Altersvorsorge Lebensversicherer spüren die Krise

Die großen Lebensversicherer sind bislang recht gut durch die Finanzkrise gekommen. Aber die Hoffnung, das dies so bleibt, könnte sich als trügerisch erweisen.

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Die Zentrale des Quelle: dpa/dpaweb

In den vergangenen Jahren hatte die Debeka mit ihrer Lebensversicherungssparte immer an der Spitze der Branche gelegen, wenn es um die Verzinsung der angesparten Vermögen ihrer Versicherten ging. Aber trotz einer seit Jahren ungewöhnlich niedrigen Aktienquote von weniger als einem Prozent im Portfolio erreichte die Debeka Nettoverzinsung ihrer Kapitalanlagen von zuletzt nur noch 4,2 Prozent nach 5,4 Prozent im Vorjahr hinnehmen. Auch die laufende Überschussbeteiligung sank damit von 5,1 auf 4,8 Prozent. Das liegt immer noch über dem Durchschnitt der Branche. Aber erst zusammen mit Schlussüberschuss und Bonuszahlung konnte Debeka die gesamte Überschussbeteiligung für das Jahr 2009 auf dem Vorjahreswert von 5,6 Prozent halten.

Dass die nach eigenen Angabe sechstgrößte Versicherungsgruppe Deutschlands dennoch Einnahmen, Kundenzahl und Bilanzsumme steigern konnte, verdankte sie vor allem dem Geschäft mit privaten Krankenversicherungen. Auch der Verkauf von Bausparverträgen wächst sprunghaft: Eine Zunahme der Verträge um 21 Prozent und ein Anstieg der Bausparsumme um 14 Prozent zeigen, dass andere Sparformen den Lebensversicherungen derzeit den Rang ablaufen. Bei den Lebensversicherungen muss die Gesellschaft wie die meisten Wettbewerber deshalb erst einmal kleinere Brötchen backen.

Finanzkrise kommt spät an

Die Lebensversicherer, die das Ersparte von etwa 70 Millionen Deutschen an den Kapitalmärkten anlegen, stehen mittelfristig vor einem Dilemma: Da die verwalteten Vermögen der Versicherer die Wertverlusten dieser Wirtschaftskrise nicht vermeiden können, – ganz gleich, in welche Anlageklasse sie investieren – wird es für die Versicherer immer schwerer, die von ihren Kunden gewohnte oder sogar garantierte Rendite zu erreichen. Die vergleichsweise sichere und hierzulande beliebteste Form des Sparens büßt weiter Attraktivität ein. Das schadet dem Neugeschäft. Alleine bei den fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen ist das Neugeschäft seit Jahresbeginn um bis zu 50 Prozent eingebrochen, ergab eine Untersuchung von Booz & Company.

Da so gut wie keine Anlageform von der Finanz- und Wirtschaftskrise verschont bleibt, werden immer mehr Sparer nervös. Während Wertpapierdepots und Investmentfonds bereits dramatisch geschmolzen sind, vollzieht sich der Wertverlust in der beliebtesten Form der Altersvorsorge in Deutschland, der Kapitallebensversicherung, eher langsam und im Stillen.

Branchen-Riese Axa mit Gewinneinbruch

Das spüren selbst die ganz Großen der Branche. Der deutsche Ableger des französischen Versicherungskonzerns Axa hat 2008 einen Gewinneinbruch verbucht und 2008 fast kein Geld mehr verdient. Das Nettoergebnis brach auf elf Millionen Euro ein, nach 563 Millionen Euro im Jahr zuvor. Zur Erklärung verwies Axa-Chef Frank Keuper heute bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2008 in Köln auf das „größte Krisenjahr seit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren“.

Gerade das Kapitalanlageergebnis macht dem Konzern zu schaffen: Für das vergangene Jahr hat der Konzern Abschreibungen und realisierte Verluste in Höhe von 659 Millionen Euro sowie Marktwertanpassungen von rund einer Milliarde Euro verbucht. Das Kapitalanlageergebnis sank somit von 2,7 Milliarden auf knapp eine Milliarde Euro.

Die Abschreibungen erfolgten dabei nach den gesetzlichen Vorschriften, das heißt nur zu Marktpreisen ohne die Erwartung der weiteren Entwicklung. Zur Abschreibung kam es außerdem nur, wenn der Marktwert sechs Monate lang unter dem Buchwert lag oder am Bilanzstichtag weniger als 80 Prozent des Buchwertes betrug. Damit sind die gesetzlichen Vorschriften zwar erfüllt, aber böse Überraschungen bei anhaltend schwachen Kapitalmärkten weiterhin möglich.

Bei der Axa Lebensversicherung, der Lebensversicherungssparte des Konzerns, gingen die Beitragseinnahmen ebenso zurück wie die Zahl der Verträge im Bestand. Zwar blieben die Stornoquoten stabil, das Neugeschäft ging allerdings um 3,8 Prozent zurück, vor allem bei Kapitalversicherungen und fondsgebundenen Produkten. Unter dem Strich hatte die Axa Lebensversicherung 1,87 Milliarden Euro weniger Beitragseinnahmen, der Versicherungsbestand gemessen am Jahresbeitrag verzeichnete ein Minus von 4,9 Prozent und sank damit auf 1,68 Milliarden Euro. Dies und das schlechtere Kapitalanlageergebnis ließ bei auch bei Axa die Nettoverzinsung sinken: von 4,8 auf nur noch 3,8 Prozent.

Branche mit hohen Wertberichtigungen

Lebensversicherer haben sich Quelle: dpa/dpaweb

Auch Branchenprimus Allianz, Europas größter Versicherungskonzern, musste Federn lassen. Zu Jahresbeginn musste die Allianz auf Aktien 708 Millionen Euro abschreiben, etwa doppelt soviel wie im Vorjahreszeitraum. Die Allianz ist mit Kapitalanlagen von 1,1 Billionen Euro einer der größten Kapitalanleger weltweit.

Der zweitgrößte Lebensversicherer Deutschlands, die R+V-Versicherung, meldete Anfang Mai sogar Abschreibungen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro. Die R+V war stärker in Aktien engagiert als andere Versicherer. Sie senkte ihren Aktienanteil im Portfolio erst 2008 von 16 auf acht Prozent zum Jahresende. Auch bei den Ergo-Töchtern Hamburg-Mannheimer und Victoria sanken die Vermögenswerte um mehr als 500 Millionen Euro. Bei der Nürnberger Versicherung schmolzen die Kapitalanlagen sogar um zwei Milliarden auf nun 16,8 Milliarden Euro.

Die Zahlen zeigen: Eine niedrige Aktienquote allein schützt nicht vor sinkenden Erträgen aus Kapitalanlagen. Am schlimmsten sind für die Versicherer sind niedrige Zinsen für festverzinsliche Anlagen gepaart mit steigender Inflation. Dann nämlich ist den Versicherten ein Garantiezins von derzeit 2,25 Prozent viel zu wenig und es wird für die Versicherer zunehmend schwer eine Rendite oberhalb diese Zinses zu erreichen ohne zu hohe Risiken einzugehen.

Erträge aus den Reserven schöpfen

Noch liegt die Nettoverzinsung der eingezahlten Beiträge im Durchschnitt knapp über vier Prozent. Auch die Überschussbeteiligung ist nicht akut gefährdet, denn noch können die Versicherer in ihre Reservetöpfe greifen, um die schmalen Erträge aufzustocken. Aber die Reservetöpfe halten nicht ewig.

Die Gefahr, dass dieses Szenario eintrifft, steigt mit jedem Monat, den die Finanzkrise andauert. Sparer, die zusehen können, wie ihre – womöglich schon in wenigen Jahren fällige – fondsbasierte Police an Wert verliert oder aus finanzieller Not Reserven suchen, werden über die Kündigung ihrer Police nachdenken. Ist erstmal der Inflationsausgleich gefährdet, werden die Versicherten versuchen, zu retten, was noch zu retten ist. Je mehr Versicherte ihre Policen kündigen und je länger die Krise andauert, um so tiefer geraten die Versicherer selbst in finanzielle Not.

Kommt die Schieflage der Lebenversicherungen?

Nicht jede der rund 100 Lebensversicherungsgesellschaften in Deutschland ist ohne weiteres in der Lage, eine Kündigungswelle einfach wegzustecken. Friedrich Schubring-Giese, Chef der Versicherungskammer Bayern, und Robert Baresel, Vorstandsvorsitzender der LVM, haben sich deshalb vorsorglich schon dafür ausgesprochen, mögliche Unternehmenszusammenbrüche auf jeden Fall zu verhindern. Sie befürchten eine Pleite wie die der Mannheimer Lebensversicherung im Jahr 2003.

Peter Hoenen, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und zugleich Chef der HUK Coburg, ist da gelassener: Er lehnt die Rettung von Versicherungen um jeden Preis ab, sagte er in dieser Woche der „Financial Times Deutschland“. Versicherungen in Schieflage, die nicht aufgefangen oder verkauft werden könnten, müssten auch untergehen können. Die Kunden würden dabei kein Geld verlieren, schließlich gebe es dafür die Auffanggesellschaft Protektor.

Protektor ist die Beruhigungspille für den einzelnen Versicherten: Die Auffanggesellschaft speist sich aus Geldeinlagen aller Lebensversicherer im GDV, sechs Milliarden Euro stehen bereit. Die Kosten einer Pleite würden so in der Branche gleichmäßig verteilt. Weg wären sie jedoch nicht.

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