Altersvorsorge Riester-Fonds legen oft zu ängstlich an

Fondsgesellschaften schichten das Geld ihrer Riester-Sparer zu schnell von Aktien in Anleihen, um die garantierten Beiträge zu erwirtschaften. Wie sinnvoll sind die staatlich geförderten Sparpläne überhaupt?

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Bei Riester-Fonds gibts Geld vom Staat dazu. Quelle: Getty Images

Der Brief, den 1,8 Millionen Riester-Kunden im Mai von der Fondsgesellschaft Union Investment bekommen haben, kann sich nicht recht entscheiden. Handelt es sich um „wichtige Informationen“, wie es zu Beginn heißt? Oder ändert sich nur ein Name? Schließlich steht am Ende: „Wie Sie sehen werden, betreffen die Änderungen ausschließlich den eingesetzten Aktienfonds.“ Aus „UniGlobal“ wird „UniGlobal Vorsorge“.

Hinter der Namensänderung steckt aber viel mehr: Mit Union Investment baut der größte Anbieter von Riester-Fondssparplänen sein Produkt (UniProfiRente) Anfang August grundlegend um. Bislang sollten Sparer dort möglichst lang voll in Aktien investiert bleiben und von deren Renditechancen profitieren. Künftig will Union Investment einen Fonds einsetzen, der die Aktienquote flexibel steuert. Nur wenn Sparer vor der Umstellung im August widersprechen, bleibt alles beim Alten.

Kundenanzahl je nach Riester-Produkt

Auch Konkurrentin DWS, die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, plant nach Informationen der WirtschaftsWoche Änderungen bei Riester-Sparplänen. Details sind noch offen. Grund für die Umstellungen ist ein ungutes Zusammenspiel aus den gesetzlichen Vorgaben der Riester-Rente und einem leidigen Phänomen: den niedrigen Zinsen. Die Umbauten werfen grundsätzliche Fragen auf: Wie sinnvoll sind die staatlich geförderten Sparpläne überhaupt? Und: Welche Alternativen gibt es?

Typische Irrtümer von Riester-Sparern

Insgesamt hat etwa jeder fünfte der 16,3 Millionen deutschen Riester-Sparer einen Fondssparplan unterschrieben (siehe Grafik). Bis zum Ruhestand zahlen sie durchaus 30 oder 40 Jahre regelmäßig in ihren Vertrag ein. Das Geld fließt vorrangig in Aktien, aber auch in Anleihen. Zu Rentenbeginn wird verkauft und das Kapital dann oft in eine Rentenversicherung gepackt, aus der eine lebenslange Rente finanziert wird.

Absicherung mit Tücken

Riester-Sparer profitieren von Zulagen und möglichen Steuervorteilen in der Sparphase. Im Gegenzug wird ihre Rente später voll zum persönlichen Steuersatz versteuert. Einen echten Renditekick bringt die Förderung daher nur Geringverdienern mit mehreren Kindern und Gutverdienern, die anfangs hohe und in der Rente niedrige Steuersätze haben.

Alle Riester-Anbieter müssen sicherstellen, dass der Depotwert zu Ruhestandsbeginn wenigstens so hoch ist wie die Summe der eingezahlten Beiträge und Zulagen. Diese Garantie schützt Fondssparer: Obwohl ihr Geld in Aktien fließt, ist der Kapitalerhalt zu Ruhestandsbeginn garantiert. Allerdings hat die Absicherung Tücken: Fallen die Aktienkurse stark, so wie 2008 und 2011, ziehen Anbieter die Reißleine, sie schichten von Aktien in sichere Anleihen um. Anleihen aber bringen nur noch wenig ein.

In der Regel gilt: Je näher der aktuelle Depotwert an der Summe der bisherigen Einzahlungen liegt und je kürzer die Restlaufzeit des Vertrags ist, desto eher drohen Umschichtungen in Anleihen. Anbieter wollen kurz vor der Auszahlung nicht riskieren, dass sie Verluste aus einem Crash ausgleichen müssen. Sowohl bei DWS als auch bei Union Investment steigt das Umschichtungsrisiko, wenn es an den Finanzmärkten zu großen Schwankungen kommt – oder wenn die Zinsen sinken. Das Niedrigzinsumfeld wird hier zum echten Problem: Sind die Zinsen sehr niedrig, reichen die Zinserträge aus sicheren Anleihen nicht mehr aus, um mögliche Verluste von Aktien auszugleichen. Ergebnis: Sehr viel schneller muss Geld von Aktien in Anleihen umgeschichtet werden.

Bei der DWS kann Geld von Anleihen später auch wieder zurück in lukrative Aktien fließen. Bei der UniProfiRente der Union ist das nicht vorgesehen.

Umbau unerwünscht

Umschichtungen in Anleihen sind damit für Kunden besonders ärgerlich – schließlich wollen sie ja eigentlich in Aktien investieren. Union Investment will das Problem mit dem Umbau der UniProfiRente lösen. Der künftig eingesetzte Fonds UniGlobal Vorsorge setzt spezielle Finanzinstrumente ein, mit denen er einen Aktienanteil zwischen 51 und 120 Prozent des Depots erreichen kann. Mithilfe von zehn Trendindikatoren sollen Auf- und Abwärtstrends früh erkannt werden. Rutschen die Kurse über einen längeren Zeitraum ab, wird die Aktienquote reduziert. Im Idealfall werden Verluste so reduziert und Kunden vor Umschichtungen bewahrt.

Nötige Rendite bei freier Geldanlage im Vergleich zu Riester

Risiko ist, dass die Modelle Trends zu spät erkennen oder falsche Signale senden. „Wie sich die Umstellung auf die Wertentwicklung bei den Anlegern auswirkt, ist vollkommen ungewiss“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Klar sei: „Auf Dauer bringen Trendfolgemodelle nicht mehr Rendite als simples Kaufen und Liegenlassen.“

Bekannte Trendfolgerfonds wie etwa Warburg Daxtrend oder Trendconcept UI Aktien Europa haben tatsächlich in den vergangenen zehn Jahren nicht überzeugt. Zwar haben sie in Crashphasen Verluste abgefedert, aber insgesamt nur etwa halb so hohe Renditen gebracht wie vergleichbare reine Aktienportfolios.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Absicherung gegen Kursrisiken bei der UniProfiRente auch erhebliche Kosten verursacht.

Rendite von Riester-Rentenversicherungen

Wer abseits von Riester und ohne Förderung in einen Sparplan mit kostengünstigen Indexfonds (ETFs) einzahlt, muss nicht absichern. Er kann Kursverluste aussitzen, kein Fondsmanager schichtet sein Geld um – egal, wie niedrig die Zinsen sind. Ein ETF auf den Index MSCI World etwa hätte mehr Rendite gebracht als die wichtigsten Riester-Aktienfonds (siehe Grafik unten).

Dafür gibt es bei ETFs, anders als bei Riester-Fonds, aber keine Garantie, die vor Verlusten schützt. Doch ob die nötig ist, darf bezweifelt werden. Nach Berechnungen der WirtschaftsWoche hätten Sparer seit 1960 mit einem monatlichen Ratensparplan via Dax-ETFs über 15 Jahre nur in 3,3 Prozent aller möglichen Einstiegszeitpunkte Verluste erlitten – durchschnittlich 0,4 Prozent pro Jahr in diesen wenigen Fällen. Schon bei 22 Jahren Laufzeit hätte das Verlustrisiko bei null gelegen. Insgesamt wären Ratensparer im Schnitt auf 7,9 Prozent Rendite vor Steuern und Gebühren gekommen.

Wertentwicklung im Vergleich

Was Riester-Sparer tun sollten

Das neue Modell von Union Investment legt im Aktienfonds für alle Sparer den gleichen Aktienanteil zugrunde – unabhängig davon, wie stark sie tatsächlich von Umschichtungen in Anleihen bedroht sind. Vor allem jüngere Sparer, die bisher hohe Gewinne erzielt haben, sollten daher über einen Widerspruch gegen die Umstellung nachdenken. Ihr Geld bleibt dann im bisherigen Fonds zu 100 Prozent in Aktien investiert, solange nicht in Anleihen umgeschichtet werden muss.

Kunden sollten ihren Depotstand mit der Garantiesumme vergleichen. Beide Werte können Nutzer der Online-Depotverwaltung im Internet einsehen. Je weiter der Depotwert über der Garantiesumme liegt, desto geringer ist das Umschichtungsrisiko. Für den Widerspruch haben sie zwei Monate nach Erhalt des Infobriefs Zeit, sonst stellt Union Investment zum 1. August um.

Fördern oder nicht?

Eine Schwäche der Riester-Fondssparpläne bleibt ohnehin: die hohen Kosten. Bei der UniProfiRente zahlen Kunden auf jeden Eigenbeitrag bis zu fünf Prozent Ausgabeaufschlag. Bei 20 Jahren Vertragslaufzeit sind allein 0,5 Prozent Gewinn im Jahr nötig, um das aufzufangen. Sparer sollten den Aufschlag durch Verhandlungen drücken. Die DWS Toprente gibt es bei der DWS online zum halben Ausgabeaufschlag; einige Fondsdiscounter im Internet erstatten auch den Rest.

Doch teuer bleiben Riester-Fondssparpläne selbst dann. Die dabei eingesetzten Aktienfonds kosten bis 1,5 Prozent Gebühren im Jahr. Günstiger ist ein nur per Internet angebotener Riester-Fondssparplan des Berliner Anbieters Fairr.de in Kooperation mit der Hamburger Sutor Bank. Das Geld fließt hier nach fixen Quoten, je nach den bis zur Rente verbleibenden Jahren, in Aktien – und Anleihefonds. Plötzliche Umschichtungen soll es nicht geben. Die Sutor Bank – die als Garantiegeber einsteht – hatte 2013 nur acht Millionen Euro Eigenkapital. Allerdings existiert die Bank schon seit 1921, die Geschäfte werden von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt, und die Fondsanteile gehören – wie bei jedem Fondssparplan – als Sondervermögen den Kunden.

Rendite von Riester-Fondssparplänen

Bei Fairr.de kommen ETFs zum Einsatz, aber auch Fonds des Anbieters Dimensional. Die sind etwas teurer als ETFs. Außerdem berechnet Fairr.de Depotgebühren. Insgesamt müssten jüngere Fondssparer, die noch auf weniger als 5000 Euro Depotwert kommen, rund zwei Prozent Gesamtkosten bezahlen. Erst später spielt das Angebot seinen Kostenvorteil aus. Ab 10.000 Euro Depotwert summieren sich die Kosten – je nach Jahren bis zur Rente – nur auf 0,6 bis 1,0 Prozent.

Ungefördert oft besser

Vor allem für Wechsler, die bereits in anderen Fondssparplänen Geld angespart haben und dieses übertragen, kann das Angebot daher lohnen. „Wir profitieren derzeit von der Umstellung bei Union Investment“, sagt Jens Jennissen, Gründer und Geschäftsführer von Fairr.de. Das Unternehmen erstattet abwanderungswilligen Kunden der Konkurrenz die dort fälligen Wechselgebühren, bei der UniProfiRente etwa 50 Euro. Fairr.de allerdings besetzt nur eine Nische; Kundenzahlen nennt Jennissen nicht.

Im Vergleich zur Anlage abseits von Riester sind Kunden aber auch bei Fairr.de eingeschränkt. Schon 15 Jahre vor Rentenbeginn soll die Aktienquote unter 50 Prozent sinken, fünf Jahre vor der Rente sind es schlappe sieben Prozent. Da Rentner ihr Geld ja nicht auf einen Schlag brauchen, könnten sie eigentlich durchaus noch 20 Prozent in Aktien investieren – wenn sie die Freiheit haben, das zu tun.

Für Michael Ritzau von der südbadischen Honorarberatung in Inzlingen ist das Fairr.de-Produkt mit dem Kostenaufschlag von einem Prozent zu teuer und auch den Inhalt, die Indexfonds des amerikanischen Anbieters Dimensional, hält er für überteuert. Er empfiehlt seinen Riester-Interessenten, wenn sie mehrere Kinder haben, für die sie eine Förderung bekommen, einen ansonsten kostenfreien Banksparplan zu wählen. Die Kunden sollen dann möglichst zusätzlich einen normalen Fondssparplan mit börsengehandelten Indexfonds (ETFs) bestücken. Hier würde Ritzau ETFs zusammenstellen, die bei gängigen Aktienindizes jährlich auch nur etwa 0,2 Prozent kosten.

In den Banken allerdings liegen die Riester-Sparpläne als Bückware unter dem Tresen. Banken verdienen mit ihnen nichts, sie verkaufen daher lieber Riester-Rentenversicherungen. Gutverdienenden Kunden empfiehlt Ritzau statt eines Riester-Produktes gleich einen ungeförderten Fondssparplan mit ETFs. „Das hat den Vorteil, dass sie auch ihre Aktienquote individuell nach ihrer Risikoneigung anpassen können und nicht plötzlich im Rentenalter ganz ohne Aktien im Portfolio dastehen“, sagt Ritzau. Denn: „Wer mit 60 noch eine Lebenserwartung von 20 Jahren hat, sollte auch Aktien bei seiner Anlagestrategie berücksichtigen.“

Ein ungeförderter ETF-Sparplan bietet diese Flexibilität – und noch niedrigere Kosten. Da lässt sich der Verzicht auf die staatliche Förderung meist gut verschmerzen.

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