
Auch unter dem neuem Namen Ergo Direkt bleibt es beim alten Ritual: Vorstandschef Peter Endres und seine Kollegen zählen Monat für Monat die Trostpflaster, die sie an Kunden verteilen, bei denen die Schadensregulierung länger als versprochen dauert – in Form von verteilten 50-Euro-Scheinen. Denn einen Fünfziger erhält jeder, der länger als zehn Tage auf die Hilfe der Versicherung warten muss. Bislang, unter dem alten Unternehmensnamen KarstadtQuelle, musste Endres im Monatsschnitt etwa zehn Kunden besänftigen.
Ende 2010 könnte Endres allerdings noch viel mehr Geld abschreiben müssen. Die Ergo-Tochter muss nicht um 50-Euro-Scheine, sondern um ihre Kunden fürchten. Der Wechsel zum Namen des Mutterkonzerns Ergo – nötig geworden durch die Pleite des Karstadt-Konzerns – ist für das Unternehmen, das seine Policen ausschließlich via Internet, Post und Telefon verkauft, ein Marketing-GAU. „Wir werden drei bis fünf Jahre benötigen, um wieder als Direktversicherer bekannt zu sein wie die Marke KarstadtQuelle“, beschreibt Endres die Durststrecke.
Nach langem Zögern setzt noch ein weiterer Branchenriese auf den Trend zum konzernweiten Einheitslogo. Zurich kündigt gegenüber der WirtschaftsWoche an, die Tochter DA Direkt – die Nummer sieben auf dem deutschen Markt – im Spätsommer in Zurich Connect umzubenennen „Die Einmarkenstrategie ist für uns der zukunftsweisende Weg“, betont das Bonner Unternehmen.
Auch Marktführer Allianz taufte seine Online-Tochter im vergangenen Herbst für teures Geld um, aber die Münchner machen es genau andersherum: Aus Allianz24 wurde Allsecur.
Wofür der ganze Zauber?
Es geht um Marktanteile im boomenden Online-Geschäft. Bislang gewinnen die Direktversicherer erst sechs Prozent ihrer Kunden via Netz. Doch dank zunehmender Internet-Nutzung dürften das deutlich mehr werden. 40 Prozent aller Abschluss-Interessenten informieren sich vorab online oder vergleichen die Preise. Die erfolgreichen Direktversicherer schaffen oft zweistellige Wachstumsraten. Die Führungskräfte der Branche halten Online-Angebote für strategisch bedeutend.
Das entzückt aber längst nicht alle Mitarbeiter: Das Online-Geschäft gräbt den alteingesessenen Vertriebsleuten das Wasser ab. „Eine Strategie, bei der die gleichen Produkte im Internet günstiger verkauft werden, ist Gift für das Verhältnis des Versicherers zu den Vertretern“, warnt Felix Stöckle, Geschäftsführer der Markenberatung Landor Associates in Hamburg. Der Unmut wird immer lauter. Die Allianz kann inzwischen als warnendes Beispiel für die Branche gelten.
Tatsächlich erkaufen sich die Konzerne ihr Online-Wachstum mit einem Preiskampf zulasten der eigenen Außendienstmannschaft – vor allem bei der wechselfreudigen Kundschaft der Autoversicherer. Zumal die Versicherungsbedingungen in dieser Sparte weit weniger variieren als bei Sach- oder gar Krankenversicherungen. Die Vertreter schlagen deshalb Kannibalisierungs-Alarm: Sie fürchten die oft quersubventionierte hauseigene Billig-Konkurrenz im Netz, die sich bei der eigenen Stammklientel bedient.