Altersvorsorge Schluss mit der Doppelbesteuerung der Rente

Seite 2/4

Vorschlag: Rentenanteile aufsplitten

Die neue Studie belässt es nicht bei der Analyse des Problems, sondern macht Vorschläge, wie sich die Doppelbesteuerung verhindern ließe. So schlagen die Studienautoren vor, nicht auf die Summen von steuerpflichtigen Beiträgen über 45 Jahre und steuerfreien Renten über 17 Jahre zu achten, sondern die Anteile von steuerpflichtigen und steuerfreien Beiträgen im Einzelfall zu ermitteln. So ließe sich aufsplitten, welcher Rentenanteil aus steuerfreien Beiträgen stammt und welcher Rentenanteil aus steuerpflichtigen Beiträgen.

Beide Prozentsätze würden dann auf jede gezahlte Rente angewendet, um die fällige Steuer zu errechnen. Während die aus steuerfreien Beiträgen stammende Rente voll mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden müsste, sollte die aus steuerpflichtigen Beiträgen stammende Rente nur zum Ertragsanteil steuerpflichtig sein.

Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten

Ein Beispiel: Bei einem 2020 startenden Neurentner liegt der steuerfreie Beitragsanteil nach 45 Beitragsjahren bei 61 Prozent. Nach aktueller Rechtslage müsste er dann 80 Prozent seiner Rente versteuern. Hierbei würde es nach Berechnung der Studienautoren zu einer Doppelbesteuerung von 22.353 Euro kommen. Stattdessen soll der Neurentner nach ihrem Vorschlag nur 61 Prozent seiner Rente voll versteuern müssen. Die übrigen 39 Prozent wären nur zum Ertragsanteil zu versteuern. Dieser hängt vom Alter bei Rentenbeginn ab. Mit 65 oder 66 Jahren wären es 18 Prozent. Im Ergebnis wären daher nur 68,02 Prozent der Rente steuerpflichtig (61 Prozent + 39 Prozent x 18 Prozent) – und würden dann mit dem persönlichen Steuersatz versteuert. Für alle von 2011 an gestarteten oder noch startenden Rentner läge der so berechnete steuerpflichtige Anteil unter dem bisher vorgesehenen steuerpflichtigen Anteil nach Alterseinkünftegesetz. Der große Vorteil aus Sicht der Studienautoren: "Die Doppelbesteuerung wäre dadurch vermieden."

Laut Bundesfinanzhof hat sich der Gesetzgeber beim Alterseinkünftegesetz jedoch gegen einen solchen Ansatz entschieden. Dies haben die obersten Finanzrichter in einem Urteil vom 27. Mai 2015 festgestellt (X B 168/14). Dass eine solche Aufteilung der Rentenbeiträge in steuerfreie und steuerpflichtige Beiträge schwierig und aufwändig wäre, stellen die Studienautoren allerdings infrage. Es könne keine Rede davon sein, dass eine solche Aufteilung nicht oder nur mit sehr großem Aufwand möglich wäre. Letztlich würden die in jeder Rentenauskunft und in jedem Rentenbescheid stehenden Summen zu beitragspflichtigen Entgelten und der Summe aller gezahlten Rentenbeiträge reichen. Ergänzend müssten nur noch die jeweils geltenden Rentenbeiträge und die steuerfreien Anteile nach Alterseinkünftegesetz berücksichtigt werden.

Abschließend weisen die Studienautoren darauf hin, dass die Ertragsanteile - die bislang schon etwa bei Renten aus privaten Rentenversicherungen zum Einsatz kommen - aus ihrer Sicht zu hoch sind. So sei die Bundesregierung beim Alterseinkünftegesetz laut Gesetzentwurf von einem "typisierenden Kapitalertrag" von drei Prozent statt vorher 5,5 Prozent ausgegangen. Die Lebenserwartung ab Renteneintritt war mit 15 statt vorher 14 Jahren angesetzt worden. Bei einer aus heutiger Sicht realistischeren Verzinsung von zwei Prozent und einer auf 17 Jahren gestiegenen Lebenserwartung, müsste der Ertragsanteil für einen 65-Jährigen jedoch von 18 auf 14 Prozent sinken. Bei einem Zinssatz von 1,5 Prozent würde der Ertragsanteil auf 11, bei einem Prozent Zins sogar auf sieben Prozent sinken. Über diesen möglichen Steuernachteil bei der Besteuerung mit dem Ertragsanteil hatte jüngst schon die Fachzeitschrift Versicherungsjournal berichtet.

In Sachsen-Anhalt ist Ihre Rente am meisten wert
Große UnterschiedeRente ist nicht gleich Rente. Je nach Preisgefüge einer bestimmten Region sind 1000 Euro Rente in Deutschland unterschiedlich viel wert. Um bis zu 50 Prozent variiert die Kaufkraft der Ruheständler, das ergab eine Studie des Forschungsunternehmens Prognos im Auftrag der Initiative „7 Jahre länger“. Für die Analyse wurden die Lebenshaltungskosten in insgesamt 402 Landkreisen verglichen. Im Bundesdurchschnitt liegen diese bei 1000 Euro. Der statistische Warenkorb für Lebenshaltungskosten wurde dafür an die Bedürfnisse von Rentnern angepasst. Unter anderem wurden Ausgaben für Ärzte und Medikamente stärker gewichtet. Quelle: dpa
Dom Magdeburg, Sachsen-Anhalt Quelle: dpa
Saarschleife, Saarland Quelle: dpa/dpaweb
Schweriner Schloss, Mecklenburg-Vorpommern Quelle: dapd
Silhouette der Stadt Hannover, Niedersachsen Quelle: dpa
Dom Erfurt, Thüringen Quelle: dpa
Bremer Stadtmusikanten, Bremen Quelle: dpa

Eine Menge Zündstoff für die weitere Debatte. Ob der Gesetzgeber von sich aus reagiert und die Rentenbesteuerung ändert, darf trotzdem bezweifelt werden. Erst die Klage eines betroffenen Rentners, der dann vielleicht noch bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen muss, könnte der Doppelbesteuerung ein Ende setzen. Die Studienautoren hoffen, dass es nicht so lange dauert. Sie rufen alle im Bundestag vertretenen Parteien auf, auf eine baldige Änderung des Alterseinkünftegesetzes zu drängen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%