
Der Mann ist Sauerländer, und die sind nicht gerade für südländische Wutausbrüche berüchtigt. Doch die Allianz, die habe ihn „bis aufs Blut gereizt“, sagt Hans Berges. Auslöser war die Schlussabrechnung seiner Lebensversicherung, in die er 21 Jahre eingezahlt hatte – völlig undurchsichtig fand er diese, und mehr Geld als die angekündigten 28.025 Euro hatte er ohnehin erwartet.
Andere hätten das alles womöglich schulterzuckend hingenommen. Berges nicht. Er vertiefte sich ins Kleingedruckte des Vertrags, ackerte sich durch Geschäftsberichte und alte Bescheide der Allianz, versuchte, die vielen Einzelposten seiner Abrechnung zu entschlüsseln. Unter dem Strich stand am Ende, dass er 656 Euro zu wenig bekommen hätte – 2,3 Prozent der Auszahlungssumme, nicht viel. Doch ihm gehe es weniger um das Geld als ums Prinzip, sagt Berges, der früher bereits von der HDI Lebensversicherung rund 1140 Euro Nachzahlung ertrotzt hatte. Mit Unterstützung der Verbraucherzentrale Hamburg und des Bunds der Versicherten verklagte er die Allianz auf Nachzahlung. Sie habe nicht gesetzeskonform gerechnet, sagt er.





Versicherer legen das Geld ihrer Kunden an den Finanzmärkten an. Gewinne und Zinsen gehören zum Großteil den Kunden. Über deren Verteilung aber gibt es immer wieder Streit. Im Lauf des Verfahrens zwischen Berges und seinem Versicherer kam heraus, dass die Allianz Kunden zwar – wie vorgeschrieben – an entstandenen, aber noch nicht realisierten Kursgewinnen beteiligt, dafür aber andere, erst zum Vertragsende auszuzahlende Überschüsse kürzt. Das hatten sich Kunden wie Berges anders vorgestellt. Diese Praxis sei „rechtlich möglich“, sagt Felix Hufeld, Versicherungs-Chefaufseher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Undurchsichtige Berechnung
Bei Prozessen wie dem zwischen Berges und der Allianz müssen Versicherer Zahlen auf den Tisch legen. In der Regel aber behalten sie für sich, in welchen Töpfen das Geld der Kunden landet, was jeder Topf zur Auszahlung beiträgt und welche Spielräume sie bei Reserven und Überschüssen nutzen. Undurchsichtigkeit scheint Methode bei dem Vorsorgeprodukt, das rein statistisch jeder Deutsche, vom Kleinkind bis zum Greis, abgeschlossen hat – 87 Millionen Policen gibt es hierzulande.
Immer weniger vertrauen der Lebensversicherung. Ein Grund: Nach 20 Jahren bekommen Versicherte zum Vertragsende rund 30 Prozent weniger ausgezahlt als noch vor zehn Jahren. Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Versicherer rüsten sich bereits für weitere Einschnitte. Aktuell bekommen Neukunden nur noch 1,75 Prozent Zins garantiert – aber nicht auf alles, was sie eingezahlt haben, sondern nur auf den sogenannten Sparanteil, der nach Abzug der Kosten des Versicherers übrig bleibt. Je nach Vertrag und Anbieter liegt der zwischen 60 und 80 Prozent der eingezahlten Beiträge. Im kommenden Jahr soll der Garantiezins auf 1,25 Prozent fallen, so steht es im geplanten Lebensversicherungsreformgesetz, das noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll.