Bei Insolvenzen durch die Coronakrise Was passiert mit Betriebsrenten bei einer Pleitewelle?

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Achtung bei Pensionkassen und Pensionsfonds

4. Regulierte und deregulierte Pensionskassen

Die meisten klassischen Firmenpensionskassen sind sogenannte regulierte Pensionskassen und als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) organisiert. Das heißt, sie geben keine Zinsgarantien und haben Sanierungsklauseln. Arbeitnehmer müssen also mit Kürzungen der Renten rechnen, wenn die Kassen ihre Garantien nicht mehr erfüllen können. Das ist wegen der anhaltenden Niedrigzinsen immer öfter der Fall. Dann ist zunächst der Arbeitgeber verpflichtet die Differenz zu den versprochenen Auszahlungen zu tragen. Bei einer Insolvenz des Arbeitgebers trafen die Kürzungen bislang aber Beschäftigte und Betriebsrentner direkt.

Deshalb hat der Gesetzgeber diesen Sommer alle regulierten Pensionskassen dazu verpflichtet Mitglied im Pensionssicherungsverein (PSV) zu werden, der die Kürzungen bei einer Insolvenz anstelle des Arbeitgebers ausgleicht. Alle Unternehmen mit regulierten Kassen sollen ab 2021 Beiträge an den PSV entrichten, Insolvenzen sind aber erst ab 2022 abgesichert. Bis dahin gilt lediglich ein abgespeckter Schutz: Wenn die Leistungen um mehr als die Hälfte gekürzt werden, springt der PSV bereits jetzt ein. Dasselbe gilt für Kürzungen, die dazu führen, dass Arbeitnehmer unter die Armutsgefährdungsschwelle fallen. „Dieser Fall ist sehr unwahrscheinlich“, sagt Georg Thurnes. „Dafür müsste erstmal das Trägerunternehmen insolvent gehen und dann müsste die Pensionskasse auch noch gekürzt haben. Denn die Pensionskassen sind von den Unternehmen unabhängig.“



Sollte es doch zu einer solchen nicht abgesicherten Insolvenz kommen, müssen Anwärter oder Betriebsrentner den PSV ausnahmsweise selbst kontaktieren und einen Antrag stellen. Die Kosten für den Ausgleich der Betriebsrentenkürzung übernimmt bis 2022 der Bund. Georg Thurnes glaubt nicht, dass die neuen Pflichtmitglieder den Druck auf den PSV stark erhöhen: „Wenn 140 neue Kassen einzahlen und eine Handvoll davon die Leistungen um einige Prozent kürzen, bezweifele ich, dass das den PSV stark belastet.“ Im Gegensatz zu insolventen Unternehmen mit einer Direktzusage, muss der PSV bei Pensionskassen nur die Differenz zu den ursprünglich versprochenen Leistungen ausgleichen und nicht die komplette Betriebsrente übernehmen.

In der deregulierten Pensionskasse können Betriebsrentner Verluste erleiden
Viele Arbeitgeber, insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen, lagern die betriebliche Altersversorgung an externe Pensionskassen aus. Diese sogenannten deregulierten Pensionskassen, die unter anderem viele Versicherer anbieten, organisieren für Unternehmen aus verschiedenen Branchen die betriebliche Altersvorsorge als Pensionskasse. Wie Lebensversicherer geben sie Garantiezusagen und dürfen ihre Leistungen nicht kürzen. Meistens sind sie dann genau wie Lebensversicherer über den Sicherungsfonds Protektor abgesichert. Im Rahmen der Sanierung von Beständen durch Protektor sind Leistungskürzungen aber durchaus zulässig. Wenn der Arbeitgeber die Kürzungen nicht ausgleichen kann, weil er nicht mehr existiert, müssen Arbeitnehmer Verluste hinnehmen.

Alle Kassen müssen die Kürzungen vorab bei der BaFin beantragen. Die Finanzprüfer kontrollieren, ob tatsächlich alle anderen Möglichkeiten zur Sanierung ausgeschöpft wurden. „Kürzen im Rahmen einer Sanierungsklausel ist immer die Ultima Ratio“, betont Georg Thurnes. „Die BaFin erlaubt das nur, wenn es wirklich nicht anders geht.“

5. Pensionsfonds mit und ohne Mindestgarantien

Regelt der Arbeitgeber die bAV über einen Pensionsfonds, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Fonds können wie Versicherer Leistungen mit Mindestgarantie anbieten. Dann müssen Pensionsfonds sich wie Lebensversicherer an bestimmte Anlagevorschriften halten und haben keine Möglichkeit die Leistungen zu kürzen. Der Arbeitgeber haftet nur bei einer Insolvenz des Pensionsfonds. Bis dahin muss der Fonds alle vorhandenen Mittel für die Betriebsrenten ausgeben. Meldet der Arbeitgeber Insolvenz an, übernimmt der Pensionssicherungsverein (PSV) die Haftung. Bei einer Insolvenz des Pensionsfonds erhalten ehemalige Angestellte ihre garantierte Betriebsrente dann vom PSV.

Der größere Teil der Pensionsfonds bietet aber Leistungen ohne Mindestgarantien an. Diese Fonds müssen keinen Anlagevorschriften folgen. Falls das Fondsvermögen nicht ausreicht, um die betrieblich versprochenen Leistungen zu zahlen, muss der Arbeitgeber bei laufenden Betriebsrenten nachschießen. Diese Arbeitgeber sind ebenfalls Mitglied im PSV. Kürzt der Pensionsfonds die Leistung und der Arbeitgeber ist insolvent, gleicht der PSV die Differenz zur garantierten Rente aus.

Womit Betriebsrentner und Anwärter rechnen müssen

Nahezu alle garantierten Betriebsrenten sind auch bei einer Insolvenz des Arbeitgebers oder des zuständigen Lebensversicherers über den Pensionssicherungsverein (PSV) oder den Sicherungsfonds Protektor abgesichert. Zu Kürzungen der Betriebsrenten kann es trotzdem kommen: Wer seine Betriebsrente über eine Direktversicherung bei einem Lebensversicherer bezieht, muss mit Kürzungen bis zu 5 Prozent rechnen, wenn der Versicherer in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Außerdem darf Protektor bei der Sanierung von Versicherungsbeständen Leistungskürzungen bei der BaFin beantragen. Der Arbeitgeber muss diese Differenz nicht begleichen.


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Auch bei Pensionskassen gibt es aktuell noch eine Lücke im Insolvenzschutz. Ist das Trägerunternehmen der Kasse zahlungsunfähig und die Pensionskasse kürzt die Leistungen, springt der PSV erst ab 2022 ein. Vorher gilt: Nur wenn die Leistungen um mehr als 50 Prozent gekürzt werden oder der Betriebsrentner durch die Kürzung armutsgefährdet ist, gleicht der Staat das fehlende Geld aus. Der PSV und Protektor waren nie auf eine riesige Insolvenzwelle ausgerichtet. Es wird abzuwarten sein, wie beide die Pleiten von hunderten Unternehmen oder mehreren Lebensversicherern auffangen können.

Praktische Ratschläge zu Strategien für eine gelungene Altersvorsorge, etwa, wie sie in Niedrigzinszeiten noch renditestark anlegen und wie viel Rücklagen sie brauchen, finden Sie in unserer Rubrik erfolg.reich „Meine Altersvorsorge“.

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