
"Es gibt wenig Grund zur Selbstzufriedenheit", sagte der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurria, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Deutschlandberichts. "Deutschland sieht sich etlichen Herausforderungen gegenüber."
Die OECD rät etwa zur Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters - über die bereits beschlossene Rente mit 67 hinaus. Ohne weitere Reformen würden die Rentenausgaben bis 2060 um mindestens 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zulegen, was die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beeinträchtigen würde.
"Durch eine Koppelung des Rentenalters an die Entwicklung der Lebenserwartung könnte die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gestärkt werden", schlägt die OECD angesichts der stetig steigenden Lebenserwartung vor.
Auch im Steuerrecht sieht sie Änderungsbedarf. "Die Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit ist in Deutschland höher als in vielen anderen OECD-Volkswirtschaften." Die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und Pflege würden großenteils aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert, die auf Erwerbseinkommen erhoben werden.
"Und diese Ausgaben werden im Zuge der Bevölkerungsalterung und des technischen Fortschritts in der Gesundheitsversorgung steigen", warnt die OECD. Sie schlägt deshalb beispielsweise vor, Immobilien stärker zu besteuern. Das sollte über aktualisierte Wertansätze für die Grundsteuer erfolgen, schließlich hätten viele Immobilien durch den jahrelangen Boom merklich an Wert gewonnen.
Die OECD fordert auch einen Ausbau der Kinderbetreuung. "In Deutschland besteht ein großes Verdienstgefälle zwischen den Geschlechtern, vor allem weil viele Frauen in Teilzeit arbeiten", stellt sie fest. "Das fehlende Angebot an Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten und Ganztagsschulen für kleinere Kinder begrenzt die Beschäftigungschancen vieler Frauen." Zwar werde schon mehr investiert. "Allerdings reicht das Angebot an Kinderbetreuung, frühkindlicher Bildung und Ganztagsgrundschulen noch immer nicht aus, um den Bedarf zu decken."





Angesichts der mauen Weltkonjunktur traut die OECD der deutschen Wirtschaft vorerst keine großen Sprünge zu. Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 1,4 und im kommenden um 1,5 Prozent wachsen, bekräftigte sie ihre Februar-Prognosen. 2015 hatte es noch zu einem Plus von 1,7 Prozent gereicht. "Das Wirtschaftswachstum ist verhalten."
Die Probleme großer Schwellenländer wie China laste auf den Exporten. Das schlage auf die Planung der Firmen durch: "Die Erholung der Unternehmensinvestitionen verläuft schleppend." Garant des Aufschwungs bleibe der Konsum, der von einem starken realen Lohnwachstum getragen werde