bei Unimet in Oyten bei Bremen hat Köster damals den Mitarbeitern gesagt: „Die Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen, aber wir sollten versuchen, das Beste draus zu machen und alles zu tun, damit die Sanierung klappt.“

Jury und Methodik

Die Belegschaft dann aber auch an Bord zu halten ist vor allem besonders schwierig, wenn andere Unternehmen die Fachkräfte mit guten Angeboten locken. Manchmal hilft es schon, wenn sich Schlüsselmitarbeiter, die spezielle Kenntnisse haben, überzeugen lassen, erst drei Monate später zu kündigen. Oft ist dafür auch eine Prämie nötig, manchmal aber hilft nicht einmal die. „Bei Unternehmen, in denen das Betriebsklima schon vor der Krise schlecht war, gehen die Leute dann reihenweise“, beobachtet er. Ingenieure und IT-Profis sind auf dem Arbeitsmarkt besonders begehrt – und damit auch am ehesten weg, weiß auch Insolvenzverwalter Michael Pluta aus Ulm. „Da musste ich schon bitten und betteln, dass die wichtigsten da bleiben – ohne dass ich ihnen konkrete Hoffnung geben konnte“, erzählt er.

Auch Pluta hält bei Einsätzen alle 14 Tage Belegschaftsversammlungen ab, trägt die aktuelle Auftragslage vor. Besonders wichtig ist dann aber die halbe Stunde nach der Versammlung. Wenn die Leute in kleinen Gruppen herumstehen und ihn erst dann fragen, was sie sich vorher nicht getraut haben. Plutas Erfolgsrezept ist Aufrichtigkeit – und alles, was er einmal ankündigt, dann auch wirklich zu tun. Plus Nahbarkeit. Die spreche sich herum, sagt er. Pluta macht auch Betriebsrundgänge, damit die Menschen nicht im Blaumann in die Chefetage kommen müssten – was sich die wenigsten trauen. Die Nähe zur Belegschaft helfe auch ihm: Sonst vergesse man als Insolvenzverwalter, wie viel 30 Euro für einen Mitarbeiter sein können, sagt der Schwabe. Nämlich der Unterschied, ob sein Kind noch Taschengeld bekommt oder nicht.

Bei Unimet wurde im Februar dann endgültig klar: Die Pleite ist unausweichlich. Kein Investor war zu finden, der noch einsteigen will, wenn zehn Jahre Rückstand aufzuholen ist. Eine schwächelnde Konjunktur legt Versäumnisse schonungslos offen. Und so haben Pluta wie Köster nun wieder deutlich mehr zu tun.

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