Yellen-Vorstoß Eine Preisobergrenze für Öl ist reines Wunschdenken

Ölpreis Quelle: imago images

Für viele klingt es erst einmal nach einer guten Idee, den Ölpreis zu deckeln. Schließlich müssen Verbraucher weltweit unter ihm leiden, während Russland sich die Taschen füllt. Doch so einfach ist das nicht. Ein Kommentar.

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Dass etwas passieren muss auf dem Ölmarkt, liegt auf der Hand. Russland nimmt dank des gestiegenen Rohölpreises so viel ein wie nie, gleichzeitig fluchen Autofahrer auf der ganzen Welt, wenn sie an der Zapfsäule sehen, was sie die Tankfüllung kostet. Da kommt die Initiative von US-Finanzministerin Janet Yellen gerade recht. Sie will eine Preisobergrenze beim Öl. Die Welt soll sagen: „Wir zahlen nur noch 80 Dollar für den Barrel“, und die Produzenten, allen voran Russland, haben die Wahl: Entweder, sie akzeptieren diesen niedrigeren Preis, oder sie bleiben auf ihrem Öl sitzen.

Eine schöne Idee. Doch auch Yellen weiß: Sie wird ungefähr so gut funktionieren wie das Alkoholverbot in den USA der 20er Jahre. Eine Preisdeckelung wird bei begehrten Produkten regelmäßig unterlaufen, ein Schwarzmarkt entsteht, das Angebot geht zurück. Wohnungssuchende, speziell in Berlin, spüren das gerade. Dort ist das Angebot an Mietwohnungen wegen des Mietendeckels zeitweise um mehr als die Hälfte eingebrochen, auch nach der per Gericht erzwungenen Abschaffung dieser Preisobergrenze hat es sich nicht erholt.

Um eine Obergrenze durchzusetzen, muss die Drohung, dass Produzenten bei höheren Preisen auf ihrem Öl sitzen bleiben, glaubwürdig sein. Schon das Angebotskartell der Opec handelt selten geschlossen, ein Kartell der Ölnachfrager, von denen es viel mehr gibt als Anbieter, wird erst recht nicht funktionieren. Nie im Leben wird der Westen alle großen Ölverbraucher der Welt dazu bringen, sich einem Quasi-Boykott teuren Öls anzuschließen.

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Wenn nicht mal die Europäische Union es geschafft hat, alle ihre Mitglieder auf einen gemeinsamen Ölboykott einzuschwören, wie soll ein Käuferkartell mit China und Indien gelingen? Sie werden den Förderländern signalisieren, etwas mehr zu zahlen als den vom Westen festgelegten Preis - und werden ihr Öl bekommen. Schon jetzt lenkt Russland seine Ölexporte zunehmend um in Richtung Asien. Zusätzlich ist es wahrscheinlich, dass einige Ölproduzenten ihr Angebot erst mal verknappen, in der Hoffnung auf später wieder höhere Preise.

Yellens Vorstoß dürfte vor allem innenpolitisch motiviert sein, als Signal an die US-Autofahrer: „Seht her, wir versuchen alles, um die Tankfüllung wieder günstiger zu machen.“ Die Inflation der Lebenshaltungskosten ist in den USA das alles beherrschende Thema. Präsident Joe Biden und seine Demokraten wissen, dass ihr Umgang damit wahlentscheidend wird. Dass die Europäer die Preisobergrenze, die Wirtschaftsminister Robert Habeck schon vor einem Monat angekündigt hatte, auch gut finden, macht ihre Durchsetzung nicht wahrscheinlicher.

Wer Wladimir Putin schaden will, muss sein Öl boykottieren - und alles dafür tun, dass Russland es nicht so schnell zu neuen Kunden nach Asien schaffen kann. Beides ist Europa noch nicht gelungen: EU-Schiffsversicherer dürfen den Transport von russischem Öl zwar nicht mehr versichern. Brüssel verbietet es aber nicht, dass griechische Tanker das Öl nach China fahren. Diese Transporte zu stoppen, wäre erfolgversprechender als jede Art von Preiskontrolle.

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