Viele Auslandsrentner, die plötzlich Steuern zahlen sollen, wollen dagegen klagen. „Wir rechnen mit einer Vielzahl von Prozessen“, sagt Matthias Lipsky, Vorsitzender Richter am Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern. Schon jetzt würden 51 Verfahren laufen: „Aber das ist erst der Anfang.“ Für Klagen von Auslandsrentnern ist sein Gericht exklusiv zuständig: Das Finanzamt Neubrandenburg, das die alleinige Verantwortung für die Besteuerung sämtlicher Rentner im Ausland hat, liegt in seinem Bezirk. 2011 haben dessen Beamte 500.000 Ruheständler im Ausland angeschrieben und zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert.
Besser unverschämt
Auslandsrentner gelten hierzulande als „beschränkt steuerpflichtig“. Das klingt gut, ist es aber nicht. Denn die Rentner haben damit keinen Anspruch auf den Grundfreibetrag von 8.004 Euro und weitere Vergünstigungen wie Ehegattensplitting oder den Abzug von Krankheitskosten. „Das ist ein erheblicher Nachteil“, sagt Finanzrichter Lipsky. Viele, die jetzt Steuerforderungen erhielten, „müssten keinen Cent zahlen, wenn sie in Deutschland leben würden“.
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Nein, wer als Deutscher in ein EU-Land, nach Island, Liechtenstein, Norwegen oder in die Schweiz auswandert, bekommt seine volle Rente weitergezahlt - auf ein Konto in Deutschland oder im Ausland. Allerdings sollten die Rentner die Rentenversicherung etwa zwei Monate im Voraus über ihre Pläne informieren, damit die Zahlung dann eventuell umgestellt werden kann. Selbst wenn die Rente weiter auf das deutsche Konto fließen soll, ist ein rechtzeitiger Hinweis wichtig. So muss die Rentenversicherung die Bezieher im Ausland für einen "jährlichen Lebensnachweis" erreichen können.
In aller Regel bekommen Rentner auch dann ihre volle Rente gezahlt. 30 Prozent Renteneinbuße drohen nur, wenn die Auswanderer ihre Staatsangehörigkeit wechseln. Kein Problem ist es, wenn sie eine EU-Nationalität annehmen oder Staatsbürger in Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz werden. Über spezielle Abkommen bekommen auch die neuen Staatsbürger folgender Länder weiter ihre volle Rente ausgezahlt: Australien, Bosnien-Herzegowina, Chile, Israel, Japan, Kanada und Quebec, Korea, Kosovo, Kroatien, Marokko, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Türkei, Tunesien und USA. Gleiches wird in Zukunft auch für Indien und Brasilien gelten, mit denen Gleichstellungsabkommen bereits existieren, die aber noch nicht in Kraft getreten sind. Wer aber die Nationalität eines hier nicht genannten Landes annimmt, muss mit Einbußen rechnen.
Indirekt kann das Folgen haben. So versuchen die EU-Länder, aber auch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz die Rentenversicherungssysteme aufeinander abzustimmen. Wenn deutsche Rentenversicherte dann auch in diesen Ländern rentenversichert beschäftigt waren, können Sie davon profitieren. So werden diese Versicherungszeiten im Ausland dann zum Beispiel berücksichtigt, wenn bestimmte Mindestversicherungszeiten berechnet werden. Etwa die Mindestversicherungszeit von 35 Jahren für eine vorgezogene Altersrente.
Die speziellen Auslandsvorschriften spielen dann keine Rolle. Solange der "gewöhnliche Aufenthalt" in Deutschland bleibt, etwa weil Rentner zeitlich befristet ins Ausland ziehen und ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland beibehalten, hat dies in keinem Fall Auswirkungen auf ihre Rente.
Insgesamt hat die Deutsche Rentenversicherung 2011 rund 1,7 Millionen Renten ins Ausland gezahlt, das sind rund sieben Prozent aller Rentenzahlungen. Rund 90 Prozent der Auslandsrentner sind keine deutschen Staatsbürger.
Doch es gibt einen Ausweg:
- Wenn mindestens 90 Prozent der gesamten Einkünfte der deutschen Steuer unterliegen – wie etwa eine gesetzliche Rente –, können Auslandsrentner in Deutschland die „unbeschränkte Steuerpflicht“ beantragen und sich auf diese Weise sämtliche Vergünstigungen sichern. Wer hauptsächlich von der gesetzlichen Rente, einer Betriebsrente oder einem berufsständischen Versorgungswerk lebt – deren Zahlungen sind in Deutschland ebenfalls steuerpflichtig –, kann somit in der Regel problemlos „unbeschränkte Steuerpflicht“ beantragen.
- Kassiert der Steuerpflichtige zusätzlich zur Rente hohe Kapitalerträge, wird es hingegen eng. Zinsen und Dividenden sind am Wohnsitz im Ausland steuerpflichtig, unabhängig davon, wo das Konto oder Depot ist. Wenn dann weniger als 90 Prozent der Einkünfte der deutschen Steuer unterliegen, können Rentner die „unbeschränkte Steuerpflicht“ nur beantragen, wenn die Auslandseinkünfte unter 8.004 Euro liegen.
- Wichtig: Ein Wechsel in die unbeschränkte Steuerpflicht ist rückwirkend möglich. „In vielen Fällen reichen die dadurch gesicherten Steuervergünstigungen, um wieder aus der Steuerpflicht herauszurutschen“, sagt Braun. Wenn nicht, bleibt Betroffenen nichts anderes übrig, als zu zahlen – sonst droht die Pfändung. An Renten kommt der Staat leicht heran.
Ein weiterer Stolperstein für Auslandsrentner kann die Aufenthaltsgenehmigung sein. In einigen Ländern gibt es spezielle Visa, mit denen Ruheständler längerfristig oder sogar dauerhaft im Land bleiben dürfen. Oft müssen sie dafür nur ihre laufenden Einkünfte, etwa aus der deutschen Rente, nachweisen. So können Rentner mit monatlichen Einkünften von 1.200 Euro in Thailand ein spezielles Visum erhalten, das sie dann jedoch jährlich neu beantragen müssen. Ab knapp 2.000 Euro Einkünften im Monat gibt es in Südafrika ein Rentner-Visum, das anfangs für vier Jahre gilt, dann aber dauerhaft verlängert werden kann.