Vermögensverwalter Bert Flossbach im Interview „Sie haben sich verpokert“

Vermögensverwalter Bert Flossbach über die Gründe für den Crash, Kaufgelegenheiten an der Börse und weitere Gefahren für das Finanzsystem.

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Vermögensverwalter Bert Flossbach

WirtschaftsWoche: Herr Flossbach, wegen der US-Immobilienblase warnen Sie seit Langem vor einer Börsenkorrektur. Die Kurse haben sich zwischenzeitlich erholt, liegen aber immer noch weit unter dem Stand vom Jahresanfang. Freut Sie das?

Flossbach: Nein, ich bin von Haus aus lieber Optimist. Und Verluste tun immer weh, auch, wenn wir etwas weniger verlieren als andere, weil wir uns frühzeitig abgesichert hatten. Schon Anfang 2007 haben wir die Finanzwerte verkauft, Gold aufgestockt.

Ist die Korrektur mit dem Ausverkauf von vergangener Woche und der folgenden Erholung jetzt ausgestanden?

Der Crash zeigte Merkmale eines Ausverkaufs: Aktien verloren quer durch alle Branchen und Regionen, Große aus Dax und EuroStoxx zuletzt bei hohen Umsätzen stärker als die vielen Kleinen. Das spricht für Notverkäufe auch durch Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Die Fehlspekulationen eines Händlers bei der Société Générale haben dann die Talfahrt noch verschärft.

Mit solchen Ausverkäufen beginnt normalerweise eine Erholung an der Börse. Die Kurse zogen dann ja auch wieder an.

Das Ausmaß des Ausverkaufs war diesmal aber so brutal, dass dahinter mehr stecken muss als nur die üblichen Erklärungen – Angst der Anleger vor einer Rezession in den USA und weiteren Milliarden-Abschreibungen auf faule Kredite einzelner Banken. Zumal die Börse schon seit August schwächelt und vor dem Crash vom Montag nicht mehr überhitzt war.

Die von minderwertigen US-Hypotheken (Subprime) ausgelösten Schwierigkeiten sind nicht ausgestanden. Immer wieder überraschen Banken negativ, zuletzt Hypo Real Estate.

Richtig, aber das erklärt keine Verluste von fast zehn Prozent an einem Tag bei E.On oder RWE. Am Montag herrschte blanke Panik. Subprime allein wäre für die Weltwirtschaft beherrschbar, wenn es auf den Finanzsektor begrenzt bliebe: Einige Banken würden 2008 nichts verdienen und die Dividenden auf null kürzen; einige Fonds und Versicherungen würden ihren Kunden weniger Rendite einbringen. Ein, zwei Millionen Amerikaner würden privat insolvent und so den US-Konsum drücken.

Das klingt aber nicht gerade harmlos.

Das gäbe eine Bremsspur in der Weltkonjunktur, mehr nicht. Es muss also mehr hinter der enormen Nervosität der Aktienmärkte und der Notenbanken stecken. Ich befürchte einen massiven Vertrauensverlust der Märkte in das globale Finanzsystem insgesamt. Das scheint auch die US-Zentralbank zu sehen, sonst hätte sie nicht die Zinsen so massiv auf einen Schlag um 0,75 Prozentpunkte gesenkt. So etwas tut man nicht wegen einer sich abzeichnenden leichten Rezession.

Wo lauern weitere Gefahren?

Nicht einmal die vorgezogene Zinssenkung der Fed konnte die Märkte beruhigen. Erst als bekannt wurde, dass die US-Behörden und die Banken eine Rettungsaktion für die angeschlagenen Kreditversicherer planen, erholte sich die Börse etwas. Das zeigt, welche Dimension das Problem hat. Kredite und Anleihen im Wert von 2500 Milliarden Dollar sind bei Firmen wie Ambac oder MBIA versichert. In den letzten Jahren haben diese Firmen im großen Stil komplexe, gehebelte Finanzderivate versichert, die jetzt ausfallen. Das brachte ihnen mehr Geld, als langweilige Kommunalobligationen zu versichern. Sie haben sich verpokert. Die schwach kapitalisierten Versicherer mussten im vierten Quartal fast ihr gesamtes Eigenkapital abschreiben. Jetzt verschlechtert sich ihr Finanzrating, was zu Pleiten führen kann.

Wieso wäre das so schlimm?

Eine Kettenreaktion käme in Gang: Die Banken wären gezwungen, die zuvor gegen das Ausfallrisiko versicherten Kredite wieder zu den ursprünglichen Risiken auf ihre Bücher zu nehmen und mit Eigenkapital zu unterlegen. Ist die Eigenkapitaldecke zu sehr angespannt, schränken die Banken notgedrungen die Kreditvergabe ein. Sie müssen sich das so vorstellen: Millionen von Autos fahren plötzlich ohne Versicherungsschutz herum. Unfälle passieren aber immer, und ohne Versicherung schlagen die finanziellen Folgen voll auf den Einzelnen durch. Also würde der eine oder andere Bankvorstand nur noch die nötigsten Fahrten unternehmen, sprich, Kredite erteilen. Die Wirtschaft würde darunter enorm leiden.

In der Vergangenheit erkannten viele Anleger solche Erholungen oft zu spät; die Krisen waren oft die besten Kaufgelegenheiten.

Man kann einen ersten Schritt wagen und die tiefen Kurse für einzelne Käufe nutzen. Aber den Großteil seines Pulvers sollte man noch trocken halten. Denn sollte sich die Vertrauenskrise wieder verschärften, wird der finale Ausverkauf noch kommen, dann geht es noch ein Stockwerk tiefer.

Optimisten verweisen auf die günstige Bewertung der Aktien. Die Titel hätten selbst eine Rezession schon jetzt vorweggenommen.

Das stimmt für einzelne Aktien, aber sicher nicht für die billigsten Titel, die Finanzwerte. Die werden ihre Höchststände auf Jahre hinaus nicht mehr sehen, da lege ich mich gern fest. Alle Welt redet von den Abschreibungen, dabei wird die Einnahmeseite der Banken völlig übersehen.

Was erwarten Sie?

Die Einnahmen werden sich so schnell nicht mehr erholen, auch nicht, wenn wir glimpflich davonkommen, ohne ernste Rezession. Die Zeit der hohen, durch Kredite gehebelten Margen ist vorbei. Niemand wird mehr bereit sein, für eine noch so gute Bank den zwölf- oder dreizehnfachen Jahresgewinn zu bezahlen. Das gilt auch für Versicherungsaktien.

Was können Anleger jetzt kaufen?

Gold. Erstklassige Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit. Aber auch Aktien wie BASF, Daimler, viele Pharma- und Ölaktien.

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