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Der große Policen-Check Soll ich meine Lebensversicherung jetzt kündigen?

Schon bald soll es von den Lebensversicherungen bei Vertragsende oder Kündigung noch weniger Geld geben als heute. Zeit für einen Vertrags-Check: Abschließen? Halten? Kündigen? Wir zeigen, was am meisten bringt.

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Ist es besser, einen Lebensversicherung abzuschließen, zu halten oder vorzeitig zu kündigen? Unser Vertrags-Check gibt Antwort. Quelle: imago / eyevisto

Der Mann ist Sauerländer, und die sind nicht gerade für südländische Wutausbrüche berüchtigt. Doch die Allianz, die habe ihn „bis aufs Blut gereizt“, sagt Hans Berges. Auslöser war die Schlussabrechnung seiner Lebensversicherung, in die er 21 Jahre eingezahlt hatte – völlig undurchsichtig fand er diese, und mehr Geld als die angekündigten 28.025 Euro hatte er ohnehin erwartet.

Andere hätten das alles womöglich schulterzuckend hingenommen. Berges nicht. Er vertiefte sich ins Kleingedruckte des Vertrags, ackerte sich durch Geschäftsberichte und alte Bescheide der Allianz, versuchte, die vielen Einzelposten seiner Abrechnung zu entschlüsseln. Unter dem Strich stand am Ende, dass er 656 Euro zu wenig bekommen hätte – 2,3 Prozent der Auszahlungssumme, nicht viel. Doch ihm gehe es weniger um das Geld als ums Prinzip, sagt Berges, der früher bereits von der HDI Lebensversicherung rund 1140 Euro Nachzahlung ertrotzt hatte. Mit Unterstützung der Verbraucherzentrale Hamburg und des Bunds der Versicherten verklagte er die Allianz auf Nachzahlung. Sie habe nicht gesetzeskonform gerechnet, sagt er.

Dafür verprassen Deutsche ihre Lebensversicherung
Platz 10: Hobbys (1,7 Prozent)Rund 40 Milliarden Euro zahlen deutsche Versicherer jährlich für auslaufende Lebensversicherungen aus. Das stecken nur 1,7 Prozent der Empfänger in ihre eigenen Hobbys. Die Zahlen stammen von der Gothaer Versicherung. Diese hat die Gesellschaft für Konsumforschung GfK beauftragt, über 1.000 Deutsche zu ihren "Zahltag-Wünschen" zu befragen, wenn die Lebensversicherung fällig ist. Quelle: dpa
Platz 9: Zweit-Wohnsitz im Ausland (2,7 Prozent)Ein Domizil an der Sonne gilt als klassische Ausgabe für Senioren. Dabei wollen nur 2,7 Prozent der Befragten ihre Lebensversicherung für eine Immobilie auf Mallorca und Co. verprassen. Quelle: dpa
Platz 8: Erfüllung von Kauf-Wünschen (3 Prozent)Deutschlands Senioren geben sich bescheiden. Auch dem Klischee des Rentners, der sich endlich ein Cabrio leisten kann, wollen sie nicht folgen. Nur drei Prozent wollen sich solche teuren Wünsche erfüllen, wenn die Lebensversicherung fällig ist. Quelle: dpa
Platz 7: Wohnung oder Haus kaufen (7,7 Prozent)Deutlich mehr Befragte wollen im Alter eine Immobilie kaufen: 7,7 Prozent planen ihre Lebensversicherung dafür einzusetzen. Die Rekord-Preise zahlreicher Immobilien in München, Düsseldorf oder Frankfurt können sich ohnehin nur noch junge Glücksritter oder eben "Best-Ager" leisten. Der Deutschen Bank zufolge stiegen die Immobilienpreise in Großstädten seit 2008 jährlich um sieben Prozent. Quelle: dpa
Platz 6: Anlage für Kinder oder Enkelkinder (9,3 Prozent)Viele Deutsche geben sich bei der Lebensversicherung uneigennützig: 9,3 Prozent nutzen die Auszahlung, um sie wieder für ihre Kinder oder Enkelkinder anzulegen. Quelle: obs
Platz 5: Renovierungen (10,7 Prozent)Im Alter haben sich viele Deutsche oft schon Haus und Grund zugelegt - und bringen mit ihrer Lebensversicherung Haus und Wohnung wieder in Schuss. 10,7 Prozent der Befragten haben Renovierungen als "Zahltag-Wunsch" angegeben. Quelle: dpa
Platz 4: Weitersparen (11,8 Prozent)Kaum ist das ersparte Geld da, soll es wieder reinvestiert werden: 11,8 Prozent wollen nach der Auszahlung ihrer Lebensversicherung weiter sparen. Quelle: dpa

Versicherer legen das Geld ihrer Kunden an den Finanzmärkten an. Gewinne und Zinsen gehören zum Großteil den Kunden. Über deren Verteilung aber gibt es immer wieder Streit. Im Lauf des Verfahrens zwischen Berges und seinem Versicherer kam heraus, dass die Allianz Kunden zwar – wie vorgeschrieben – an entstandenen, aber noch nicht realisierten Kursgewinnen beteiligt, dafür aber andere, erst zum Vertragsende auszuzahlende Überschüsse kürzt. Das hatten sich Kunden wie Berges anders vorgestellt. Diese Praxis sei „rechtlich möglich“, sagt Felix Hufeld, Versicherungs-Chefaufseher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Undurchsichtige Berechnung

Bei Prozessen wie dem zwischen Berges und der Allianz müssen Versicherer Zahlen auf den Tisch legen. In der Regel aber behalten sie für sich, in welchen Töpfen das Geld der Kunden landet, was jeder Topf zur Auszahlung beiträgt und welche Spielräume sie bei Reserven und Überschüssen nutzen. Undurchsichtigkeit scheint Methode bei dem Vorsorgeprodukt, das rein statistisch jeder Deutsche, vom Kleinkind bis zum Greis, abgeschlossen hat – 87 Millionen Policen gibt es hierzulande.

Immer weniger vertrauen der Lebensversicherung. Ein Grund: Nach 20 Jahren bekommen Versicherte zum Vertragsende rund 30 Prozent weniger ausgezahlt als noch vor zehn Jahren. Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Versicherer rüsten sich bereits für weitere Einschnitte. Aktuell bekommen Neukunden nur noch 1,75 Prozent Zins garantiert – aber nicht auf alles, was sie eingezahlt haben, sondern nur auf den sogenannten Sparanteil, der nach Abzug der Kosten des Versicherers übrig bleibt. Je nach Vertrag und Anbieter liegt der zwischen 60 und 80 Prozent der eingezahlten Beiträge. Im kommenden Jahr soll der Garantiezins auf 1,25 Prozent fallen, so steht es im geplanten Lebensversicherungsreformgesetz, das noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll.

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