Reinhold Würth wird es „bis an sein Lebensende belasten“, dass er einen Strafbefehl über 3,5 Millionen Euro bekam – ausgerechnet wegen Steuerhinterziehung. Wo er doch „keinen Cent Schwarzgeld“ hatte, wie er öffentlich beteuerte. Doch das Finanzamt hatte Verrechnungen innerhalb seines Schraubenkonzerns nicht akzeptiert und ihm Steuerhinterziehung vorgeworfen. Global vertretene Unternehmen von Amazon bis Würth senken häufig ihre Steuern, indem sie Gewinne in Ländern mit niedrigen Steuersätzen realisieren und umgekehrt Verluste in denen mit hohen Steuersätzen anfallen lassen. Unternehmensberater verkauften dies einst als profitables Steuermodell. Doch oft genug erweist es sich als heikel.
Die Europäische Union will jetzt eine Mindeststeuer für Unternehmen einführen, um die Verschiebung von Gewinnen zu begrenzen. Finanzämter schauen immer kritischer auf solche Modelle, Betriebsprüfer wollen nicht selbst eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt riskieren. So berichtet Christian Rödl von Rödl & Partner über einen Maschinenbauer, der wegen nicht nachvollziehbarer interner Verrechnungspreise kräftig nachzahlen musste. Eine Konstruktion über ausländische Firmen mit unrealistischen Preisen, die das Finanzamt nicht akzeptierte, führte dazu, dass das Unternehmen doppelt Steuern zahlen musste, im Inland und im Ausland. Hinzu kamen Honorare für Steuerberater und Anwälte, Geldstrafe und Zinsen. Statt 30 Millionen Euro kostete das schlecht vorbereitete Abenteuer den Unternehmer schließlich 50 Millionen Euro.
Artet Steuerumgehung in Hinterziehung aus, drohen Top-Managern und Unternehmern hohe Strafen. Steuerexperte Jochen Lüdicke von der Kanzlei Freshfields sagt: „Früher hätte man mit dem Finanzamt gestritten und einen Musterprozess geführt, heute müssen die Verantwortlichen gleich an Selbstanzeigen denken.“
Steueranwälte wie er haben gut mit Fällen zu tun, in denen Unternehmen kreativ Steuern vermeiden wollen. Bei Restrukturierungen, bei Unternehmensübergaben an die nächste Generation und bei Firmenkäufen und -verkäufen. Wenn Betriebsprüfer im Nachhinein Forderungen in Millionenhöhe stellen, Mittelständler Firma und Vermögen vererben, ohne die Steuerkonsequenzen durchzuspielen.
Gut beschäftigt sind Steuerrechtler auch dank neuer Abgaben von Luftverkehrs- bis Kernbrennstoffsteuer, die ganze Branchen auf die Barrikaden bringen, sagt Lüdicke. „Wir haben wohl die komplizierteste und hektischste Steuergesetzgebung weltweit“, ergänzt Ursula Ley von Ebner Stolz.