Schon wochenlang streitet sich die Lufthansa mit Anwälten: Sind 75.000 Euro Entschädigung für die Angehörigen der deutschen Opfer des Germanwings-Absturzes in den französischen Alpen genug? So viel will die Muttergesellschaft Lufthansa den Hinterbliebenen der 71 deutschen Opfer – 150 sind es insgesamt – freiwillig zugestehen. Plus 10.000 Euro für jeden nächsten Angehörigen, plus möglichem individuell zu berechnendem Schadensersatz, wenn ein Opfer eine Familie zu versorgen hatte.
WiWo-Top-Kanzleien
Für die Auswahl der Top-Kanzleien zum Versicherungsrecht wurde zuerst in Datenbankrecherchen und Expertengesprächen sondiert, welche Kanzleien und Anwälte positiv genannt wurden und besonders auffielen. Diese 54 Kanzleien und 124 Anwälte wurden in der zweiten Runde von 16 Experten führender Wirtschaftskanzleien bewertet. Die bestbenoteten 36 Kanzleien und Anwälte wurden einer Jury vorgelegt, die nach den Kriterien Erfolg, Erfahrung, Spezialisierung und Team bewertete. Die 14 Kanzleien, die sowohl Experten als auch Jury überzeugten, stehen in der Tabelle auf Seite 2.
Die Opferanwälte wie Elmar Giemulla dagegen fordern für die hinterbliebenen Familien je 100.000 Euro, mindestens. Der Professor für Luftverkehrsrecht aus Berlin, der immerhin für 39 Familien arbeitet, droht der Lufthansa, dass er sie nun nicht mehr in Deutschland, sondern in den USA auf Schadensersatz verklagen wolle. Denn: In den Vereinigten Staaten sind die Schadensersatzsummen, die die Angehörigen der Opfer in solchen Fällen zugesprochen bekommen, weit höher. Sie erreichen bis zu neun Millionen Euro. Ausgeschlossen sind diese hohen Summen auch für Deutsche nicht. Vorausgesetzt, ihre Anwälte finden einen Ansatz dafür, dass der Absturz der Germanwings-Maschine einen Bezug zu den USA hat und sie es damit vor ein US-Gericht schaffen.
Zum Vergleich: Beim Absturz der Concorde vor 15 Jahren bekamen manche Hinterbliebene über eine Million Euro. Denn bei dem Absturz gab es laut Germanwings-Anwalt Rainer Büsken einen Bezug zu den USA, weil der Flug nach New York gehen sollte.
Ob deutsche Betroffene im Germanwings-Fall die Airline wirklich in den Vereinigten Staaten verklagen können, darüber orakeln derzeit die Juristen, und manche sind durchaus zuversichtlich: Es kann ausreichen, dass eine Airline die USA anfliegt und dort Vertriebsgesellschaften hat. US-Gerichte erklärten sich im Zweifel bisher für zuständig.
Sicher ist derzeit nur, dass die US-Opfer viel mehr Geld bekommen dürften als Deutsche. Die verstorbenen 51 Spanier und Angehörigen weiterer Nationen haben jeder auf andere Summen Anspruch. Doch damit nicht genug der Unterschiede: Inzwischen streitet Lufthansa auch um das Schmerzensgeld für die Angehörigen der verstorbenen Crew-Mitglieder. Dies sei Sache der Berufsgenossenschaft, und die komme nun mal generell nicht für Schmerzensgeld auf, heißt es dort. Für Germanwings kämpft der Kölner Anwalt Rainer Büsken, der Partner der Kanzlei BLD Bach Langheid Dallmayr, die auf Versicherungsrecht spezialisiert ist – und er ist einer der Top-Versicherungsrechtler im Ranking WiWo-Top-Kanzleien (siehe Tabelle Seite 2).
Die Jury
Carsten Beisheim ist Chef für Recht beim Finanzdienstleister Wüstenrot & Württembergische.
Stefan Forster leitet das Ressort Recht der Versicherungsgruppe Die Bayerische aus München.
Oliver Heeb ist Chefsyndikus und Leiter des Versicherungsbereichs der Heidelberger Druckmaschinen AG.
Ulrich Leitermann ist Vorstandsvorsitzender der Signal Iduna Gruppe mit Sitz in Dortmund.
Andreas Shell leitet bei Allianz Global Corporate & Specialty die Schadensregulierung einiger Versicherungssparten.
Achim Schunder ist Leiter der Zeitschriftenniederlassung des Verlags C.H.Beck mit Sitz in München.
Diese Spezies Anwälte, deren Alltagsgeschäft die großen Fälle mit riesigen Schadenssummen in dreifacher Millionenhöhe ist, ist eher rar gesät. Daher bekommen die vorhandenen Versicherungsrechtler auch die ganze internationale Bandbreite der Riesenfälle zu sehen. Zukunftsthema sind Cyber-Fälle wie der Hacker-Fall bei Sony oder der Kundendatenklau beim Pay-TV-Sender Sky, führt Anwalt Oliver Sieg von Noerr an. Bislang reichen die Fälle vom Untergang des Touristenschiffes Costa Concordia über den Brustimplantate-Skandal beim TÜV Rheinland bis zu Fonds-Pleiten mit vielen geprellten Anlegern. Auch Produkthaftungsfälle beim Export explodierender Spülmaschinen, Managerhaftungsfälle wie beim Skandalflughafen BER oder Falschberatungen von Unternehmen durch Kanzleien oder der Einsturz einer Textilfabrik mit über 1000 Toten beschäftigen die Anwälte bereits.