WiWo-Topkanzleien Die renommiertesten Anwälte für Finanzrecht

Russland-Connection: Die russische Großbank VTB hält die Mehrheit am europäischen Ableger mit Sitz in Frankfurt. Quelle: imago / hannelore förster

Sanktionen, Börsenturbulenzen, Russlandanleihen: Der Krieg und seine Folgen stellen Banken und Investoren vor große Herausforderungen – auch in rechtlicher Hinsicht. Auf welche Berater sie bauen können, zeigt unser exklusives Anwaltsranking für Finanzrecht.

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Zahlreiche deutsche Kunden der russischen VTB Direktbank haben eine nervenaufreibende Zitterpartie hinter sich: Nach dem Angriff auf die Ukraine wollten sie ihr Geld sicherheitshalber auf Konten bei anderen Banken überweisen. Doch obwohl die Beträge regulär abgebucht wurden, kamen sie nicht an. Nicht nach Stunden, nicht nach Tagen. Die Ersparnisse schienen verschwunden zu sein.

Der Grund: Mehrere Geldhäuser nahmen Überweisungen von der VTB vorübergehend nicht an – wohl aus Angst, gegen Sanktionen zu verstoßen. Inzwischen ist das Geld zwar in den meisten Fällen angekommen, doch die Hängepartien zeigen eindrucksvoll: Die Kriegsfolgen haben die deutsche Finanzbranche mit voller Wucht erreicht und werfen heikle juristische Fragen auf. Expertise im Bank- und Finanz- sowie im Kapitalrecht ist deshalb besonders gefragt. Auf welche Berater Banken und Investoren setzen, zeigt die Auswahl der Top-Kanzleien, die das Handelsblatt Research Institute für die WirtschaftsWoche ermittelt hat.

Während Privatanleger Probleme mit Spareinlagen haben, erwarten professionelle Anleger bei Anleihen aus Russland, die sich unter Schwellenländerinvestoren lange großer Beliebtheit erfreuten, nun Zahlungsausfälle. Sie fragen sich, ob es rechtliche Hebel gibt, um das Geld doch noch zu bekommen.

Die renommiertesten Kanzleien und Anwälte für Bank- und Finanzrecht
Die renommiertesten Kanzleien und Anwälte für Kapitalmarktrecht

Christoph Gleske, Partner der Wirtschaftskanzlei Freshfields in Frankfurt, hält das für schwierig, aber nicht aussichtslos: „In vielen Fällen dürfte es möglich sein, vor westlichen Gerichten auf Rückzahlung zu klagen.“ Denn in den Anleihebedingungen haben sich russische Unternehmen häufig der Zuständigkeit englischer Gerichte unterworfen.

Von Pfändung bis Managerhaftung

Im Fall eines für sie positiven Urteils könnten Investoren dann versuchen, Auslandsvermögen der Emittenten pfänden zu lassen. Das gelte allerdings nicht für Anleihen der Russischen Föderation selbst, sagt Gleske. Denn diese hat nicht auf ihre staatliche Immunität verzichtet. Es sei deshalb zweifelhaft, ob Anleger vor ausländischen Gerichten klagen und anschließend versuchen könnten, ausländische Vermögenswerte vollstrecken zu lassen. Theoretisch infrage kämen dafür die eingefrorenen Fremdwährungsreserven.

Neben russischen nehmen Investoren auch hiesige Unternehmen ins Visier: Vorstände, die stark auf den Markt in Russland gesetzt haben und jetzt Einbußen vermelden, müssen sich in der gerade angelaufenen Hauptversammlungssaison auf Auseinandersetzungen einstellen. So gehen Experten davon aus, dass aktivistische Investoren das Thema aufgreifen, um Vorstände unter Druck zu setzen – etwa mit einem Antrag, sie nicht zu entlasten. Solche Anträge haben zwar nur selten Aussicht auf Erfolg, können aber der Reputation schaden.

Und was ist mit Managerhaftungsklagen? Es dürfte schwierig werden, Gerichte davon zu überzeugen, „dass Investitionen in Russland ein nicht verantwortbares Risiko waren“, meint Freshfields-Anwalt Gleske. Schließlich habe es „nahezu alle überrascht, dass sich die Situation derart zuspitzt“. Das betreffe Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen.

Juristisch heikel könne es für Entscheider dagegen werden, wenn sie jetzt nicht entschlossen reagieren, um ihre Unternehmen bestmöglich zu schützen. Wenn vermeidbare Reputationsschäden oder gar Boykotte wegen der Fortsetzung des Russlandgeschäfts zu „greifbaren Verlusten“ führen, meint Gleske, könnten Gerichte das den Vorständen anlasten. Der Wirtschaftsanwalt rät Entscheidern, angesichts des Ukrainekrieges „erneut zu bedenken, wie abhängig sie von Geschäften in autokratisch regierten Staaten sind und welche Risiken das birgt“.

Kreditkündigungen wegen des Krieges?

In einigen Fällen droht nicht nur von Investoren, sondern auch von Banken Ungemach: Nach Angaben von Finanzrechtlern prüfen einige Geldhäuser derzeit, ob der Krieg zur vorzeitigen Kündigung von Finanzierungen für Unternehmen mit hohem Russlandrisiko berechtigt. Ob das zulässig ist, hängt aber von mehreren Faktoren ab, insbesondere den konkreten Formulierungen im Finanzierungsvertrag.

Jury und Methodik

Rechtlich heikel wird es zudem, wenn sich Unternehmen Geld bei Banken geliehen haben, gegen die nun Sanktionen verhängt wurden. Das ist öfter der Fall, als man glaubt: Geldhäuser aus Russland oder deren Töchter sind häufig Teil von Konsortien mit westlichen Banken und haben gemeinsam Kredite an deutsche Unternehmen vergeben. „Solche Konsortialkreditverträge enthalten in der Regel Klauseln, denen zufolge der Kredit sofort zurückgezahlt werden muss, wenn die Kreditvergabe rechtswidrig wird“, sagt Winfried Carli, Partner der Wirtschaftskanzlei Shearman & Sterling.

Die Frage lautet nun: Ist ein vergebener Kredit bereits rechtswidrig, wenn eine sanktionierte Bank am Konsortium beteiligt ist? Bankrechtsexperte Carli gibt Entwarnung: In der Regel sei das nicht der Fall. Je nach Struktur und beteiligten Banken sei aber neben EU-Sanktionen oft auch britisches oder US-Sanktionsrecht zu beachten. Daraus könnten sich erhebliche Probleme ergeben.

Neben den Sanktionen bringen auch die indirekten Kriegsfolgen die Finanzbranche auf Trab, allen voran steigende Inflationsraten und Zinsen. So stellt sich aus rechtlicher Sicht immer öfter die Frage, ob eine Zinserhöhung bei laufenden Verträgen zulässig ist oder nicht. „Im Unternehmensbereich sind die meisten Kredite variabel verzinst“, sagt Carli.

In der Regel sei in den Verträgen klar geregelt, wann und wie stark Banken Zinsen anpassen dürften. „Vielfach orientieren sich die Sätze am Referenzzinssatz Euribor.“ Der Euribor ist ein Referenzzins für Termingelder in Euro, zu dem sich Banken gegenseitig Geld leihen. Allerdings gebe es gerade im Mittelstand und im privaten Bereich Zinsanpassungsklauseln, die weniger eindeutig formuliert seien. „Kreditnehmer sind im Fall einer Zinserhöhung gut beraten, Klauseln genau zu prüfen“, rät Carli.

Und wer die Branche kennt, weiß: Während Banken sich in Zeiten sinkender Zinsen gerne Zeit lassen, kann es ihnen im umgekehrten Fall oft nicht schnell genug gehen. Genaues Hinsehen ist insbesondere bei überschaubaren finanziellen Spielräumen wichtig, von denen derzeit immer mehr Unternehmen berichten: „Die steigenden Rohstoffpreise stellen viele Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen und sorgen für einen stark erhöhten Finanzierungsbedarf“, sagt Carli.

Das Problem: Sie müssen jetzt hohe Einkaufspreise bezahlen, erzielen aber erst später die zugehörigen Einnahmen – und können den Preisanstieg dabei bisweilen nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben. Carli: „Das sorgt für erhebliche Liquiditätsprobleme bis hin zur Existenzgefährdung“ – erneut ein ergiebiges Feld für hoch spezialisierte Anwälte.


Auf der nächsten beiden Seiten finden Sie die Listen mit den renommiertesten Kanzleien und Anwälten für Wirtschaftsstrafrecht und Compliance, die die WirtschaftsWoche gekürt hat:

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