Falsches Sparen Sie haben schon 1.300 Euro verloren!

Die Nullzinspolitik der EZB trifft Sparer besonders hart. Das ist bekannt. Wie hart aber, das dürfte vielen konservativen Anlegern nicht bewusst sein. Die Experten der Comdirect kommen zu einem erschreckenden Ergebnis.

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Die Deutschen bunkern ihr Geld in schlecht oder gar nicht verzinsten Sparformen. Quelle: dpa

Düsseldorf Falsches Sparen kostet viel Geld. Wie viel, haben jetzt die Experten der Comdirect ausgerechnet. Das erschreckende Ergebnis: Jeder Haushalt hat seit Oktober 2010 bereits 1.300 Euro verloren. Das sind insgesamt 51 Milliarden Euro. Doch richtig spüren tun die Sparer das nicht. Denn ihnen wird natürlich kein Geld vom Konto abgebucht, aber trotzdem schwindet die Kaufkraft des Ersparten. Der Realzins-Radar der Direktbank zeigt, dass die Verzinsung von Spareinlagen in den vergangenen Jahren zum Teil deutlich unter der Inflationsrate lag. Unterm Strich verloren Sparer deshalb Geld. „Nie war der Wertverlust festverzinslicher Anlagen höher als aktuell“, sagt Arno Walter, Vorstandsvorsitzender der Comdirect.

Noch dramatischer wird die Lage, wenn man sich eine aktuelle Studie der DZ Bank anschaut. „Im Vergleich zum ‚Normalzinsniveau‘ summieren sich die Zinseinbußen der Bürger durch niedrige Zinsen von 2010 bis 2016 auf 344 Milliarden Euro“, schreibt Volkswirt Michael Stappel. Der Normalzins misst sich an der historischen Entwicklung der durchschnittlichen Umlaufrendite inländischer Schuldverschreibungen.

Während sein Niveau in den 70er-, 80er- und 90-Jahren mit 7,3 Prozent relativ hoch lag – zurückzuführen auf die relativ hohen Inflationsraten – lag der Normalzins in den zehn Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise im Schnitt bei 4,2 Prozent. Ab Mitte 2009 ging es dann runter auf durchschnittlich 1,4 Prozent, allerdings bei zeitweise sehr niedrigen Inflationsraten. „2012, 2013 und im letzten Jahr fiel die durchschnittliche inflationsbereinigte Umlaufrendite sogar negativ aus“, so Stappel. Für Sparer ist das fatal.

Besserung ist nicht in Sicht. Denn mit der zuletzt wieder ansteigenden Inflation liegt der Realzins bei Tages- und Festgeld mittlerweile schon bei minus 1,6 Prozent. Die Prognose der Comdirect sieht den Realzins in den kommenden Jahren sogar auf unter minus zwei Prozent absinken, bevor er langsam wieder steigt. Setzt sich diese Entwicklung wirklich fort, so verlieren Sparer in den kommenden 20 Jahren mehr als 550 Milliarden Euro. Das sind 14.000 Euro im Schnitt pro Haushalt. Laut der Experten ist das in etwa die durchschnittliche Sparleistung von drei Jahren.


Auf enormen Vermögenszuwachs verzichtet

Die Botschaft ist klar: „Wenn wir unser Anlageverhalten nicht ändern, hat das dramatische Folgen für den deutschen Sparer“, so Comdirect-Vorstand Walter. Im Sparverhalten der Bürger macht sich die Niedrigzinsphase bereits bemerkbar. Zwar sei kein Rückgang der Sparquote festzustellen, so Stappel. „Allerdings führt die Kombination aus der traditionellen Risikoscheu der Anleger und niedrigen Zinsen zu einem gigantischen Geldanlagestau“, beobachtet er. Seit 2008 stieg das Finanzvermögen hierzulande um etwa 1,5 Billionen Euro auf 5,6 Billionen Euro. Doch 38 Prozent davon, immerhin gut zwei Billionen, sind Anlagen wie Tagesgeld, Festgeld und Spareinlagen – mehr oder weniger Nullzinsanlagen also.

„Dass die Bürger keine hohen Risiken eingehen und fehlenden Zinseinnahmen mit verstärktem Sparen entgegenwirken, ist eine angemessene Reaktion auf die Niedrigzinsphase – vor allem im Hinblick auf die Altersvorsorge“, so Stappel. Langfristig sinnvoller sei aber eine ausgewogenere Portfoliostruktur, die neben Zinseinnahmen auch stärker Dividendenerträge und Kursgewinne ermögliche. Ein Appell, den auch Comdirect-Vorstand Walter unterschreibt. „Wenn die Deutschen ihre Spargewohnheiten nicht bald ändern, laufen viele Menschen Gefahr, den gewohnten Lebensstandard im Alter nicht halten zu können“, sagt er. Denn die gesetzliche Rente allein könnte dafür nicht ausreichen. „Es ist daher dringend Zeit, dass jeder Einzelne etwas tut“, so Walter.

Schon in den vergangenen Jahren haben Sparer auf einen enormen Vermögenszuwachs verzichtet, dass zeigt der „Global Wealth Report“ der Allianz. Wuchs das Vermögen der privaten Haushalte hierzulande zwischen 2009 und Ende 2015 um 17,4 Prozent, verdoppelten die Amerikaner ihren Reichtum. Und die Schweden schafften gar ein Plus von fast 130 Prozent. Der Grund: Die Aktienquote in diesen Ländern ist mehr als dreimal so hoch wie hierzulande. Gerade mal zehn Prozent des Finanzvermögens deutscher Haushalte ist in Aktien investiert, Amerikaner und Schweden kommen auf gut ein Drittel. Dass sie bereit sind, etwas mehr Risiko einzugehen, wurde mehr als fürstlich belohnt.

Natürlich waren die Jahre nach dem Crash sehr gute Börsenjahre. Nach dem massiven Absturz der Börsen in den Jahren 2008 und 2009 der Finanzkrise konnte sich allein der Dax verdreifachen – allen Turbulenzen zum Trotz. Doch auch längerfristig sind Aktien eine sehr renditestarke Anlageform. Sogar die renditestärkste überhaupt, wie die Bundesbank vor einigen Monaten hochoffiziell in einem Monatsbericht festgestellt hat. Und das gilt nicht erst in Zeiten von Nullzinsen und negativen Realzinsen.

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