Betriebliche Altersvorsorge Pensionskassen: Das Sterben geht weiter

Quelle: Getty Images

Die Versicherungsaufsicht hat eine Pensionskasse für Steuerberater dicht gemacht. Der Fall zeigt: Betriebsrenten sind zwar grundsätzlich gut geschützt – aber der Schutz hat Lücken.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Lage bei den Pensionskassen ist angespannt, und nichts deutet darauf hin, dass sich das im laufenden Jahr bessert. Im Gegenteil: Mit der Deutschen Steuerberater-Versicherung, der Pensionskasse der steuerberatenden Berufe, befindet sich seit diesem Monat eine weitere Pensionskasse in Abwicklung.

Die Versicherungsaufsicht BaFin hatte ihr bereits Anfang 2020 die Geschäftserlaubnis entzogen. Dagegen hatte der Vorstand erst Widerspruch eingelegt und dann geklagt. Nun will er die Klage nicht weiterverfolgen. Die Steuerberater-Versicherung darf deshalb kein Neugeschäft mehr annehmen – was sie allerdings seit 2018 ohnehin nicht mehr tut. Bestehende Versicherungsverträge darf sie fortführen, aber nicht verlängern oder die Leistungen erhöhen.

Kapitalanforderungen nicht erfüllt

Mit dem Aus für die Pensionskasse der Steuerberater setzt sich das Sterben der betrieblichen Altersvorsorgeeinrichtungen fort. Ende 2020 hatte die BaFin bereits der Pensionskasse der Caritas und ihrer Schwester, der Kölner Pensionskasse, die Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts entzogen.

Die Begründung der Aufsicht war dieselbe wie nun im Fall der Steuerberater-Versicherung: Die Einrichtungen hätten die Mindestkapitalanforderungen für das Versicherungsgeschäft nicht erfüllt. Pläne zur Beseitigung der Unterdeckung konnten die Aufseher nicht überzeugen.

Lesen Sie auch: Betriebsrenten sind durch Niedrigzins und alte Konzepte gefährdet

Von den rund 135 Pensionskassen in Deutschland befinden sich derzeit zirka 40 unter verschärfter Beobachtung durch die BaFin. Die Niedrigzinsen erschweren es ihnen, ihre meist sehr langfristigen Leistungszusagen für ihre Mitglieder zu finanzieren. Strengere Regeln für die Kapitalanlage haben das Problem noch verschärft, weil sie renditestärkere, aber auch riskantere Anlagen schwieriger machen. Ein großer Teil des Kapitals, mit dem Pensionskassen Rendite erwirtschaften sollen, steckt in wenig einträglichen Zinspapieren.



Die Rente ist sicher – fast immer

In den vergangenen Jahren haben mehrere Pensionskassen infolge der Zinsmisere ihre Leistungen gekürzt, teils mehrfach. Kann eine Pensionskasse ihre Zusagen nicht erfüllen, muss ihr Trägerunternehmen einspringen und Geld nachschießen, damit die Betriebsrenten der Mitarbeiter nicht schrumpfen. Die Rente ist also erst einmal sicher. Ist der Träger allerdings selbst in finanzieller Schieflage oder insolvent, drohen den betriebsrentenberechtigten Mitarbeitern doch noch Kürzungen, schlimmstenfalls sogar Ausfälle.

Um zu vermeiden, dass Betriebsrenten wegbrechen, gibt es ein Sicherheitsnetz. Bei deregulierten Pensionskassen, bei denen es sich meist um Töchter von Lebensversicherern handelt, springt im Notfall Protektor ein, die Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherer. Die meisten regulierten Pensionskassen können neuerdings im Pleitefall unter den Schutzschirm des Pensionssicherungsvereins (PSV) schlüpfen.

Der PSV ist eine Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft zum Schutz der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) bei Insolvenz des Arbeitgebers. Seit dem 1. Januar 2022 ist er auch für Pensionskassen zuständig, wenn ihr Träger pleite und die Betriebsrente in Gefahr ist. Bei Insolvenzen vor diesem Stichtag muss der PSV nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C-168/18) nur dann einspringen, wenn die Betriebsrente um mehr als die Hälfte gekürzt wird oder Rentner unter die Armutsgefährdungsgrenze fallen.

Das Sicherheitsnetz hat allerdings Löcher. So ist die Deutsche Steuerberater-Versicherung zwar eine regulierte Pensionskasse, nämlich ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) unter Aufsicht der BaFin – aber trotzdem keine klassische betriebliche Vorsorgeeinrichtung. Sollte sie im Zuge ihrer Abwicklung Schwierigkeiten bekommen, die noch laufenden Zusagen in Gänze zu erfüllen, können ihre Mitglieder deshalb nicht auf den PSV bauen.

Sicherheit der Renten bei Insolvenz: 90-prozentiger Schutz

Der Sicherungsverein springt nur bei Insolvenz des Arbeitgebers ein – und Steuerberater sind üblicherweise selbstständig. Bei möglichen Finanzproblemen müsste die Steuerberater-Versicherung also in Zukunft wohl Leistungen kürzen, um ihre Verpflichtungen erfüllen zu können. Das hat sie bereits Ende 2019 getan: Damals senkte sie den Garantiezins von vier auf 2,25 Prozent.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Die Steuerberater-Versicherung ist eine der kleineren Pensionskassen. Laut Zahlen der BaFin zahlte sie Ende 2020 für rund 3700 Rentnerinnen und Rentner und hatte knapp 4500 Rentenanwärter. Die Frage ist, ob im laufenden Jahr weitere, womöglich größere Pensionskassen ins Wanken geraten, die ebenfalls durch das Sicherheitsnetz fallen.

Immerhin: Bei der BaFin erwartet man offenbar keine Katastrophen. Er könne weitere Leistungskürzungen zwar nicht ausschließen, rechne aber nicht mit größeren Fällen, sagte Deutschlands oberster Versicherungsaufseher Frank Grund der Presseagentur dpa. Rund 90 Prozent der Verpflichtungen von Pensionskassen seien durch den PSV geschützt.

Mehr zum Thema: Betriebsrente – so bekommen Sie vier Prozent Garantiezins vom Arbeitgeber

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%