Anlagemoden Die größten Anlageflops

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Nach dem Börsengang der IOS 1969 stieg der Druck – Investoren wollten Gewinne sehen, die IOS seriös nicht liefern konnte. „Am Anfang haben alle anständig gearbeitet“, behauptet Ex-IOSler Schneider, „aber wenn der unerhörte Mittelzufluss einsetzt, kommt man in eine Marktgröße, in der man zocken muss.“ Und das ging immer öfter schief. IOS kaufte eigene Aktien, um den Kurs zu stützen, schrieb Vermögenswerte an kanadischen Ölbohrrechten in der Bilanz hoch. 1973 war IOS pleite, Anlegern blieb Verlust: Laut Deutscher Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz war fast eine Milliarde Mark, nach heutiger Kaufkraft geschätzt über 1,5 Milliarden Euro, verschwunden.

Das Cornfeld-Imperium brach zusammen, er starb 1995 verarmt. Geblieben ist sein Geschäftsmodell: Viele Gründer von Finanzvertrieben, die uns bis heute mit ihren Truppen heimsuchen, arbeiteten für Cornfeld: Reinfried Pohl (DVAG) und die Gründer der Vertriebe OVB, Bonnfinanz und Tecis, der 2002 vom AWD geschluckt wurde. AWD-Gründer Carsten Maschmeyer lernte sein Geschäft bei der OVB, ist quasi Cornfeld-Enkel.

„Menschen sind verführbar, heute wie vor 50 Jahren“, sagt Ex-IOS-Mann Schneider, „zu viele hoffen, dass Investieren eine Einbahnstraße nach oben ist.“ Professor Weber beobachtet bei Anlegern dieselben Denkmuster: „Sie wollen ohne Risiko reich werden und sind nicht bereit zu sehen, dass man mehr Rendite nur durch mehr Risiko erzielt.“ Am Finanzmarkt gebe es aber bewusst handelnde Gegenspieler, die nichts zu verschenken haben.

Anwalt Nieding, dessen Kanzlei jährlich mehrere Tausend geschädigte Anleger betreut, kritisiert: „Bei einem Auto lesen die Leute zehn Testberichte, aber bei der Geldanlage verlassen sie sich auf die blauen Augen des Gegenübers – sie haben immer noch nicht verstanden, dass ein Verkäufer vor ihnen sitzt, der Vertriebsvorgaben umsetzt.“ Für wenige Prozentpunkte mehr Rendite opferten die Deutschen ihre Sicherheit. Manche Mandanten sitzen drei-, viermal in seiner Kanzlei. „Sie meiden zwar nach dem Reinfall bestimmte Produkte, aber kaufen andere, die sie wieder nicht verstehen“, sagt Nieding.

Steuern sparen über alles

Häufig liefert der Staat den psychologisch geschulten, provisionshungrigen Verkäufern Argumente auf dem Silbertablett. Subvention von Solar- und Windanlagen trieb den Absatz geschlossener Fonds für erneuerbare Energien – die oft zu hohe Renditen versprachen. Als Förderung etikettierte Steuersubventionen trieben Tausende in Filmfonds, halfen vor allem Hollywood-Produktionen zu finanzieren – oder deutsche Pleiteprojekte, wie den VIP Medienfonds, dessen Gründer 2007 zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.

Das Argument „Steuern sparen“ war in Deutschland schon immer eines der zugkräftigsten, wenn es galt, überteuerte Anlageprodukte in den Markt zu drücken. Mit der Sonderabschreibung Ost förderte der Staat nach dem Fall der Mauer den Aufbau der neuen Länder. Bis zu 50 Prozent der Kosten konnten Steuerzahler in fünf Jahren von ihrem zu versteuernden Einkommen absetzen. Für die Vertriebe eine Steilvorlage: Halb Deutschland ergötzte sich am Volkssport Steuersparen, investierte in längst nicht vermietete Bürohäuser in Leipzig oder Halle. Unter ihnen, wieder mal, viele Prominente: laut „Spiegel“ Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Hans-Dietrich Genscher und Schauspieler Uwe Ochsenknecht. Zwischen 1991 und 2008 entgingen dem Staat so 29 Milliarden Euro Steuern.

Verkäufer von Immobilien und geschlossenen Immobilienfonds hatten bei Freiberuflern, Unternehmern und leitenden Angestellten leichtes Spiel. „Besonders in den Neunzigern zeichneten vermögende Kunden zum Jahresende brav Steuersparmodelle. Die Verkaufsgespräche dauerten maximal 30 Minuten, danach sprang der Anlageberater wieder in seinen Wagen und war nicht selten mehr als 20.000 Mark reicher“, erzählt Christoph Walter, Anwalt aus Düsseldorf.

Anlegerfalle Ostimmobilien

Ostdeutschland wurde mit unbrauchbaren Immobilien zubetoniert. Wer Steuervorteile nutzte, muss nun oft Geld nachschießen, „weil die Immobilie nicht genug Geld für Zins und Tilgung des Kredits erwirtschaftet“, sagt Walter. Auf das Risiko hingewiesen habe keiner: „Unter 6000 Fällen, die wir betreuten, ist mir keiner bekannt, in dem der Anleger vollumfänglich und in verständlicher Form über die anlagespezifischen Risiken aufgeklärt wurde.“

Wenn Walters Klient Rudolf Fischer seine Version eines 1994 geführten Gesprächs mit dem Commerzbank-Filialleiter in seiner Heimatstadt Waldbröl erzählt, wird die Stimme des heute 58-Jährigen lauter. Er habe da „eine todsichere Geschichte“ für den langjährigen Kunden, sagte der Banker damals. Fischer könne mit der Anlage in geschlossene Immobilienfonds des Initiators Dr. Görlich auf einen Schlag knapp 200 Prozent Verlust steuerlich geltend machen. Dem Unternehmer, der mit Kaffeemaschinen Millionen umsetzte, schien das „die beste Geldanlage der Welt“: Bei seinem Steuersatz finanzierte sich der Immobilienkauf quasi von allein durch die Steuerersparnis, und er sollte der Altersvorsorge dienen.

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