Daniel Stelter „Die Italiener sind noch reicher als die Schweizer – es wäre gut, sie würden einen Eigenanteil bringen“

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„Der Corona-Schock wirkt massiv deflationär“

Braucht es da nicht eine Neuordnung, was Notenbankpolitik im Zusammenspiel mit den Staaten betrifft?
Die bekommen wir garantiert und das zeichnete sich schon vor Corona ab. Im Zweiten Weltkrieg und den Jahren danach war eine sehr enge Kooperation zwischen Staaten und Notenbanken üblich. Sowohl Großbritannien wie auch die USA haben so den Krieg finanziert und danach über lange Zeit die Zinsen deutlich unter die nominale Wachstumsrate der Wirtschaft gedrückt. Heute haben wir – glücklicherweise ohne Krieg – ähnlich hohe Schuldenstände wie damals. Diese so abzutragen, wie wir Deutschen uns das vorstellen durch höhere Steuern und eine Politik der schwarzen Null, ist völlig illusorisch. Eine Gesellschaft hält das nur aus, wenn die Wirtschaft deutlich wächst und Handelsüberschüsse erzielt. Das ist aber in den kommenden Jahren nicht leicht zu erzielen und per Definition können nicht alle Länder der Welt Handelsüberschüsse erzielen. Deshalb bleibt kein anderes Szenario: Die Notenbanken werden in unvorstellbarem Umfang Schulden der Staaten auf die Bilanz nehmen und letztlich zins- und tilgungsfrei erklären. Monetarisierung nennt man das. Das Dümmste, was Deutschland machen kann, ist, hier Geisterfahrer zu spielen. Wenn wir sparen und Steuern erhöhen, Vermögensabgaben und Lastenausgleiche beschließen, senken wir den hiesigen Wohlstand, während wir mit Partnern in einem Boot sitzen, die schon bisher die Notenbank aggressiv genutzt haben. Sowohl Irland wie auch Spanien haben durch ihre Notenbanken die Sanierung der eigenen Banken finanziert. Die so geschaffenen Euro gelten auch bei uns. Auch jetzt denken sie in diese Richtung wie der spanische Vorschlag ewiger Anleihen zur Finanzierung des „Wiederaufbaufonds“ zeigt. Am Ende landen auch die bei der EZB.

Was schlagen Sie vor?
Besser wäre es, wir würden aktiv vorangehen und vorschlagen, die Schulden aller Staaten, also auch die deutschen, bis zu einem bestimmten Anteil vom jeweiligen Bruttoinlandsprodukt in einem gemeinsamen Entschuldungsfonds zu bündeln, den dann die EZB finanziert. Zins- und tilgungsfrei. Das hätte den Vorteil, dass auch wir Schulden abbauen können, und dass es kein Blankoscheck ist, sondern ein einmaliger Betrag. Ich weiß, dass viele Leser an dieser Stelle den Kopf schütteln und sagen, dass kann man doch nicht machen! Doch, und es wird kommen. Das Schlimmste was wir machen können – hier wiederhole ich mich – ist nicht mitzumachen.

von Christof Schürmann, Frank Doll

Ganz sicher werden ja die Schulden von Staaten, Unternehmen und vermutlich auch Konsumenten weiter steigen. Wirkt die Geldschwemme nicht deflationär, weil Preisüberwälzungen in einer festgefrorenen Wirtschaft kaum drin sind?
Der Corona-Schock wirkt massiv deflationär. Die hohe Verschuldung wirkt stark deflationär. Die Zombifizierung der Wirtschaft, die wir seit Jahren mit dem immer billigeren Geld befördern, wirkt ebenfalls deflationär. Deshalb führt die aktuelle Politik auch nicht zur Inflation. Die Krisenbekämpfung in der Welt versucht, einen deflationären Kollaps abzuwenden. Aber die große Frage ist, was kommt danach?

Von Inflation war viel die Rede in den vergangenen 20 Jahren, gekommen ist sie in den entwickelten Industrieländern aber nie. Warum sollte das diesmal anders sein?
Zunächst droht keine Inflation. Aber die Welt ändert sich: Wir bekommen eine Abkehr von der Globalisierung, damit steigen die Kosten. Wir bekommen vermutlich noch mehr Protektionismus, damit steigen die Kosten. Wir bekommen mehr staatliche Interventionen – siehe die Überlegungen des französischen Präsidenten Macron zur Zukunft der europäischen Wirtschaft –, damit steigen die Kosten. Hinzu kommt der einsetzende demografische Wandel, der ebenfalls zu steigenden Löhnen führt. All dies spricht zunächst für Kostendruck, der sicherlich nicht leicht über die Preise weiterzugeben ist. Die Margen der Unternehmen kommen also unter Druck. Nur wird es nicht zu einer deutlichen Belebung der Wirtschaft kommen. Deshalb redet die Politik ja bereits von „Wiederaufbaufonds“, obwohl es gar nicht zu einer Zerstörung von physischem Kapital gekommen ist. Vermutlich wird der Fokus auf der Bekämpfung des Klimawandels liegen. Da dies mit einer Entwertung vorhandenen Vermögens einhergeht – Ölheizung, Autos mit Verbrennungsmotor, etc. werden verboten – und damit zu echter Zusatznachfrage führt, ist es absehbar, dass es zu einer Rückkehr der Inflation kommt. Geringere Angebotskapazität und höhere Nachfrage werden es bewirken.

Was würden Sie Anlegern raten? Inflation ist für Anleihen sehr schlecht, für Aktien schlecht, für Immobilien und Gold könnte sie gut sein.
Kurzfristig denke ich, dass uns noch deutliche Rückgänge an den Börsen bevorstehen. Nur dank des billigen Geldes haben die Märkte sich erholt, aber man muss schon sehr optimistisch sein, wenn man davon ausgeht, dass billiges Geld allein genügt, während die Gewinne kollabieren und sich wohl lange nicht mehr auf das Vor-Krisen-Niveau erholen werden. Anleihen können auf kurz und mittlere Sicht eine gewisse Sicherheit bieten, solange der Schuldner solide ist. Gold gehört so oder so in jedes Portfolio. Mit Blick auf zehn Jahre würde ich trotz der Risiken an einem global diversifizierten Portfolio aus Liquidität, Aktien, Gold und Immobilien festhalten. Dies lässt sich über Fonds abbilden. Wichtig ist mir die globale Streuung, da ich davon ausgehe, dass die deutsche Politik – allen Mahnungen zum Trotz – der Versuchung nicht widerstehen wird, Vermögen hierzulande höher zu belasten. Im Kern läuft das auf eine Sondersteuer für Immobilien hinaus, da Unternehmen ausgenommen sind und die Immobilien die größte andere Vermögensposition darstellen. Das spricht gegen Immobilien in Deutschland. Hinzu kommt noch die ausgesprochen schlechte demografische Entwicklung.

Wenn man sich die Gesamtwohlstandsperspektive aus Lohn- und Vermögenseinkommen angesichts des abzutragenden Schuldenbergs anschaut, wird Ihnen dann für die jüngeren Generationen nicht Angst und Bange?
Das hängt davon ab, welchen Kurs Deutschland jetzt einschlägt. Spielen wir Geisterfahrer und setzen auf höhere Steuern und Abgaben und weitere Kürzungen bei Investitionen im eigenen Land während wir anderen im Rahmen der europäischen Solidarität helfen, sehe ich schwarz für unser Land. Machen wir hingegen mit und nutzen den finanziellen Spielraum, um endlich mehr im Land zu investieren – Bildung, Infrastruktur, Innovation – dann könnte die Coronakrise eine enorme Chance für unser Land sein. Dann hätte die nächste Generation auch in Deutschland eine gute Perspektive.

Bliebe eine gute Ausbildung als beste Investition?
Immer.


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