Thiele hat sich schon um eine bessere Betriebsrente bemüht, noch bevor die Bundesregierung ihr neues Betriebsrentenkonzept auf den Weg brachte. Die Ziele des Mittelstands und der Politik bei der betrieblichen Altersvorsorge mögen die gleichen sein. Bei der Wahl der Mittel fällt die Betriebsrentenreform aber im Praxistest durch.
Unter dem ursprünglichen Modell der innerbetrieblichen Altersversorgung über eine Lebensversicherung hatten nur zehn Prozent der Thiele-Mitarbeiter einen Vertrag abgeschlossen. Bei einem vom Unternehmen organisierten Workshop mit der Belegschaft stellte sich der Grund für das maue Interesse heraus: Das Konzept war zu sperrig und undurchsichtig. Die Mitarbeiter wollten erstens wissen, wie viel Geld sie am Ende herausbekommen und zweitens bei Bedarf ihre Beiträge jederzeit aussetzen oder ändern können. Das funktionierte unter der Versicherungslösung nicht.
Diese Wunschkriterien der Arbeitnehmer sind einleuchtend, trotzdem war es schwer, einen Anbieter zu finden, der Flexibilität und Transparenz gewährleistet. Die Wahl fiel deshalb schließlich auf eine betriebsinterne Lösung, bei der die teilnehmenden Mitarbeiter auf Teile ihres Entgelts verzichten und dadurch Versorgungsansprüche erwerben.
Das angesparte Geld bleibt im Unternehmen, welches damit wirtschaften und die von Thiele garantierte Verzinsung von immerhin drei Prozent verdienen kann. Da sie ihre Beiträge vollkommen flexibel festlegen und auch mal mit der Zahlung aussetzen können, haben bereits 266 Thiele-Mitarbeiter Verträge abgeschlossen und seit September 2015 insgesamt 500.000 Euro eingezahlt.
Die Flexibilität schützt auch vor einem Zinsschock, wenn die derzeit rekordniedrigen Kapitalmarktrenditen irgendwann wieder normale Niveaus erreichen sollten. Bei steigenden Zinsen könnten Mitarbeiter ihre bestehenden Verträge ruhen lassen und neue Verträge mit höherer garantierter Verzinsung abschließen. Die Änderung von Beiträgen etwa bei vorübergehenden finanziellen Engpässen können Mitarbeiter sehr schnell vornehmen, die Buchhaltung braucht etwa einen Monat, um neue Konditionen bei der Gehaltsabrechnung zu berücksichtigen.
Funktionierende betriebsinterne Konzepte wie bei Thiele jedoch werden durch die Reformpläne der Politik konterkariert. Die Reform stellt Arbeitgeber von der Garantie und Haftung für die spätere Versorgung frei. Und statt an die Unternehmen fließen die Beiträge der Mitarbeiter in firmenexterne Pensionskassen, Fonds oder an Versicherungen. Die kümmern sich dann gegen Gebühr um die Anlage des Vermögens, garantieren aber keine feste Verzinsung mehr. Das Anlagerisiko liegt allein bei den späteren Rentnern.
„Bei der Betriebsrentenreform hat sich die Versicherungslobby durchgesetzt und sich ein großes Stück vom Kuchen der betrieblichen Altersvorsorge gesichert“, kritisiert Delia Imhoff, Kaufmännische Leiterin bei Thiele. „Hätte ich ein solches Konzept unseren 460 Mitarbeitern vorgestellt, wäre ich damit durchgefallen“, sagt die Managerin.