Die neue Studie belässt es nicht bei der Analyse des Problems, sondern macht Vorschläge, wie sich die Doppelbesteuerung verhindern ließe. So schlagen die Studienautoren vor, nicht auf die Summen von steuerpflichtigen Beiträgen über 45 Jahre und steuerfreien Renten über 17 Jahre zu achten, sondern die Anteile von steuerpflichtigen und steuerfreien Beiträgen im Einzelfall zu ermitteln. So ließe sich aufsplitten, welcher Rentenanteil aus steuerfreien Beiträgen stammt und welcher Rentenanteil aus steuerpflichtigen Beiträgen.
Beide Prozentsätze würden dann auf jede gezahlte Rente angewendet, um die fällige Steuer zu errechnen. Während die aus steuerfreien Beiträgen stammende Rente voll mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden müsste, sollte die aus steuerpflichtigen Beiträgen stammende Rente nur zum Ertragsanteil steuerpflichtig sein.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Ein Beispiel: Bei einem 2020 startenden Neurentner liegt der steuerfreie Beitragsanteil nach 45 Beitragsjahren bei 61 Prozent. Nach aktueller Rechtslage müsste er dann 80 Prozent seiner Rente versteuern. Hierbei würde es nach Berechnung der Studienautoren zu einer Doppelbesteuerung von 22.353 Euro kommen. Stattdessen soll der Neurentner nach ihrem Vorschlag nur 61 Prozent seiner Rente voll versteuern müssen. Die übrigen 39 Prozent wären nur zum Ertragsanteil zu versteuern. Dieser hängt vom Alter bei Rentenbeginn ab. Mit 65 oder 66 Jahren wären es 18 Prozent. Im Ergebnis wären daher nur 68,02 Prozent der Rente steuerpflichtig (61 Prozent + 39 Prozent x 18 Prozent) – und würden dann mit dem persönlichen Steuersatz versteuert. Für alle von 2011 an gestarteten oder noch startenden Rentner läge der so berechnete steuerpflichtige Anteil unter dem bisher vorgesehenen steuerpflichtigen Anteil nach Alterseinkünftegesetz. Der große Vorteil aus Sicht der Studienautoren: "Die Doppelbesteuerung wäre dadurch vermieden."
Laut Bundesfinanzhof hat sich der Gesetzgeber beim Alterseinkünftegesetz jedoch gegen einen solchen Ansatz entschieden. Dies haben die obersten Finanzrichter in einem Urteil vom 27. Mai 2015 festgestellt (X B 168/14). Dass eine solche Aufteilung der Rentenbeiträge in steuerfreie und steuerpflichtige Beiträge schwierig und aufwändig wäre, stellen die Studienautoren allerdings infrage. Es könne keine Rede davon sein, dass eine solche Aufteilung nicht oder nur mit sehr großem Aufwand möglich wäre. Letztlich würden die in jeder Rentenauskunft und in jedem Rentenbescheid stehenden Summen zu beitragspflichtigen Entgelten und der Summe aller gezahlten Rentenbeiträge reichen. Ergänzend müssten nur noch die jeweils geltenden Rentenbeiträge und die steuerfreien Anteile nach Alterseinkünftegesetz berücksichtigt werden.
Abschließend weisen die Studienautoren darauf hin, dass die Ertragsanteile - die bislang schon etwa bei Renten aus privaten Rentenversicherungen zum Einsatz kommen - aus ihrer Sicht zu hoch sind. So sei die Bundesregierung beim Alterseinkünftegesetz laut Gesetzentwurf von einem "typisierenden Kapitalertrag" von drei Prozent statt vorher 5,5 Prozent ausgegangen. Die Lebenserwartung ab Renteneintritt war mit 15 statt vorher 14 Jahren angesetzt worden. Bei einer aus heutiger Sicht realistischeren Verzinsung von zwei Prozent und einer auf 17 Jahren gestiegenen Lebenserwartung, müsste der Ertragsanteil für einen 65-Jährigen jedoch von 18 auf 14 Prozent sinken. Bei einem Zinssatz von 1,5 Prozent würde der Ertragsanteil auf 11, bei einem Prozent Zins sogar auf sieben Prozent sinken. Über diesen möglichen Steuernachteil bei der Besteuerung mit dem Ertragsanteil hatte jüngst schon die Fachzeitschrift Versicherungsjournal berichtet.
Eine Menge Zündstoff für die weitere Debatte. Ob der Gesetzgeber von sich aus reagiert und die Rentenbesteuerung ändert, darf trotzdem bezweifelt werden. Erst die Klage eines betroffenen Rentners, der dann vielleicht noch bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen muss, könnte der Doppelbesteuerung ein Ende setzen. Die Studienautoren hoffen, dass es nicht so lange dauert. Sie rufen alle im Bundestag vertretenen Parteien auf, auf eine baldige Änderung des Alterseinkünftegesetzes zu drängen.