China Gold-Boom in China

Niedrige Zinsen, hohe Inflation, Angst vor dem Immobiliencrash – nirgendwo steigt die Goldnachfrage so schnell wie im Reich der Mitte. Und sie könnte sich aus guten Gründen nochmal verdoppeln.

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Einladende Auslagen Quelle: Getty Images

Pekings größtes Goldkaufhaus liegt an einer belebten Straßenkreuzung im Westen der Hauptstadt. Ein McDonald’s-Restaurant, ein paar einfache Modegeschäfte und ein Handyladen sorgen nicht unbedingt für exklusives Ambiente. Parkwächter in verstaubten Uniformen brüllen Befehle in den drückenden Sommersmog. Doch gegen das Hupkonzert sind sie machtlos. Auf drei Spuren für jede Richtung stauen sich an diesem Freitagnachmittag die Autos.

Drinnen bei Caibai, dem Goldhändler, ist das Gedränge noch dichter. Fünf mehr als 100 Meter lange Reihen aus Vitrinen ziehen sich durch das Erdgeschoss.

Umsätze mit Gold steigen rasant an

Tausende junge und alte Chinesen beugen sich über die Auslagen. Rentner, Schüler, Studenten, Mütter mit Kindern, ganze Familien schieben, schubsen und drücken sich durch den Laden. In den Vitrinen liegen protzige Ringe, Armbänder und Ketten. Kleine Schilder an den Schmuckstücken zeigen jeweils das Gewicht an. Eines der Armbänder wiegt 73,4 Gramm. An den Wänden hängen Anzeigetafeln mit den aktuellen Preisen. Ein Gramm Gold kostet bei Caibai an diesem Nachmittag 370 Yuan, umgerechnet knapp 40 Euro.

Insgesamt elf Geschäfte betreibt das Unternehmen in China – und überall gleichen sich die Szenen: Menschenmassen drängen sich in den Läden, die Umsätze steigen mit hohen zweistelligen Raten. Goldschmuck, Barren und Münzen für insgesamt 7,92 Milliarden Yuan (850 Millionen Euro) hat Caibai im vergangenen Jahr verkauft – im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 60 Prozent. Im Januar hat das Unternehmen Gold für 2,5 Milliarden Yuan (269 Millionen Euro) an den Mann gebracht. Zwischen Januar und Mai kletterte der Umsatz um 75 Prozent.

Goldschmuck ist hoch im Kurs...

China ist nach Indien inzwischen der zweitgrößte Goldmarkt der Welt. Seit der Liberalisierung des heimischen Goldmarktes vor zehn Jahren ist die Nachfrage von 6,6 auf zuletzt 18,7 Millionen Unzen pro Jahr gestiegen; das ist Gold im Wert von umgerechnet 20 Milliarden Euro. Zuvor hatte die chinesische Zentralbank den Daumen auf den Goldmarkt. Handel und Privatbesitz von Gold waren verboten. Vor allem der Goldschmuck steht bei den chinesischen Käufern hoch im Kurs. An der gesamten Nachfrage machte der Schmuck im vergangenen Jahr etwa 64 Prozent aus.

Das Investment in Gold hat bei den Asiaten Tradition: Chinesen auf der ganzen Welt stecken seit Jahrhunderten große Teile ihrer Ersparnisse in den Kauf von Gold. Bei ihnen galt das Edelmetall schon immer als solide, langfristige Anlage. Außerdem bringe das Metall Glück, heißt es. Die Farbe ist die Farbe der Kaiser, glauben die Chinesen. In Indien gilt Gold in allen Formen traditionell als Lebensversicherung für Ehefrauen und dient der Altersvorsorge.

...Aber niemand will Smaragde

Eine Verkäuferin beugt sich Quelle: REUTERS

Sprunghaft angestiegen sind die Goldkäufe in China, aber auch in anderen Schwellenländern, zuletzt vor allem wegen der hohen Inflation, die immer größere Teile der Ersparnisse der Bürger auffrisst. Vor allem die Lebensmittelpreise steigen.

Für zusätzlichen Schub am Goldmarkt sorgen die notorisch niedrigen Einlagezinsen der Banken. Abzüglich der Inflationsrate verliert, wer sein Kapital auf die Bank bringt, real Geld. Möglichkeiten zur Geldanlage im Ausland gibt es für Chinesen kaum. In letzter Zeit ermuntert die chinesische Regierung die Bevölkerung ausdrücklich dazu, Gold zu kaufen – um den überhitzten Immobilienmarkt abzukühlen.

Wer bei Caibai Goldbarren oder Münzen kaufen will, muss mit der Rolltreppe in den vierten Stock fahren. Auf der linken Seite des lang gezogenen Raums stehen die Auslagen mit Edelsteinen: Rubine, Smaragde, Opale und Diamanten. Doch die Verkäuferinnen in ihren schicken rosa-transparenten Blusen und grauen Miniröcken langweilen sich: Nicht ein einziger Kunde verirrt sich in die Gänge zwischen den Vitrinen.

Anders bei den Goldauslagen auf der gegenüberliegenden Seite des Raums. Barren zu 50, 100, 500 und 1000 Gramm liegen dort in den Vitrinen. Vor einem der Glasschränke stehen zwei junge Männer, daneben eine Mutter mit ihrem Kind und ganz rechts ein Rentnerpaar. Der alte Mann trägt Turnschuhe, das weiße Kurzarmhemd aufgeknöpft über der Hose. In der Brusttasche steckt eine Packung Zhonghua-Zigaretten. Die obere Zahnreihe fehlt dem Mann bereits, unten bleiben ihm noch zwei Zähne. „Der Preis ist gar nicht so wichtig“, murmelt der Alte, während eine Verkäuferin für ihn einen 1000-Gramm-Barren aus dem Plastiktütchen fingert und auf die Theke legt. Die beiden Enkel des Paares werden in der kommende Woche 100 Tage alt, in China ein wichtiges Datum. Sie sollen als Geschenk Gold bekommen. „Das ist immer noch das Beste“, sagt der Alte und wiegt den gut zehn Zentimeter langen Barren liebevoll in seiner Hand.

Goldfonds kommen

Realzins nach Ländern (Einlagenzins nach Abzug der Inflationsrate)

Das World Gold Council (WGC), die Lobbyorganisation der Goldproduzenten, schätzt, dass allein im ersten Quartal 2011 die chinesische Investmentnachfrage nach Münzen und Barren auf 2,93 Millionen Unzen im Wert von 3,2 Milliarden Euro gestiegen ist. In den kommenden zehn Jahren könne sich die Goldnachfrage in China noch einmal verdoppeln, so das WGC.

Seit Jahresbeginn können chinesische Investoren zudem über die Investmentfirma Lion Fund Management in ausländische, mit physischen Gold besicherte Goldfonds (ETFs) investieren. Der Lion Global Gold Fund sammelte binnen weniger Monate umgerechnet eine Milliarde Dollar Anlegergelder ein. Das maximale Anlagevolumen wurde gerade zum zweiten Mal auf jetzt zwei Milliarden Dollar aufgestockt, was zum aktuellen Marktwert 1,3 Millionen Unzen entspricht. Wegen des wachsenden Anlegerinteresses hat die chinesische Finanzmarktaufsicht nun auch der China Universal Asset Management die Auflage eines Fonds erlaubt, der ebenfalls in ausländische, mit physischem Gold hinterlegte ETFs investieren darf.

Die Shanghai Gold Exchange prüft aktuell die Auflage des ersten inländischen Gold-ETF. Etwas ganz Besonderes hat sich die Industrial and Commercial Bank of China ausgedacht. Sie bietet seit vergangenem Dezember Sparkonten auf der Grundlage von physischem Gold an. Weit mehr als eine Million Kunden haben bereits ein Konto eröffnet. Die Bank lagert im Namen ihrer Investoren bereits knapp 400.000 Unzen Gold ein.

Gold gegen Immobilien

Im Westen Pekings taucht die Nachmittagssonne das Caibai-Goldkaufkaus in rötliches Licht, allmählich lässt der Andrang nach. Vor dem Laden, zwischen hupenden Autos und Straßenkehrern, steht Song Jiping – unentschlossen. Er kommt häufig zu Caibai. Ein bisschen Gold gekauft hat der Regierungsbeamte schon. In letzter Zeit beobachtet Song aber nur die Preise. Vielleicht sollte er mit seinem Ersparten doch wieder eine Wohnung in Peking kaufen, überlegt er. Ein Apartment hat er schon. „Die Immobilienpreise in China werden nicht fallen“, glaubt Song. Der Goldpreis vermutlich aber auch nicht.

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