Vermögensberatung Accessio: Netz der Geldsauger

Einige Broker locken Kunden mit hohen Zinsen, drehen ihnen dann aber riskante Anlagen an. Besonders dreist agiert der Wertpapierhändler Accessio, vormals bekannt als Driver & Bengsch AG.

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Accessio: Werbung mit hohen Quelle: dpa

Anne Roth* hat einen Traum. Sie will Hubschrauber-Pilotin werden. Die Mittdreißigerin gab dafür im vergangenen Jahr ihre selbstständige Tätigkeit in Deutschland auf und startete eine Piloten-Ausbildung in den USA. Roth hatte alles genau geplant und mühsam auf ihren Traum hin gespart.

Doch ihr Geld verzinst sich nicht wie erhofft. Rund 52.000 Euro investierte Roth bei Accessio. Das Wertpapierhandelshaus aus Itzehoe in Schleswig-Holstein – vielen Investoren besser bekannt unter seinem ehemaligen Namen Driver & Bengsch AG, den auch heute noch die börsennotierte Muttergesellschaft trägt – verwaltete das Vermögen nicht gewinnbringend. Von 52.000 Euro blieben nur noch 22.000 Euro übrig. „Dabei hatte ich dem Berater gesagt, dass ich keine Anlage mit Verlustrisiko möchte“, sagt Roth. Statt bis April 2010 in den USA bleiben zu können und den Berufseinstieg zu meistern, muss sie ihre Ausbildung nun abbrechen und vorzeitig nach Deutschland zurückkehren. Roth fühlt sich betrogen.

Mit ihrem Unmut steht sie nicht allein da. Zahlreiche Kunden von Accessio berichten über ähnliche Verluste. Sie waren auf der Suche nach einer sicheren, attraktiv verzinsten Anlage und stießen auf hohe Tagesgeldsätze, die Accessio anbot. Doch statt ordentliche Zinsen bei einigermaßen überschaubarer Sicherheit zu kassieren, ließen sich die Anleger zu Investitionen in hochriskante Papiere, etwa Unternehmensanleihen, überreden.

Viele berichten, sie seien über die Risiken nicht angemessen aufgeklärt worden. Accessio, mit den Vorwürfen konfrontiert, sieht das anders. Einsicht in Protokolle der telefonischen Beratungsgespräche erhalten Anleger jedoch nicht. Die Erstellung solcher Abschriften sei lang und aufwendig, außerdem könnten Zwischentöne darin nicht abgebildet werden, teilt das Unternehmen mit. Nur das gemeinsame Anhören der Mitschnitte vor Ort in Itzehoe sei möglich.

Ein Bericht der WirtschaftsWoche im Frühjahr 2008 über den Ärger zahlreicher Kunden des Wertpa- pierhandelshauses Accessio über hohe Verluste und mögliche Falschberatungen ruft immer mehr Betroffene auf den Plan. Einige von ihnen haben sich auch an die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienst- leistungsaufsicht (BaFin) gewandt. Mittlerweile haben sich dort 60 Accessio-Kunden über eine mögliche Falschberatung und mangelnde Kundeninformationen beschwert. „Das ist schon eine hohe Zahl“, sagt die zuständige BaFin-Sprecherin, Anja Engelland. Die Aufsichtsbehörde befasse sich deshalb intensiv mit dem Wertpapierhandelshaus.

Viele Kunden zögern aber wohl noch, Schritte gegen Accessio oder dessen Gründer André Driver und Carsten Bengsch einzuleiten. Das Wertpapierhandelshaus zählte im September 2008 rund 30.000 Kunden, die ihm insgesamt 464 Millionen Euro anvertraut hatten. Etwa die Hälfte davon wurde in Wertpapiere investiert.

Worin ihr Geld exakt steckt, wissen aber viele Anleger nicht: Ein großer Teil des Kapitals zirkuliert durch ein undurchsichtiges Geflecht kleiner bis mittelgroßer Unternehmen, die häufig selbst an anderen Unternehmen des Netzes beteiligt sind. „In diesem System wird nach unserem Eindruck immer wieder das gleiche Unternehmensgeflecht in unterschiedlichen Produkten verkauft“, sagt der auf Anlagerecht spezialisierte Anwalt Volker Schwill von der Berliner Kanzlei Kälberer & Tittel, die 30 betroffene Kunden vertritt. Accessio macht aus dem Unternehmensnetz kein Geheimnis. Die Berater hätten „nie verschwiegen, dass es zum Teil Verbindungen zwischen den einzelnen Unternehmen gibt“, teilt das Wertpapierhandelshaus auf Anfrage mit.

Kurse vielfach eingebrochen

Insgesamt haben Unternehmen des Netzwerkes festverzinste Wertpapiere, in Form von Anleihen und sogenannten Genussscheinen, im Wert von mehr als 300 Millionen Euro herausgegeben. Der Marktwert der verschiedenen Aktien der Unternehmen liegt aktuell bei über 100 Millionen Euro. Es waren mal deutlich mehr: Die Kurse sind vielfach eingebrochen.

Die Aktie des zum Netz gehörenden Beteiligungsunternehmen aus der Kunststoffbranche Pongs & Zahn hat beispielsweise 90 Prozent verloren, ebenso das Papier des Dienstleisters Intelis. Das Problem für Anleger, die über Accessio in das kaum durchschaubare Firmengeflecht investiert haben: Wenn eines der Unternehmen in Probleme gerät, drohen auch andere Unternehmen des Netzes in Schieflage zu geraten. Eine Kettenreaktion könnte die Folge sein.

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