Wer heute auf die Facebook-Seite des Ex-Versicherungsmaklers Mehmet Göker geht, hat das Gefühl, es habe sich nichts verändert: „MEG – Die Chance Deines Lebens“, postet Göker dort euphorisch, und: „Ich zeige euch den Weg zu 200.000 Euro pro Jahr. Ich verändere euer Leben.“ Darüber thront Göker im Profilbild, unter Wasser, den Daumen nach oben, das Logo seiner einstigen Firma und Goldgrube „MEG AG“ unter sich, am Boden des Pools seiner Villa in der Türkei.
Mehmet Göker: So wird man Millionär
Im Internet-Netzwerk Facebook verbreitet der Versicherungsvertreter gerne seine Lebensweisheiten. Seine Fans lieben das und kommentieren seine Bemerkungen fleißig.
„Merke Dir: Noch nie ist jemand Millionär geworden, dessen Intention es war, Millionär zu werden !“
„Millionär wird man, indem man etwas tut, was einem Spaß macht - aus Leidenschaft und dann mit 100 Prozent Hingabe dieser Leidenschaft mindestens 60 Stunden die Woche nachgeht.“
„Wenn dann noch ein Schuss Kreativität, Eigenmotivation, Disziplin, Ordnung und Fleiß Deine Attribute sind, dann ist es möglich, Millionär zu werden.“
„Aber glaube mir eines: Jemand, der etwas gerne macht, hat das Ziel glücklich zu sein und nicht Millionär zu werden. Das Geld kommt von ganz alleine. Jemand, der das Ziel verfolgt, Millionär zu werden, der wird weder glücklich noch Millionär.“ . . .
. . . „Er vergeudet einzig und allein seine Lebensenergie damit, ein Leben lang dem schnöden Mammon hinterher zu laufen.“
Der wollte doch immer reich & berühmt werden, wendet ein Facebook-Nutzer ein.
„Never. Bohlen wollte singen, Gitarre spielen. Das war immer seine Leidenschaft. Sein Vater war Millionär. Und er hätte in seiner Firma anfangen können. Statt dessen hat er bei einem Hamburger Musikstudio für 4.000 Mark brutto angefangen! Und sich dann Lied für Lied hoch gearbeitet!“
„Genau das ist der Grund, wieso ich diese Sympathie für Dieter Bohlen habe!“, kommentiert ein Anhänger den Göker-Kommentar. „Wieso? Weil er es durchgezogen hat, obwohl er nicht der beste Sänger war und oft verhasst wurde, jedoch ist er immer wieder aufgestanden, egal wie oft - er unten lag! Respekt vor dieser Leistung!“
"Exakt. Ich habe ihn schon immer bewundert und geliebt. In den 80ern in der Grundschule sangen wir auf dem Schulhof Cherry Cherry Lady"
Jahre, nachdem er seine Versicherungsvermittlung MEG in die Insolvenz geritten hatte, geht es Göker gut in der Hafenstadt Izmir. Dort können die deutschen Behörden ihn nicht fassen. Dort hat er alle Zeit und Ruhe der Welt, weiter seine Geschäfte zu machen. Die Posts auf Facebook belegen, dass es für Göker wieder gut läuft. „Meine Schwester Adla ist im Moment überragend, mit 13.000 € letzte Woche die beste“, lobt er eine Vertrieblerin. Und: „Istanbul und Antalya hängen zurück“.
Mehmet Göker ist wieder da. Wie die Handelsblatt berichtete, existiert ein Büro in der Türkei. Offiziell läuft sie auf den Namen von Gökers Mutter. Doch scheint klar, das Göker selbst die Strippen zieht. „Wir sind eine Unternehmensberatung, und wir beraten Kunden im Finanzbereich im Bereich Altersvorsorge und in Finanz- und Versicherungsfragen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz“, sagt Göker selbst.
Offiziell wollen die Deutschen Versicherer mit ihrem einstigen Vertriebsgenie Mehmet Göker nichts mehr zu tun haben. Dennoch halten sich in der Branche hartnäckige Gerüchte, wonach einzelne Manager bei Göker angerufen haben, weil sie dringend gute Verkäufer für ihre privaten Krankenversicherungspolicen bräuchten. Wonach Göker Strohmänner vorschickt, um seine Geschäft zu machen. Wonach er Verbraucher „berät“, mit privaten Krankenversicherern in Kontakt zu kommen. Wonach alle Beteiligten fast genauso weiter machen wie vor Gökers Insolvenz.
Gökers Welt: Politiker und Sportler
FDP-Chef Guido Westerwelle traf kurz vor der Bundestagswahl am 18. August 2009 Göker zu einem Abendessen in Kassel. Wie der „Stern“ berichtete, erhoffte sich Westerwelle eine Parteispende von Mehmet Göker, der damals noch den Kasseler Versicherungsvertrieb MEG führte. "Die MEG hatte im Wahlkampf eine Spende für die FDP angekündigt", räumte ein FDP-Sprecher ein.
Göker war Hauptsponsor des Boxers. 2006 bis 2009 wurde Arthur Abraham zum „Boxer des Jahres“ durch das Magazin „Boxsport“ gewählt. Markant an Abraham war sein Einmarsch zum Ring: Er kam mit einer Schlumpfmütze zum Ring, dabei wurde das „Lied der Schlümpfe” in einer auf ihn getexteten Version eingespielt.
Eines Tages ist der Fußballweltmeister Günter Netzer zu Gast in der Firmenzentrale in Waldau, berichtet HNA Online in einem Bericht über den Göker-Film. Göker habe es versäumt, sich mit ihm fotografieren zu lassen. Später habe er in die Vorstandsrunde hinaus gerufen: „Jetzt habe ich ein Foto vergessen, verdammte Hacke!“
In der Kasseler Stadthalle sorgte der Opern-Tenor für große Gefühle: Dort sang der britische Tenor Paul Potts vor mehreren hundert Mitarbeitern des Versicherungsanbieters MEG.
MEG sicherte sich die Namensrechte an den Göttinger Basketballern bis zum Abschluss der Saison 2010/11, berichtete das Göttinger Tageblatt im Mai 2009. Über die Höhe der jährlich fließenden Sponsoringgelder für Spitzenmannschaft der Basketball-Bundesliga wollten beide Vertragsparteien keine genauen Angaben machen, MEG-Vorstandsreferentin Sylvia Könneker sprach von einer "hohen sechsstelligen Summe für die gesamte Vertragslaufzeit". Göker: „Der Basketball unterstützt unser Unternehmen, bundesweit bekannt zu werden."
Der Kasseler Ferrari-Händler Helmut Eberlein stellt laut HNA Online fest: Der MEG-Vorstand war vorwiegend mit Ferraris unterwegs. Die von der MEG geleasten Ferraris seien aber alle noch da. Die MEG hatte einen Fuhrpark mit 125 Fahrzeugen. Der 490 PS starke Ferrari F 430 Spider F1 im Farbton „blu mirabeau“ von Göker selbst stellte Eberlein in seinem Autohaus wieder zum Verkauf.
Dem Handelsblatt zeigte Göker Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass der Ex-Versicherungsmakler nach der Insolvenz seines Unternehmens MEG im Herbst 2009 noch bis ins Jahr 2012 hinein Krankenpolicen für deutsche Versicherer vermittelt hat. Demnach habe Göker weiter Kunden geworben und über andere Großmakler bei den Konzernen eingereicht. Die Konzerne hätten das geduldet. „Die wussten, dass ich dahinterstecke“, erklärt Göker. „Und das, als die MEG längst insolvent gewesen ist und die Krankenversicherer mir allesamt den Rücken gekehrt haben.“ Fast alle hätten mitgemacht.
„Fast alle haben mitgemacht“
Die Versicherer dementieren die Vorwürfe. Allianz, Axa, Hallesche, Central, Inter, Continentale und Hanse Merkur betonten, seit der Insolvenz 2009 nichts mehr mit Göker zu tun gehabt zu haben. Ein Sprecher der Continentale erläuterte, dass eine vollkommene Überwachung des Makler-vertriebs jedoch nicht möglich sei. „Es ist also nicht völlig auszuschließen, dass ehe-malige MEG-Vertriebskräfte Verträge mit Maklern oder Maklerpools abgeschlossen haben und so über diesen Weg Geschäft mit uns einreichen.
Der Kasseler baute zwischen 2003 und 2009 mit der MEG AG den zweitgrößten Spezialvertrieb Deutschlands für private Krankenversicherungen auf. Während er in der Spitze bis zu 1400 Mitarbeiter bundesweit per Telefon Neukunden werben ließ, handelte er selbst Spitzenprovisionen mit Konzernen wie Allianz, Axa, Hallesche und Central aus. Nach eigenen Angaben erhielt er bis zu 20 Monatsbeiträge pro geworbenen Versicherten – also mitunter 8000 Euro pro Vertrag.
Weil er im August 2008 wegen Scheinselbstständigkeit verurteilt worden war, musste er seine Vertriebler als Angestellte führen und Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge für sie abführen. „Das hat mir das Genick gebrochen“, gibt er heute zu.
Im September 2009 gab er den Posten des Vorstandsvorsitzenden ab, einen Monat später wurde die Firma verkauft – und dann in die Insolvenz geschickt. Seitdem fordern die Versicherer wegen vorausbezahlter Provisionen Millionen von ihm und der insolventen MEG zurück.
Von ihren Forderungen dürften sie allerdings nur einen Bruchteil erhalten. Der Insolvenzverwalter der MEG AG, Fritz Westhelle, muss dem Insolvenzgericht regelmäßig Auskunft darüber erteilen, wie hoch die Quote ist, die er gemessen an den Forderungen vollstrecken kann. „Nach meinem letzten Bericht an das Insolvenzgericht dürfte die Quote bei circa fünf bis sechs Prozent liegen“, erzählte Westhelle dem Handelsblatt.