
Früher waren die Versprechen der Versicherer groß: Vier Prozent Verzinsung versprachen die Konzerne noch in den 1990er Jahren den Kunden – garantiert, Jahr für Jahr, bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Wer heute einen Vertrag abschließt, erhält hingegen nur noch einen Garantiezins von 1,75 Prozent. Und selbst der wird für die Versicherer angesichts der mickrigen Zinsen an den Kapitalmärkten immer schwieriger zu erwirtschaften.
Die Lebensversicherer sind daher auf der Suche nach Alternativen zum klassischen Garantiezins. „Der Weg hin zu verschiedenen Garantien findet schon statt“, sagt Markus Faulhaber, der designierte Vorstandschef der Allianz Leben. „Die Versicherer müssen sich dem ökonomischen Umfeld stellen.“ Schon seit längerem würde in den Produktabteilungen über neuartige Konzepte nachgedacht.
Worüber die Versicherer nachdenken
Viele Versicherer bieten bereits Produkte ohne den klassischen Garantiezins an. Welche Modelle gibt es?
Für Kunden, die auf Nummer sich gehen wollen, gibt es die klassische Rentenversicherung mit dem altbekannten Garantiezins. Dieser liegt bei neu abgeschlossenen Verträgen derzeit branchenweit bei 1,75 Prozent. Hinzu kommt noch eine sogenannte Überschussbeteiligung – wie hoch diese ausfällt, hängt vom Anlageergebnis des Versicherers ab.
Das Gegenstück für mutigere Kunden ist die fondsgebundene Rentenversicherung. „Wer die Chancen der Kapitalmärkte nutzen möchte, wählt eine Fondsvariante“, sagt eine Sprecherin des Versicherers R+V. Hier gibt es oft keine Garantien. Der Anleger partizipiert voll an der Entwicklung an den Kapitalmärkten – wenn es bergauf geht, kann die Rendite besser sein als bei einem klassischen Produkt, wenn es bergab geht, kann der Anleger allerdings auch Verluste erleiden.
Inzwischen gibt es auch Zwischenlösungen. Bei den Rentenversicherungen „Allianz Index Select“ und „R+V Privatrente Index-Invest“ partizipiert etwa der Kunde an der Entwicklung des Aktienindex EuroStoxx 50. Der Vorteil gegenüber einem direkten Aktienengagement: In Jahren, in denen die Kurse fallen, erleidet der Kunde keine Verluste. Die Allianz und die R+V garantieren, dass die Rendite nie unter null Prozent fällt. Jede Sicherheit hat allerdings ihren Preis. Im Gegenzug erhält der Kunde in Jahren mit steigenden Kursen nur bis zu einer bestimmten Grenze die erzielten Gewinne. Derzeit liegt dieser monatliche „Cap“ bei vier Prozent, sodass der Kunde insgesamt maximal eine jährliche Wertentwicklung von 48 Prozent erzielen könnte.
Wer sich bei der staatlich geförderten Riester-Rente für eine fondsgebundene Police entscheidet, erhält die Garantie, dass zumindest seine Beiträge zum Laufzeitende noch erhalten sind. Eine solche Mindestgarantie verlangt der Gesetzgeber. Inzwischen bieten die Versicherer oft auch für Fondspolicen ohne Riester-Förderung eine solche Garantie an. Bei der Provinzial Münster heißt es, nach den Finanzmarktkrisen der letzten Jahre stehe zumindest eins schon mal fest: „Die Kunden wünschen sich Garantien in ihren Altersvorsorgeprodukten - mindestens den Erhalt der eingezahlten Beiträge.“
Auf besonders große Resonanz stoßen die neuen, abgespeckten Modelle allerdings derzeit nicht. „In der aktuellen Kapitalmarktphase fragen Kunden verstärkt höhere Garantien nach, in anderen Phasen denken sie chancenorientierter“, sagt Allianz-Vorstand Markus Faulhaber. Entsprechend habe der Anteil der klassischen Produkte zuletzt wieder zugenommen. Sie machen bei der Allianz rund 70 bis 80 Prozent des Neugeschäfts aus. Die meisten anderen verkauften Produkte haben zumindest noch eine der neuartigen Garantien.
Was ist das Problem? Die Europäische Zentralbank hat die Märkte mit Geld geflutet, um Banken und Staaten vor dem Untergang zu bewahren. Doch die Politik des lockeren Geldes hat Folgen: Die Versicherungskonzerne finden an den Kapitalmärkten kaum noch ausreichend rentable Anlagemöglichkeiten für ihre Kundengelder, die Zinsen etwa für sichere Staats- oder Unternehmensanleihen sind im Keller.
Die Fiktion von den guten Zinsen
Es werden mit Blick auf Lebensversicherer verschiedene Zinsbegriffe verwendet. Wenn Verbraucherschützer von "Gesamtverzinsung" sprechen, meinen sie zum Beispiel die Kombination aus Garantieverzinsung und den so genannten Überschüssen aus dem Versicherungsgeschäft, an denen Versicherungsnehmer beteiligt sind. Die Versicherer reden hier auch von „Überschussbeteiligung“, dafür weisen sie jährlich einen Zinssatz aus. Als Gesamtverzinsung wird in der Branche auch die bei Vertragsablauf gezahlte Verzinsung bezeichnet. Darin enthalten sind neben Garantiezins und dem Überschuss zusätzlich eine Beteiligung an den Bewertungsreserven und ein Schlussüberschuss.
Das Problem der Versicherer-Kennzahlen: Sowohl der Garantiezins als auch die Überschussbeteiligung oder Gesamtverzinsung werden nicht auf die gesamte Prämie berechnet, sondern nur auf den Sparanteil in der Prämie. Die Hamburger bezeichnen die Zinsgutschriften der Branche daher auch als „Das Märchen von der Gesamtverzinsung“.
Die Verbraucherschützer aus Hamburg haben für einen sehr lange laufenden Vertrag mit einer Überschussbeteiligung von vier Prozent die Rendite und die Ablaufdaten gerechnet. Solche Verträge werden gerne von der Branche als Altersvorsorge verkauft.
Legt man 100 Euro im Monat an mit 4 Prozent Verzinsung, ergibt das nach 30 Jahren einen Betrag von 68.760 Euro.
Der Kunde zahlt zwar eine Prämie von 100 Euro. Doch tatsächlich wird weniger angelegt, weil die Versicherung Kosten für Abschluss, Verwaltung und Risiko zu Grunde legt, zum Beispiel 80 Euro.
Aus 80 Euro werden in 30 Jahren bei einer Verzinsung von jährlich 4 Prozent 55.008 Euro. Das ist also wegen des Zinseszinseffektes fast 14.000 Euro weniger als wenn die vollen 100 Euro Prämie verzinst würden.
„Die vermeintlich ordentliche Gesamtverzinsung von 4 Prozent sind in Wahrheit nur 2,68 Prozent pro Jahr“, stellen die Verbraucherschützer aus Hamburg aufgrund ihrer Rechnung über 30 Jahre fest.
"Wer sein Geld in den vergangenen 30 Jahren beispielsweise in Bundeswertpapieren angelegt hätte, stünde heute deutlich besser da als ein Verbraucher mit einer Lebensversicherung“, stellen die Verbraucherschützer fest. Nach einer Stichprobe von regulär abgelaufenen Verträgen ergäben sich Renditen von durchschnittlich etwas über drei Prozent pro Jahr - gegenüber Bundeswertpapieren mit durchschnittlich etwas über 6 Prozent in den letzten 30 Jahren.
Hinzu kommt: Der Zeitrahmen, für den die Versicherer Garantien abgeben, wird durch die veränderte Nachfrage der Kunden immer länger. „Der Trend in der Altersvorsorge geht hin zur Rentenversicherung, das heißt zu einem Produkt mit langer Anspar- und langer Auszahlungsphase“, sagt eine Sprecherin der SV Sparkassenversicherung. Doch gerade für lange Garantien müssen die Versicherer nach den neuen Aufsichtsregeln Solvency II besonders viel Kapital vorhalten. Die Diskussion um die Zukunft des Garantiezinses ist inzwischen voll entbrannt. Viele Versicherer bieten bereits neuartige Konzepte an. Inzwischen werden aber noch ganz andere Modelle angeregt.