AOK-Chef Litsch „Wir schummeln nicht“

Der Streit um eine Reform des Finanzausgleichs zwischen den Krankenkassen wurde in den vergangenen Wochen zusehends schärfer. Der Vorwurf des Schummelns steht im Raum. Die AOK distanziert sich.

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Die Krankenkasse weist den Vorwurf des Schummelns zurück. Quelle: dpa

Berlin Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) haben den Vorwurf zurückgewiesen, bei Abrechnungen zu manipulieren. „Wir schummeln nicht“, sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, am Freitag in Berlin bei der Vorstellung eines Positionspapiers der AOK-Gemeinschaft zur Reform des sogenannten Risikostrukturausgleichs (RSA).

Er fügte hinzu, die Möglichkeiten der Manipulation bei den Abrechnungen seien sehr gering. Fehldiagnosen seien zwar möglich. Aber es könne keineswegs die Rede davon sein, dass Kranke auf dem Papier systematisch kränker gemacht worden seien als sie tatsächlich waren, um mehr Geld aus RSA zu bekommen.

Litsch reagierte damit erneut auf Äußerungen des Chefs der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas. Baas hatte gesagt: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“ Dann gebe es mehr Geld aus dem RSA. Bass wollte damit offensichtlich den Streit um eine Reform des Finanzausgleichs weiter anfachen.

Der RSA weist einer Kasse Geld aus dem Gesundheitsfonds zu – unter anderem je nach Schwere der Erkrankung der Versicherten. Er ist vielen Kassen seit längerem ein Dorn im Auge. Einige Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen hatten sich Anfang März zu einer RSA-Allianz zusammengeschlossen und eine Finanzreform noch in dieser Legislaturperiode gefordert. Sie sehen insbesondere die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) durch das jetzige System im Vorteil.

Da eine umfassende Reform vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 unwahrscheinlich ist, haben sie sich zuletzt auf einige Einzelpunkte konzentriert. Dazu gehört die Einführung eines „Regionalfaktors“, der die Kostenunterschiede zwischen Stadt und Land berücksichtigt. Die jetzige Regelung mit 80 beispielhaften Erkrankungen, an denen sich der RSA orientiert, führe dazu, dass kostenintensive Krankheiten wie Schlaganfall oder Brustkrebs nicht ausreichend ausgeglichen würden, so die Argumentation.

Die AOK hielt sich bisher zurück. Sie strebt grundsätzlich eine umfassende Reform des Systems an. Das würde allerdings etliche Zeit in Anspruch nehmen und wohl nicht vor 2018 angegangen werden können. In ihrem Positionspapier schlägt sie nun vor, doch einige Einzelpunkte vorzuziehen und noch in dieser Legislaturperiode zu regeln. So sollten umgehend verbindliche, bundeseinheitliche Kodierungsrichtlinien für die ambulante Versorgung eingeführt werden. Die Zuweisung über den RSA an die Kassen richtet sich nach den aufgelisteten (kodierten) Diagnosen.

Zugleich solle die im RSA bestehende Begrenzung auf 80 Krankheitsgruppen aufgehoben werden. Damit könne zielgenauer anhand jeder einzelnen Krankheit zugewiesen werden. Die Debatte über lukrative und weniger lukrative Krankheiten hätte aus Sicht der AOK so ein Ende. Eine Regionalisierung lehnt die AOK-Gemeinschaft ab, obwohl auch einige regionalen AOK in (teuren) Ballungsräumen angesiedelt sind. Neben solchen Sofortmaßnahmen und kurzfristigen Anpassungsvorschlägen bleibe das Ziel einer kontinuierlichen, wissenschaftlich fundierten Weiterentwicklung des RSA, so Litsch.

Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen zeigten sich verärgert: „Die AOK setzt vor allem auf den Faktor Zeit, um bestehende Überdeckungen aus dem Gesundheitsfonds möglichst lange als Wettbewerbsvorteil zu konservieren.“ Es sei gerade die AOK, „die die Axt an die Solidarität in der GKV (gesetzlichen Krankenversicherung)“ lege, hieß es in einer Mitteilung.

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