Einige Krankenkassen fördern Fitness-Tracker "Bundesversicherungsamt sollte werbeträchtige Leistungen verbieten"

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Aussagekraft der Daten fragwürdig

Trotz der Zweifel stellen sich nun einige Verbraucher die Frage, ob sie ihre Kasse wechseln sollten, um die finanziellen Vorteile bei der Konkurrenz auszunutzen. Zu Sinn und Unsinn der Maßnahmen hat WirtschaftsWoche Online den Sport- und Ernährungsexperten Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, befragt:

WirtschaftsWoche Online: Herr Froböse, die Krankenkassen wollen ihre Versicherten zu gesünderen Menschen erziehen, in dem sie Fitness-Tools wie die Apple Watch bezuschussen. Ist das der richtige Weg?

Ingo Froböse: Nein. Es ist zwar gut, wenn die Kassen ihre Mitglieder für einen gesünderen Lebensstil sensibilisieren. Viele Menschen legen mittlerweile mehr Wert auf gesunde Ernährung und Sport, das ist spürbar. Grundsätzlich ist ein Anreizsystem schon positiv - eine Kasse sollte nicht erst zahlen, wenn der Versicherte bereits krank ist.

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Aber?

Das Problem an den Zuschüssen zu den Fitness-Datensammlern ist, dass wir bisher noch gar nicht wissen, welche Daten überhaupt relevant sind. Sammeln die Fitness-Trainer fürs Handgelenk die wichtigen Daten? Für die Antwort auf diese Frage fehlt bisher die wissenschaftliche Basis. Deswegen ist es für eine solche finanzielle Förderung der Fitness-Tracker durch die Krankenkassen in Deutschland viel zu früh.

Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, im Interview mit WirtschaftsWoche online. Quelle: Monika Sandel

Was stimmt nicht mit den Daten?

Nur, weil etwas messbar ist, sagt das nichts über die Wertigkeit der Daten aus. Noch wissen wir zu wenig über die Aussagekraft vieler Daten im Bereich der persönlichen Fitness. Dabei meine ich weniger die Klassiker wie Herzfrequenz oder die Anzahl der pro Tag gelaufenen Schritte. Aber ob jeder Freizeitläufer auf jedem gelaufenen Kilometer seine Körpertemperatur kennen sollte, oder die Sauerstoffsättigung seines Blutes, das ist schon zu hinterfragen. Die Werte eines Einzelnen sind aufgrund der individuellen Unterschiede sowieso nur bedingt aussagefähig.

Das heißt, die Zuschüsse der Kassen sind am Ende rausgeschmissenes Geld, welches den Versicherungen möglicherweise an anderer Stelle fehlt?

Die Kassen finanzieren da etwas, von dem sie am Ende vermutlich nichts haben. Zumal die Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs gegeben ist. Keiner kann genau nachprüfen, wer mit dem Schrittzähler unterwegs war. Und was passiert mit Fällen, in denen die Versicherten zwar viel laufen, und dadurch tolle Herzwerte haben, deren Knie oder Fußgelenke dafür aber nach einiger Zeit kaputt sind? Es ist daher nicht gesagt, dass Versicherungen auf diese Weise Kosten sparen. Ich würde dem Bundesversicherungsamt empfehlen, solche werbeträchtigen Leistungen zu untersagen.

Fitnesstracker und Handyersatz: Was Smartwatches können

Für mich als Versicherten klingt das Angebot, einen Zuschuss zu Gadgets wie der Apple Watch zu bekommen, aber auf den ersten Blick schon sehr attraktiv.

Das stimmt. Aber ich würde niemandem raten, deshalb die Versicherung zu wechseln. Die Anbieter eifern damit dem Lifestyle-Trend der Selbstoptimierer und Datensammler hinterher, das ist reines Marketing und sagt nichts über die Qualität der Kasse aus.

Gibt es andere Maßnahmen der Kassen, die sinnvoller wären?

Die Versicherungen sollten eher an der gesundheitlichen Bildung ihrer Mitglieder arbeiten. Damit meine ich nicht einfache Hinweise wie die Aussage: "Sie müssten sich mehr bewegen". Das allein hat kaum Informationsgehalt. Es geht vielmehr darum, die gesundheitliche Kompetenz in Deutschland zu stärken. Langfristig ist der Bonus für die Versicherten dann deutlich höher, als wenn die Kasse irgendwelche Uhren finanziert.

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