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Ablehnungsbescheide der Kassen Zwischen Sparsamkeit und Schikane

Es ist richtig, dass sich Krankenkassen darum kümmern, ob eine Krankschreibung angemessen ist oder das Hörgerät bezahlt werden soll. Doch bei psychischen Leiden oder bei Entscheidungen nur nach Aktenlage stehen die Versicherungen auch zu Recht in der Kritik.

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Viele Patienten sitzen in einem Wartezimmer einer Arztpraxis Quelle: dpa

Ja was denn nun? Die gesetzlichen Krankenversicherungen machen dank des staatlich festgesetzten wie üppigen Einheitsbeitrags Überschüsse wie nie. Ende 2012 lag die Reserve des gesetzlichen Systems wohl bei 28 Milliarden Euro, im laufenden Jahr wachsen die Überschüsse weiter. Zeitgleich streichen sie einzelnen Versicherten Leistungen wie das Krankengeld oder verweigern Eltern-Kind-Kuren, stellen sich beim Hörgerät quer.

Krankenversicherte in Deutschland bekommen in hunderttausendfach ein Nein der Kasse, wenn sie Krankengeld, Reha oder Hilfsmittel beantragen. Das geben die Zahlen des Medizinischen Diensts der Krankenkassen (MDK) für 2012 her. Bei 1,5 Millionen Krankschreibungen fragten die Kassen Gutachten des MDK an, in 16 Prozent der Fälle folgerten die Prüfer: Patient kann arbeiten. 700.000 Mal prüfte der Dienst im Versicherungsauftrag, ob die Rehabilitation fürs Knie oder auch nach inneren Operationen angemessen sei. Bei 40 Prozent sagten die Kontrolleure: Voraussetzungen nicht erfüllt. Für Hilfsmittel wie Hörgeräte wurden 500.000 Gutachten geschrieben, in 37 Prozent der Fälle hieß es: Nein.

Beliebt macht man sich so nicht. Doch wer jetzt nur aufschreit und „ungerecht“ ruft, blendet aus, dass ein Gesundheitssystem nur funktioniert, wenn Geld fürs Wesentliche da ist und nicht schon fürs eher Wünschenswerte ausgegeben wurde.

Entscheidungshilfe: Gesetzlich oder privat versichern?

Es ist keine stille Rationierung, die hier zwischen Sachbearbeitern einer Kasse und ihren Versicherten ausgefochten wird, weil kein Geld da ist. Hier zeigt sich eher, dass die oft noch miefigen Krankenkassen langsam übernehmen, was wir von kostenbewussten Unternehmen erwarten. Auch von jenen, die nicht Gewinn maximieren, sondern die Versorgung verbessern sollen. Sie überprüfen, wohin das Geld fließt und hinterfragen Entscheidungen von Ärzten, Hörgeräte-Akustikern und Reha-Einweisern. Denn die medizinischen Leistungen für den einen sind immer Ausgaben für andere Versicherte, Lohnnebenkosten für Arbeitgeber und Steuerzuschuss für die Allgemeinheit.

Hier treffen zwei Interessen aufeinander, die beide immer zu einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem gehört haben. Kranke müssen so versorgt werden, dass sie möglichst wieder gesund werden oder dass ihr Leiden gelindert wird. Irgendjemand muss das aber auch bezahlen und viel Leistung bringt nicht immer viel Gesundheit. Auch das ist eine Erfahrung im deutschen Gesundheitssystem, das viel mehr als in anderen Ländern auf Wahlfreiheit der Patienten setzt und beinharte medizinische Berufslobbys hat. Das macht Gesundheit in Deutschland immer wieder teurer als in Nachbarländern, die Menschen aber leider überhaupt nicht gesünder.

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