Die evangelische Kirche hat Nachwuchssorgen. Ab 2020, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen, droht Pfarrermangel. Bei ihrer Versorgungskasse ist die Generationen-Unwucht schon zu sehen: Auf 13.800 Beitragszahler kommen mittlerweile etwa gleich viele Rentner. Die Kasse hat die Garantiezinsen für neu Versicherte von 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt. Das liegt nicht nur am ungünstigen demographischen Faktor der Kirchenkasse, sondern auch am niedrigen Zinsniveau auf den Kapitalmärkten.
Das Problem trifft daher nicht nur die Geistlichkeit. So unterschiedlich die Berufsgruppen Pfarrer, Bäcker, Krankenschwestern oder Journalisten auch sein mögen, haben sie doch eines gemeinsam: Sie bekommen das niedrige Zinsniveau bei ihrer betrieblichen Altersvorsorge zu spüren.
Anfang Mai hatte die Finanzaufsicht BaFin vor Schieflagen bei Pensionskassen gewarnt, von denen es 140 in Deutschland gibt, eingerichtet für die Beschäftigten eines Unternehmens oder für mehrere Unternehmen einer Branche. Grund der Probleme sind die wegen der expansiven Geldpolitik niedrigen Zinsen. Sie machen es den auf sichere Anlagen angewiesenen Kassen fast unmöglich, ihr Geld rentabel anzulegen.
Bei einigen Kassen will die BaFin die Träger, also die aktuellen und ehemaligen Arbeitgeber der Versicherten, notfalls zu Nachschüssen drängen, damit die Leistungen an Rentner nicht gekürzt werden müssen. „Besonders kritisch kann die Lage bei Kassen werden, deren Rentnern nur wenige noch berufstätige Beitragszahler gegenüberstehen“, sagt Alfred Gohdes, Chefaktuar bei der auf betriebliche Vorsorge spezialisierten Unternehmensberatung Willis Towers Watson in Frankfurt.
Zentralbank trocknet Märkte aus
Gefahr für das gesamte Finanzsystem besteht allerdings laut Finanzaufsicht keine. Die 140 Kassen haben eine Bilanzsumme von 143 Milliarden Euro und etwa die Hälfte von ihnen firmiert als Aktiengesellschaft. Sie sitzen also auf von den Trägern eingezahltem Eigenkapital, mit dem sie Durststrecken überwinden können. Die restlichen als Versicherungsverein organisierten Pensionskassen zehren dagegen von den in besseren Zeiten erwirtschafteten Überschüssen. Sie steuern mit teils drastisch gesenkten Garantiezinsen für ihre Versicherten dagegen.
Warum sind diese Schritte nötig? Ein Grund sind die Anleihekäufe, mit denen die Zentralbank die Märkte austrocknet. „Die Finanzaufsicht setzt uns unter Druck, in besonders sichere Anlagen zu investieren“, sagt ein Vorstandsmitglied der Versorgungskasse für das Bäckerhandwerk. Doch diese stünden immer weniger zur Verfügung oder werfen nichts mehr ab. Die Bäckerkasse hat daher ihre Aktienquote von zwölf auf 18 Prozent angehoben, was die Anlage riskanter macht.
Im Notfall bliebe nur, die Beiträge um 2,9 Prozent reduzieren, denn Nachschüsse durch die Arbeitgeber schließt die Satzung aus. Das sei aber derzeit kein Thema.
Demografische Situation verschärft die Lage
„Wenn wir frei werdende Mittel neu anlegen, stellen wir verstärkt fest, dass sich die Auswahl an festverzinslichen Wertpapieren immer weiter einengt, da die EZB nach Staatsanleihen nun demnächst auch Unternehmensanleihen aufkauft“, sagt auch Ewald Stephan, Mitglied des Vorstands bei der Pensionskasse VERKA der Evangelischen Kirche.
Bei der kirchlichen Versorgungseinrichtung verschärft eine ungünstige demografische Situation die Lage. Sie findet kaum neue Versicherte, da sich junge Leute immer weniger für den Beruf des Pfarrers interessieren. Neue Versicherte erhalten seit 2015 nur noch einen Garantiezins von 0,5 Prozent – im Gegensatz zu 3,5 Prozent bei der älteren Generation. Mit dieser Maßnahme könnte die VERKA die Niedrigzinsphase zehn Jahre durchhalten.
Die Pensionskasse des staatlichen Fernsehsenders ZDF mit rund 7400 Mitgliedern etwa ist für die kommenden fünf Jahre zwar gut gewappnet, was aber auch daran liegt, dass sie die Versorgungszusagen und die Verzinsung für neu eintretende Mitarbeiter kontinuierlich reduziert hat. Derzeit wird der 2014 gekündigte Versorgungstarifvertrag neu verhandelt, zu erwarten seien „weitere Anstrengungen“, sprich Absenkungen der Zusagen und Verzinsung.
Kein Rechtsanspruch auf Nachschüsse
Freie Mitarbeiter von Rundfunk- und TV-Sendern müssen sogar ohne garantierte Verzinsung auskommen, damit will ihre Pensionskasse Beitragskürzungen und Nachschüsse für die Träger verhindern. Die Versicherten haben also keine verlässliche Zusage einer festen Verzinsung ihres eingezahlten Kapitals mehr. Ihre Rendite richtet sich dann allein nach den jährlich erzielten Überschüssen.
Die Versorgungskasse für Bauarbeiter hat zum Januar 2016 einen neuen Tarif eingeführt, der nur noch 1,25 Prozent Zinsen garantiert. Ältere Versicherte konnten sich immerhin noch auf 2,25 Prozent verlassen.
Mit geringerer Verzinsung verhindern viele Kassen steigende Beiträge, gekürzte Leistungen oder Nachschüsse durch die Träger. Dieser Ausweg steht Kassen nicht zur Verfügung, die keine neuen Versicherten mehr hinzugewinnen. Das betreffe Versorgungseinrichtungen von abgewickelten Unternehmen oder aussterbenden Berufen, ist in Finanz- und Aufsichtskreisen zu vernehmen. Bei ihnen versucht die BaFin die Träger zu Nachschüssen zu bewegen. Darauf besteht aber kein Rechtsanspruch, so dass dann nur noch Leistungskürzungen für die Versicherten bleiben.
Noch düsterer sieht es bei Kassen aus, bei denen gar keine neuen Mitglieder nachkommen – etwa weil das Unternehmen untergegangen ist. Beispiele sind das bayerische Stahlwerk Maxhütte oder Anlagenbauer Babcock Borsig. Dessen Kasse will als Gegenmaßnahme neue Versicherte im freien Markt auch außerhalb der ursprünglichen Branche anwerben, wartet aber noch auf die Genehmigung der Finanzaufsicht.