Versorger Was Aktien von RWE und E.On noch wert sind

Die Hausse im Dax ist an E.On und RWE -vorbeigegangen. Wie ihre Aussichten sind, wie Anleger verdienen.

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Hinter Strommasten steigt Quelle: dpa

Ich glaub, ich geh kaputt...! Unter diesem Motto tourt Herbert Knebel durch die Lande. Am 15. Mai wird der Ruhrgebiets-Kabarettstar auch auf einer Heimatbühne stehen: abends um acht in der Essener Grugahalle. Genau dort hat Johannes Teyssen am vergangenen Donnerstag seinen Ich-glaub-ich-geh-kaputt-Auftritt schon hinter sich gebracht. Greenpeace demonstrierte, kritische Aktionäre warfen dem E.On-Chef eine falsche, weil atomlastige Geschäftsstrategie vor, auf Transparenten wurde gefordert, die „Stromkonzerne“ zu „entmachten“. Die Diskussion rund um Strom und Atom belastet auch Teyssen, der angesichts großer Unsicherheit über die künftige Energiepolitik des Bundes sich „schwertut“, Vorhersagen zu Umsätzen und Gewinnen des Düsseldorfer Versorgers zu treffen. „Alle unsere Aussagen müssen bis auf Weiteres auf der Annahme beruhen, dass nach dem Moratorium der Weiterbetrieb unserer sicheren Kernkraftwerke möglich ist“, sagte Teyssen auf der Hauptversammlung (HV) in der Gruga.

Während die einen demonstrierten, ignorierten die anderen an der Börse die HV. Der E.On-Kurs bewegte sich nicht. Das ist nichts Neues: Die starke Börsenerholung, die den Dax-Kursindex binnen gut zwei Jahren um fast 100 Prozent nach oben trieb, ging an E.On ebenso wie am Konkurrenten RWE nahezu vorbei. E.On-Papiere machten von ihrem Tief im März 2009 nicht einmal 30 Prozent gut; RWE liegen seither sogar leicht im Minus. Da trösten auch die hohen Dividenden nicht. E.On-Aktionäre bekamen am Freitag 1,50 Euro je Anteilsschein ausgeschüttet, RWE zahlte im April 3,50 Euro je Aktie. Gemessen am jeweiligen Kurs, 6,5 und 7,5 Prozent Dividendenrendite, aber zu wenig, um die laue Kursentwicklung auch nur annähernd auszugleichen.

Wie aber sind nun die weiteren Aussichten der Aktien, wie können Anleger mit Papieren auf E.On und RWE künftig verdienen?

Große Unwägbarkeiten

Die Börse mag keine Unsicherheit: Investitionen in RWE und E.On jedoch sind derzeit mit größeren Unwägbarkeiten behaftet als Anlagen in andere Dax-Industriekonzerne – weil sie von politischen Entscheidungen abhängen.

Wer künftige Kurschancen einschätzen will, muss unter anderem beurteilen, ob nach Abschaltung von Atomkraftwerken eine Stromlücke entstünde, die Konzerne also insgesamt weniger Strom verkaufen würden. Erste Details deuten darauf hin, dass ein drohender Energiekollaps verhindert werden könnte. In jedem Fall aber werden die Kosten der Konzerne steigen: „Wenn die nach Fukushima heruntergefahrenen sieben deutschen Reaktoren dauerhaft vom Netz bleiben, werden die Gewinne von E.On und RWE leiden“, sagt Lueder Schumacher, Versorgeranalyst bei UniCredit in London.

RWE

Ein schneller, kompletter Atomausstieg Deutschlands würde den Energiemix der großen Versorger erheblich durcheinanderbringen und damit auch die Renditerechnungen auf den Kopf stellen – so die Befürchtung vieler Analysten. RWE schätzt, dass durch das Abschalten der Atomkraftwerke – 13 sind in diesem Monat durch das Moratorium der Bundesregierung und durch Revisionen vom Netz gegangen – der Strompreis deutlich steigen wird, weil sich Energie verknappt.

Droht eine Stromlücke ?

Auch eine Stromlücke – durch Spannungsabfall der Netze bedingt – könnte das Geschäftsmodell der Energiekonzerne ad absurdum führen. Aufgrund des Energiewirtschaftsgesetzes wären die Konzerne gezwungen, weiter Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Netzbetreiber weisen EnBW und E.On bereits an, alte Kraftwerke wieder in Gang zu bringen, die eigentlich nicht mehr rentabel sind. Verweigern sich die Stromproduzenten diesem Begehren der Leitungsinhaber, käme es zum Spannungsabfall in den Netzen – und damit zum Blackout.

Das heißt: Die Versorger können keinen Strom mehr verkaufen oder werfen „ihre alten Möhren an, um dem Aufrechterhalten der Netze Genüge zu tun – ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit, zu der vor allem auch die CO2-Kosten gehören“, so ein hochrangiger Manager eines großen Versorgers.

Puffer

Bei RWE laufen die Braunkohlekraftwerke zurzeit unter Volllast. Sie sind für die Grundlast des Stromverbrauchs zuständig, die vor allem Chemie und Stahlindustrie Tag und Nacht benötigen. Bei den Braunkohlekraftwerken gibt es nach Aussagen von RWE keinen Spielraum, die Mindermengen, die durch die 13 ausgeschalteten Atommeiler entstehen, kurzfristig auszugleichen. Anders ist es bei den Steinkohle- und Gaskraftwerken von RWE. Kraftwerke in Bergkamen und Werne wurden hochgefahren und arbeiten an der Kapazitätsgrenze, um zu verhindern, dass es zum Spannungsabfall in den Netzen kommt.

Im Saarland steht noch ein RWE-Kohlekraftwerk still, das sofort in Betrieb genommen werden könnte. Fazit: „Bei RWE ist die drohende Stromlücke eher eine Herausforderung für Kraftwerkstechniker, die diese aber im Routinebetrieb erledigen können“, so ein RWE-Manager.

E.On kann im bayrischen Irsching bei Bedarf drei eingemottete Gaskraftwerke anwerfen, um die Spannung im Netz aufrechtzuerhalten, die möglicherweise durch das Abschalten von Isar I (bedingt durch das Moratorium) oder Grafen-rheinfeld (verursacht durch eine längere Revision) plötzlich absacken könnte. In ganz Deutschland befinden sich zurzeit sechs Kraftwerke in sogenannter Kaltreserve: Sie produzierten bisher keinen Strom, sondern werden für Stromlücken bereitgehalten.

Teure kalte Reserve

Alle stillstehenden fossilen Kraftwerke – inklusive derjenigen von EnBW – haben zusammen eine Leistung von rund 1900 Megawatt, so viel, wie die Kernkraftwerke Brunsbüttel und Grafenrheinfeld zusammen. Allerdings gibt es bei der Kaltreserve noch ein anderes Problem: Das Anfahren eingemotteter Kohlekraftwerke kostet zusätzlich Strom, der Prozess belastet damit die Netze zusätzlich und kostet Millionen.

Wie aber drücken die höheren Kosten aus dem Atomausstieg insgesamt die Gewinne? Analysten erwarten, dass der Nettogewinn bei RWE dieses Jahr um ein Fünftel sinkt und im Jahr 2014 sogar 27 Prozent unter dem Ergebnis 2010 liegen wird. Die Dividende wird im Durchschnitt der vier kommenden Zahlungen bei 2,60 Euro je Aktie erwartet – ein Viertel geringer als heute. Die Dividendenrendite läge damit bei knapp sechs Prozent, immerhin noch besser als der Zins, den RWE-Anleihen bringen.

Auch E.On-Aktionäre müssen sich bei der Dividende auf Schmalkost einstellen. „Es ist fraglich, ob sie mehr als die für 2011 und 2012 garantierte Dividende von 1,30 Euro je Aktie werden zahlen können“, sagt Schumacher von UniCredit. Das wären 13 Prozent weniger als jeweils für die vergangenen drei Jahre. Der Nettogewinn dürfte 2011 um knapp 40 Prozent nachgeben.

Immerhin soll er laut Analysten von dann 3,6 Milliarden bis 2014 wieder auf gut 4,3 Milliarden Euro zulegen – was immer noch deutlich weniger wäre als der Nettoertrag 2010, der bei knapp 5,9 Milliarden lag. Den Schätzungen nach wird die Nettogewinnmarge von zuletzt 6,4 auf 4,4 Prozent sinken. E.On wird also je Umsatz-Euro deutlich weniger verdienen. Gleiches gilt für RWE, wo ein Rückgang der Marge von 5,5 auf 4,1 Prozent prognostiziert wird. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse dürften, gemessen an den aktuellen Kursen, bei beiden Aktien in den kommenden Jahren bei 10 bis 13 liegen. Für Versorger gerade noch akzeptable Werte, allerdings keine Schnäppchenpreise.

Diese Aussichten dürften Investoren kaum in Scharen in die Aktien locken. Zumal beide Versorger den rund 0,8-fachen Unternehmenswert (Börsenwert plus Nettoschulden) kosten, was angesichts ihrer derzeitigen Geschäfte nicht günstig ist.

Dividendenfans ohne hohe Erwartungen an Kurssteigerungen können die Papiere halten, sollten aber einen engen Stoppkurs legen, um weitere Verluste zu begrenzen. Für Neuengagements eignen sich Zertifikate: E.On- und RWE-Aktien könnten langsam ihren Kursboden gefunden haben. Wenn bestimmte Marken nicht unterschritten werden sollten, bringen diese Papiere am Laufzeitende zum Jahreswechsel 2012/13 Renditen bis 21 Prozent. Dass ein direktes Aktienengagement diesen Ertrag schlägt, ist unwahrscheinlich. n

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