Anlagemoden Die größten Anlageflops

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Sehr geschickt bauten Vertriebe zudem eine Art Personenkult auf. Beck: „Anlegern wurde eingetrichtert: Die Jungs sitzen an der Quelle, sie kaufen Neuemissionen und in exotischen Marktsegmenten, an die du selber nie herankommst.“ Fondsmanager wie Kurt Ochner, Josef Schopf, Wassili Papas, Volker Kuhnwaldt oder Elisabeth Weisenhorn wurden Popstars.

Modefonds wie Kuhnwaldts Nordea Nord-Internet oder Ochners JB Multistock verzeichneten riesige Mittelzuflüsse. Turnhallen wurden angemietet, so viele Menschen kamen zu Kuhnwaldts Verkaufsveranstaltungen. Nach der Show verteilten Mitarbeiter die Zeichnungsscheine. Der Fonds sammelte in den ersten sechs Wochen nach dem Start zwei Milliarden Mark ein; auf dem Höhepunkt war er fünf Milliarden Mark schwer. Papas hatte 30 Milliarden in seinem Fonds.

Die Fondsmanager steckten das viele Geld in eine eng umgrenzte Aktienauswahl – und trieben deren Preise an der Börse weiter hoch. Dass das Argument der Risikostreuung so ad absurdum geführt wurde – weil die Fonds die Verlustgefahr vergrößerten, je mehr von ihnen den immer gleichen Aktien hinterherjagten –, begriffen viele erst, als es zu spät war. Als die Kurse kollabierten, ging es Ochner und den anderen Stars genau wie den Kleinanlegern – sie kamen nicht mehr schnell genug raus aus ihren fallenden Aktien.

Gebranntes Kind...

Die Konsequenz aus dem Desaster am Neuen Markt war der millionenfach ausgestoßene Schwur: „Nie wieder Aktien.“ Wer mit seiner Geldanlage auf die Nase fiel, „zieht sich von riskanteren Anlageformen wie Aktien zurück – und koppelt sich damit von der wirtschaftlichen Entwicklung ab“, sagt Andreas Oehler, Finanzwirtschafts-Professor an der Uni Bamberg. Die Finanzindustrie hatte aber für Anleger wieder etwas im Angebot: Garantieprodukte. So verspricht Union Investment, Deutschlands größter Anbieter von Garantiefonds, „Chancen und Sicherheit in bewegten Zeiten“. Anleger bekommen am Laufzeitende des Fonds 100 Prozent des investierten Kapitals zurück – nach Abzug der Kosten.

Die Sicherheit hat ihren Preis: Sparer bekommen, wenn die Börse steigt, nur einen Teil der Gewinne. Zudem verkaufen Banken bevorzugt Fonds und Zertifikate mit Garantieversprechen, wenn das Tal der Tränen schon durchschritten ist. So geschehen nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2002 und dem Lehman-Desaster 2008. Anleger steckten etwa im ersten Halbjahr 2003 noch 2,4 Milliarden Euro in Garantiefonds – der Dax stieg.

Wo rollt die Nächste Welle?

„Auf eine Vertriebswelle folgt mit zwei bis drei Jahren Abstand eine Klagewelle“, beobachtet Nieding. Seine Kanzlei beschäftigt eine Projektgruppe, die prüft, welche Produkte die Vertriebe gerade aggressiv pushen. „Zuletzt wurden am stärksten Immobilienfonds und Garantieprodukte in den Markt gedrückt“, sagt Nieding.

Kandidaten für neue Anlagewellen sind Immobilien in der City, Rohstoffe und Edelmetalle. Noch ist die Anlage in Gold nicht weit verbreitet – nur etwa 1,7 Prozent des flüssigen Vermögens der Deutschen steckt darin. Doch wenn Firmen Goldautomaten zur Ausgabe kleiner Barren aufstellen, gehen Warnlampen an. Knapp 40 Prozent der Deutschen, so eine Studie der Steinbeis-Hochschule, können sich vorstellen, in den nächsten drei Jahren Gold zu kaufen.

Dahinter steckt die weiter anschwellende Inflationsfurcht. Unabhängig davon, wie berechtigt die sein mag: Als Anlagemotiv ist sie für Finanzvertriebe ähnlich geeignet wie das weitverbreitete Verlangen nach steuersparenden Anlagen.

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