TCI und Atticus Hedgefonds lassen Deutsche Börse in Ruhe

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Alternative Börsen im Vergleich

Finanziell dürfte sich eine weitgehende Abgabe des Aktienrisikos im Jahr 2008 gelohnt haben, auch wenn Absicherungsgeschäfte derzeit teuer sind. Denn im laufenden Jahr ist der Deutsche-Börse-Kurs um mehr als ein Drittel eingebrochen. Statt gut 50 Euro wie noch Ende Dezember kostete die Aktie jetzt zeitweise weniger als 30 Euro – was die beiden Hedgefonds nun kaum noch stören muss. Wenn die beiden Großaktionäre dagegen direkt Aktien verkauft und Stimmrechte abgegeben hätten, wäre durch die fällige Pflichtmitteilung ein Kursrutsch ausgelöst worden, der den Verkauf weiterer Anteile belastet hätte. Das bleibt Verkäufern bei einem Davonschleich-Deal erspart. Investmentbanker berichten, dass auch die Allianz derivative Finanzinstrumente nutzte, um im zweiten Halbjahr 2008 ihren Anteil am Dax-Konzern Linde kursschonend abzustoßen.

„Den Kursverlust der Deutschen Börse 2009 kann man mit den Geschäftszahlen nicht erklären“, sagt Henning Gebhardt, Leiter deutsche Aktien bei der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS und einer der einflussreichsten deutschen Fondsmanager. „Am Markt gibt es Spekulationen, dass die Hedgefonds über Finanzinstrumente aus der Deutsche-Börse-Aktie aussteigen.“ In einem solchen Fall wären die Aktien ökonomisch gesehen schon verkauft, so Gebhardt. „Für den Aktienkurs der Deutschen Börse wäre es positiv, wenn ein potenziell verkaufswilliger Großaktionär die Aktien nicht mehr hält“, sagt er.

Deutsche Börse in der Kostenklemme

Aggressive Forderungen der Hedgefonds dürften Francioni künftig also erspart bleiben. Zufrieden verweist er darauf, dass sein Aufsichtsrat einstimmig hinter ihm stehe. Leichter ist sein Job, trotz wiedergewonnener Freiheit, aber nicht geworden: Die Finanzkrise treibt den Börsen-Chef in die Kostenklemme. Anders als zum Beispiel bei einem Autohersteller sinken die Kosten kaum, wenn der Umsatz einbricht. Während ein Autokonzern weniger Stahl und Zulieferteile kaufen und Kurzarbeit einführen kann, sind der Börse diese Auswege versperrt: Sie muss ihre Handelssysteme am Laufen halten. „Wenn der Umsatz um 20 Prozent fällt, bricht der Gewinn vor Steuern und Zinsen um 40 Prozent ein“, schätzt Reginald Veit, Aktienanalyst der Bank Sal. Oppenheim.

Geschäft stark vom Handelsvolumen abhängig

Der Deutschen Börse drohen Einbußen in allen drei wichtigen Sparten:

Wegen der Finanzkrise fiel der Aktienhandel im Februar um 58 Prozent hinter den Vorjahresmonat zurück.Das noch viel lukrativere Geschäft mit Derivaten schwächelt. Im Januar und Februar ist das Derivate-Handelsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 27 Prozent gefallen.Bei der lange Zeit als besonders stabil geltenden dritten Sparte der Börse, dem Wertpapierverwahrer Clearstream, bedrohen die niedrigen Zinsen am Geldmarkt den Gewinn, der zuletzt zur Hälfte aus Zinseinnahmen bestand. Zusätzlich sinkt der Wert des verwahrten Vermögens. Was in guten Zeiten den Gewinn treibt, wendet sich nun gegen die Börse: „Das Geschäftsmodell der Deutschen Börse ist stark vom Handelsvolumen abhängig“, sagt Stefan Brugger, Fondsmanager bei Union Investment. „Da das Management das Handelsvolumen nicht beeinflussen kann, sind die angekündigten Kosteneinsparungen die einzig richtige Strategie.“

Auf den Druck der Investoren reagiert Konzernchef Francioni, wenn auch zunächst nur zaghaft. Ende Februar revidierte er die erst zwei Monate alte Kostenprognose. Von einer Milliarde Euro Fixkosten bezeichnet Finanzchef Thomas Eichelmann 200 Millionen nun als nicht mehr ganz so fix. 70 Millionen davon sollen jetzt weg. Er verhängte einen Einstellungsstopp, frei werdende Stellen werden nicht besetzt. „Wir haben jetzt das Maximum dessen gekürzt, was man ohne Restrukturierungskosten kürzen kann“, sagte Eichelmann, als Aktienanalysten mehrfach nach weiteren Kostensenkungen fragten, „dort gibt es keinen Spielraum mehr.“

Am Kapitalmarkt kamen Eichelmanns Worte jedoch ganz anders an. „Das Unternehmen hat angedeutet, dass es die Kosten fast sofort um weitere 130 Millionen Euro senken kann“, sagt Analyst Christian Muschik von der Investmentbank Equinet.

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