Chinas Wirtschaft Das neue Boomland für Versicherer

Wachstumsmarkt Volksrepublik China: Das Reich der Mitte bescherte der Autoindustrie und dem produzierendem Gewerbe lange Jahre eine Art Sonderkonjunktur. In einer zweiten Stufe wollen jetzt die Versicherer durchstarten.

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Die Allianz hatte bekannt gegeben, mit der britischen Bank Standard Chartered ein Bündnis im Bereich Sachversicherungen für den asiatischen Markt zu schließen. Quelle: dpa

Frankfurt Es war eine weltweite Sonderkonjunktur gigantischen Ausmaßes. Um 11,3 Prozent ist Chinas Wirtschaft zwischen 2006 und 2010 im Schnitt pro Jahr gewachsen. Das gesamte produzierende Gewerbe – vor allem die Autoindustrie – erlebte ein gigantisches Wachstum. Nicht mehr die USA, sondern China war plötzlich der größte Automarkt der Welt.

In den Jahren von 2010 bis 2015 ist dann Chinas Wirtschaft im Schnitt nur noch um 7,9 Prozent gewachsen. 2016 stieg Chinas Bruttoinlandsprodukt inflationsbereinigt noch um 6,7 Prozent, wie am Freitag bekannt wurde. Bis 2020 soll es gar noch weiter nach unten gehen. Mit realen BIP-Wachstumsraten von 5,5 Prozent rechnen die Experten der Munich Re bis dahin im Reich der Mitte. „Das ist definitiv eine normale Entwicklung, wir sind weit entfernt von einem hard landing“, beschwichtigt dennoch Michael Menhart, Chefvolkswirt des weltgrößten Rückversicherers.

Das liegt vor allem am nachlassenden Produktivitätswachstum dort. Bis 2010 kam das Wachstum etwa zu gleichen Teilen aus Investitionen in den Kapitalstock und einer Verbesserung der Produktivität. Hier fehlt jedoch schon seit einiger Zeit die Dynamik. „Angesichts der stagnierenden Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter wäre vielmehr eine stärkere Produktivitätsdynamik nötig, um das Wachstum zu beleben“, fordert Menhart. Im Vergleich zu den USA liegt die Produktivität nur noch bei 20 Prozent des dortigen Niveaus. Gerade darin sieht Meinhard auch die Chance zum Aufholen.

Ganz anders stellt sich die Situation jedoch für die Versicherer dar. Für sie beginnen die rosigen Zeiten dort gerade erst. Ein inflationsbereinigtes Wachstum von 12 Prozent erwarten die Experten für die kommenden Jahre. Es läge damit doppelt so hoch wie das Gesamtwachstum im Land. Der Hauptgrund dafür besteht in der noch immer geringen Durchdringung des Landes mit Versicherungsprodukten. Nur 4,2 Prozent betrug das Prämienvolumen im vergangenen Jahr im Verhältnis zum BIP, schätzen die Experten. Der weltweite Durchschnitt lag indes bei 6,2 Prozent.


Neue Chancen im Reich der Mitte

Dass hier Nachholbedarf besteht, hat auch die politische Führung des Landes längst bemerkt. Eine Marktdurchdringung von fünf Prozent sieht der 13. Fünfjahresplan der Regierung vor, der im abgelaufenen Jahr veröffentlicht wurde. Die Lage stellt sich für die Versicherer dabei durchaus anders dar als in etablierten Märkten. Zum einen haben die Menschen in Ländern mit rasch wachsendem Wohlstand in einem weiteren Entwicklungsschritt das Bedürfnis nach entsprechender Absicherung.

Gleichzeitig sind die Geschäftsmodelle der Versicherer dort noch nicht so etabliert, so dass gerade durch die Digitalisierung neue Vertriebskanäle und Geschäftsmodelle entstehen. Auch in der Produktentwicklung und der Schadensabwicklung entstehen neue Chancen. Insofern sind Länder wie China auch ideale Versuchslabors für die Versicherer, können sie doch dort viel mehr ausprobieren als in den reifen Märkten.

Wobei hier gerade der Lebensversicherung besondere Bedeutung zukommt. Bei ihr ist das Prämienvolumen gut anderthalbfach so groß wie bei der Schaden-/Unfall- und der Krankenversicherung zusammen. Allerdings nimmt auch im Reich der Mitte das Thema Altersvorsorge eine stetig steigende Bedeutung ein. Die zunehmende Verstädterung und der damit einhergehende Abschied von der ländlichen Großfamilie spielen dabei eine erhebliche Rolle.

Dabei trifft es sich für die Versicherer natürlich gut, dass die Sparquote der Chinesen bei rund 50 Prozent liegt. Zum Vergleich: In den USA beträgt sie nur 18 Prozent. „Das ist wahnsinnig hoch, deswegen muss es auch ein Anliegen der chinesischen Regierung sein, den Konsum zu stärken“, fordert Menhart.

Die großen Versicherer haben die Chancen, die China bietet, längst erkannt. Erst am Donnerstag hatte die Allianz bekannt gegeben, mit der britischen Bank Standard Chartered ein Bündnis im Bereich Sachversicherungen für den asiatischen Markt zu schließen. In den nächsten 15 Jahren werden die Produkte der Münchener in deren Filialen in China, Hongkong, Indonesien, Malaysia und Singapur verkauft. Einen Anstieg der Nachfrage nach Sachversicherungen um 10,8 Prozent erwartet die Allianz in den kommenden vier Jahren in Asien.

Ein großes Fragezeichen gibt es indes. Sollte es durch die hohe Verschuldung im Land zu einer Finanzkrise kommen, dann dürfte es laut den Experten der Munich Re nur zu einer Verschiebung der Entwicklung um einige Jahre kommen. Die langfristig erwartete positive Gesamtentwicklung dagegen bleibt.

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