Aktienfonds Die Gratwanderung der Fondsmanager

Die Geld-Profis sollen nicht stur Dax-Aktien kaufen, sondern originelle Ideen umsetzen. Zugleich sollen ihre Investments nicht aus dem Ruder laufen. Wer das gut hinbekommt, welche Sicherungen es gibt, wann Anlegern Gefahr droht.

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Peter Conzatti und Alexander Raviol von Lupus Alpha Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Spaß am Job hat Peter Conzatti vor allem, wenn andere Investoren aus guten Aktien flüchten, die er dann günstig kaufen kann. Der Fondsmanager bei Lupus alpha in Frankfurt ist Spezialist für kleinere Unternehmen. Conzatti ist ein „Stockpicker“, ein Manager, der einzelne Unternehmen analysiert und dann versucht, die besten für seine Fonds herauszupicken. Die Kölner KHD Humboldt Wedag, ein Ausrüster für Zementwerke, ist ein solches Unternehmen: Weitgehend unbekannt, in keinem gängigen Aktienindex vertreten, aber so stark, dass sich kürzlich ein chinesischer Konkurrent mit 20 Prozent beteiligte, um die hochwertige Technologie im Heimatmarkt einzusetzen. „Anders als bei bekannten Aktien sind bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen nicht alle Marktinformationen in den Kursen enthalten. Analysten haben sie nicht auf dem Radarschirm. Diese Ineffizienzen kann ich nutzen“, sagt Conzatti.

Die Strategie zahlt sich aus: Conzatti bescherte seinen Anlegern in den vergangenen drei Jahren im Schnitt 10,5 Prozent Gewinn pro Jahr, der Dax schaffte im selben Zeitraum 1,1 Prozent jährlich.

Langjähriger Erfolg ist keine Freikarte

Grundsätzlich aber gilt: Auch über lange Jahre erfolgreiche Fondsmanager dürfen nicht kaufen, was sie wollen – auch wenn es ihnen noch so in den Fingern juckt. Jedem Manager setzen gesetzliche Regeln und interne Vorgaben Grenzen. Niemand soll Alleingänge starten und das Geld der Anleger durch halsbrecherische Wetten verpulvern. Kapitalanlagegesellschaften müssen dafür sorgen, dass ein Fonds nicht riskanter ist, als er im Prospekt und gegenüber dem Anleger dargestellt wird. Bei Lupus alpha kontrolliert das Alexander Raviol. Sein offizieller Titel ist der des Chief Risk Officers. Er achtet darauf, dass sich die Fondsmanager immer in den gemeinsam gesteckten Grenzen bewegen. Ohne sein Okay geht wenig.

Leitet Conzatti einen Aktienkauf an seine hauseigenen Händler weiter, dann hat Raviol über ein computergestütztes Risiko-Managementsystem bereits geprüft, dass nur Orders bei den Händlern ankommen, die den Anlagerichtlinien von Conzattis Fonds entsprechen. Würde der zum Beispiel für seinen Deutschland-Fonds auf einmal australische Goldminen-Aktien ordern, käme der Auftrag niemals an die Börse. Die roten Lampen gehen an, wenn Einzelwetten zu riskant werden, zum Beispiel, wenn zehn Prozent des Fondsvermögens auf einmal in einer einzigen Aktie stecken würden.

Software blockt ab

Damit Conzatti und seine Kollegen nicht ihre ganze Entscheidungskraft verlieren, definiert Raviol mit den Geldverwaltern Leitplanken, innerhalb derer sich die Fondsmanager frei bewegen. „Risiko- und Fondsmanager sind Sparringspartner, die gemeinsam mehr Rendite mit weniger Risiko erzielen wollen“, sagt Raviol.

Eine Kontrollinstanz, die vor riskanten Wetten schützen soll, sind auch die anderen Fondsmanager der jeweiligen Gesellschaft. „Einsame Entscheidungen gibt es bei uns nicht. Die vier Manager der Aktienfonds mit europäischen Wachstumswerten stimmen mehrheitlich über Käufe oder Verkäufe ab“, sagt etwa Robert Hofmann, Co-Fondsmanager des etwa eine Milliarde Euro schweren Allianz RCM Europe Equity Growth von Allianz Global Investors. Er und seine drei Mitstreiter dürfen maximal um 15 Prozentpunkte von der Branchengewichtung ihres Aktienindex abweichen. Im S&P Europe LargeMidCap Growth sind Industriewerte mit 13,6 Prozent gewichtet. Hofmann hält dagegen 27,5 Prozent des Fonds in Industrieaktien. Maximal 20 Prozent des Fonds dürfen in kleinere Unternehmen mit weniger als drei Milliarden Euro Börsenwert investiert werden. „Bisher sind wir nur einmal knapp an diese Grenze herangekommen, als nach der Lehman-Pleite viele Unternehmen stark an Wert verloren haben“, sagt Hofmann.

Gratwanderung: Der ein Quelle: REUTERS

Conzatti dagegen investiert überwiegend in Aktien aus der zweiten und dritten deutschen Börsenreihe, dem MDax und dem SDax. Darüber hinaus kauft er auch Titel, die in keinem Index vertreten sind.

Für ihre Gebühren erwarten Anleger eine Rendite, die über der liegt, die sie mit dem Kauf eines günstigen und börsengehandelten Indexfonds erzielen könnten. „Gut ausgebildete Fondsmanager bringen vor allem bei weniger gut analysierten, mittelgroßen und kleinen Aktien ihre PS auf die Straße“, sagt Professor Alexander Kempf, Direktor des Centre of -Financial Research an der Universität Köln.

Sicher: Fondsmanager, die sich von der Herde der Investoren absetzen und Einzelwetten eingehen, können auch schiefliegen. Bei einer falschen Markteinschätzung des Fondsmanagers hilft auch keine Risikosoftware. „Mehr Rendite gibt es nur mit mehr Risiko, diese Grundregel der Geldanlage setzt niemand außer Kraft“, sagt Philip Kalus, Partner bei der auf Fondsgesellschaften spezialisierten Beratungsgesellschaft Accelerando. Die Beimischung von Nebenwerten etwa kann den Kurs des Fonds stärker schwanken lassen – in beide Richtungen. „Ein Fondsmanager darf gar nicht erst versuchen, mit maximalem Risiko alles aus dem Markt rauszuholen. Das geht schief“, sagt Conzatti, der seit 20 Jahren im Geschäft ist und viele Fondsmanager hat scheitern sehen.

Oft fantasielos

Erfahrene Fondsmanager, die bei Kursverlusten Ruhe bewahren, Titel nicht überstürzt verkaufen und wirklich erst zukaufen, wenn die Kurse unten sind, gibt es nicht allzu viele. Wer das Geschäft nicht im Griff hat, fährt höhere Verluste ein als die Masse seiner Wettbewerber. „Nur nicht negativ auffallen“ – diese Einstellung ist der Grund dafür, warum sich die meisten Manager nicht weit aus dem Fenster lehnen dürfen und ihre Fonds entsprechend fantasielos stricken müssen.

Das Maß für die Abweichung eines Investmentfonds von seinem Index ist der sogenannte „Tracking Error“. Bei Indexfonds, die zum Beispiel einfach die Werte im Dax kaufen, liegt dieser Wert nahe null Prozent. Der Tracking Error von 608 europäischen Aktienfonds variiert in der Dreijahresbetrachtung zwischen 21 und 0,2 Prozent, Letztere bei einem börsengehandelten Indexfonds. Ein Viertel der Fonds hat einen Tracking Error von nicht mehr als vier Prozent. Im Grunde sind viele dieser Fonds verkappte Indexfonds, die aber deutlich mehr Gebühren kosten.

Was schiefgehen kann

Die in den Fondsgesellschaften weit verbreitete Angst vor Alleingängen der Fondsmanager ist nicht unbegründet. Immer wieder kommt es vor, dass Manager aus dem Ruder laufen und Kontrolleure nicht einschreiten.

Der Schweizer Olaf-Johannes Eick etwa, der sich über Jahre als umsichtiger Dachfondsmanager einen Namen gemacht hatte, fiel auf das vermeintliche Minenunternehmen Petrocapital Resources herein. Für mehrere von ihm beratene Fonds hatte er rund 20 Prozent des Miniwertes übernommen. Er zahlte etwa 81 Cent für den Titel, der inzwischen kaum gehandelt wird und zuletzt bei 14 Cent notierte.

Der Risikomanager der zuständigen Kapitalanlagegesellschaft Sal. Oppenheim hat Eicks Idee im Vorfeld unter die Lupe genommen und nichts daran auszusetzen gehabt. „Wir haben den Anlagevorschlag danach geprüft, ob er den gesetzlichen und prospektmäßigen Anlagegrenzen entspricht und als vielversprechende Beimischung zur Umsetzung des Anlagezieles beitragen kann“, sagt Marco Schmitz, Leiter Publikumsfonds bei Sal. Oppenheim. Eicks Anleger kamen mit einem blauen Auge davon: Der Manager kratzte zehn Millionen Euro aus eigenem Vermögen und über Kredite zusammen und ersetzte dem Fonds den Schaden.

Zwischen Superchance und Harakiri bewegte sich auch Heidrun Heutzenröder als Managerin des im Oktober aufgelösten Deutschlandfonds MK Alfakapital. Sechs Prozent des ansonsten unspektakulär mit deutschen Standardwerten bestückten Fonds investierte sie zeitweise in den Nebenwert Magforce Nanotechnologies, dessen Börsenwert binnen drei Jahren von 220 auf 100 Millionen Euro fiel. Offenbar zweifeln viele Anleger an der Tumorbehandlung mit Nanopartikeln.

Viele neue Fonds, die jetzt auf den Markt kommen, geben sich mit dem Aktien- oder Anleiheuniversum gar nicht mehr zufrieden, sondern investieren auch in Derivate. Die Finanzinstrumente machen es möglich, mit niedrigem Kapitaleinsatz hohe Gewinne bei Wetten auf steigende oder fallende Kurse einzufahren. Manager setzen über sie einen Hebel an ihr Kapital und vervielfachen so ihre Gewinnchancen – und auch das Risiko. Die Risikomanager müssen dann mitunter Deals prüfen, die noch deutlich riskanter sind als einzelne Aktienkäufe. Nach der europäischen Richtlinie namens „Ucits III“ aufgelegte Fonds dürfen Derivate nicht mehr nur zur Absicherung von Vermögensanlagen nutzen, sondern auch zur Spekulation.

Gefährliche Derivate

Bei der Kölner Fondsgesellschaft AmpegaGerling geriet 2008 eine Derivate-Strategie außer Kontrolle. Der deutsche Aktienfonds verlor in einem Monat über 60 Prozent an Wert. Das Risikomanagement von AmpegaGerling zog die Reißleine und realisierte Verluste. Weil bei einigen Fonds die Derivate-Verordnung und interne Sicherheitsrichtlinien missachtet wurden, zahlte Gerling 17 Millionen Euro zum Ausgleich, Fondsmanager Thomas Pethofer verlor seinen Job und versucht sich jetzt im Rohstoff-Geschäft.

Wenn Fonds mit überdurchschnittlichen Gewinnen durch Einsatz von Derivaten werben, sollten bei Anlegern die Warnlampen angehen. Fondsmanager Armin Grabowski, bislang aufgefallen durch reißerische Promotion für die Aktie eines kleinen Düngerproduzenten, verspricht für seinen Flexile Fund-Multi Asset „sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten“ Gewinne. Zwölf Prozent Rendite will er schaffen – enorm viel, zumal Grabowski noch keine Expertise als Fondsberater nachgewiesen hat.

Die Macher des Quant.Managed-Futures-Fonds waren sogar mit einem angepeilten Renditeziel von mehr als 20 Prozent auf Kundenfang gegangen. In einer Vergangenheitssimulation haben die zuständigen Berater der Düsseldorfer Quant.Capital Management noch mit 247 Prozent Jahresplus geprahlt. In der harten Realität ist diese Glückssträhne offenbar gerissen: Seit Marktstart verlor der Fonds rund 25 Prozent. Auch hier sollten Finanzinstrumente mit „Hebeleffekt das Ertragspotenzial“ steigern. Ein angekündigtes „diszipliniertes Risikomanagement“ konnte gegen Fehleinschätzungen der Fondslenker wohl nichts ausrichten.

Jeder Fondsmanager kann mal daneben liegen, das sollten Anleger akzeptieren. „Fondsmanagement ist keine exakte Wissenschaft. Es können nicht alle Ideen des Fondsmanagers ein Treffer sein“, sagt Christopher Wolter, der als Analyst bei Feri Euro Rating Services Fondsmanager beurteilt. Es komme nur darauf an, dass die Bilanz des Fondsmanagers positiv bleibe, an einer Stelle auftretende Verluste also durch anderswo erwirtschaftete Gewinne ausgeglichen werden. Bei neu aufgelegten Fonds, die verstärkt Derivate nutzen und womöglich mit ungeübten Fondsmanagern an den Start gehen, können aber schon wenige Anfangsfehler massive Schäden anrichten.

In jedem Fall, sagt Wolter, solle ein Fondsmanager anhand einer klaren, für den Anleger nachvollziehbaren Strategie investieren. Also nicht mit der Schrotflinte schießen, um ein paar Top-Werte zu erwischen. Vermögensverwalter wie Jens Ehrhardt oder die Kölner Flossbach von Storch haben sich in den vergangenen drei Jahren durch kluge Strategien hervorgetan. Sie sind in Crashphasen kurzfristig aus dem Aktienmarkt ausgestiegen und haben dadurch Verluste vermieden. Wer das tut, löst sich automatisch von einem Leitindex, der immer zu 100 Prozent aus Aktien besteht. „Damit haben sie genau das umgesetzt, was viele Anleger von Fondsmanagern erwarten“, so Wolter. Es ist kein Zufall, dass Vermögensverwalter, die auf eigene Rechnung arbeiten und keine Rücksicht auf ein Heer von Vorgesetzten oder Marketinginteressen einer Bank nehmen müssen, sich zuerst diese Freiheiten genommen haben.

Die Freiheit nehm ich mir

Gut hinbekommen hat den Balanceakt zwischen Freiheit bei der Anlage und Risikobegrenzung der Ingolstädter Werner Dlugosch. Sein Aktienfonds InCapital Taurus kann weltweit in Aktien investieren. Über gesetzliche Regeln hinaus setzt sich Dlugosch selbst noch Grenzen und investiert nur in rege gehandelte Aktien. „Ich will jederzeit verkaufen können und nicht auf illiquiden Werten sitzenbleiben“, sagt er. Wenn bestimmte Kursmarken unterschritten werden, fliegen Aktien automatisch raus. Eine der größten Fondspositionen ist die schwedische Holding Investor AB, über die der Industriellen-Clan Wallenberg Beteiligungen managt. Auch die US-Eisenbahnen Union Pacific und Norfolk Southern hält Dlugosch. Alle drei sind keine bekannten Indextitel.

Bei Dlugosch greift auch noch ein besonders wirksames Instrument, das Fondsmanager dazu antreibt, originelle Ideen zu entwickeln und gleichzeitig Risiken zu begrenzen: In dem Fonds steckt sein privates Geld. „Ein Manager, der große Teile seines Vermögens in den Fonds investiert, wird nie übermäßige Risiken eingehen, weil er bei Verlusten persönlich mitleidet“, sagt Kalus von Accelerando.

Anleger und Fondsmanager haben dann dasselbe Interesse, eine fast ideale Konstellation – jedenfalls so lange , wie das Geld des Managers im Fonds bleibt.

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