Fehlende Absicherung Schwarzarbeiter setzen ihre Rente aufs Spiel

Jeder zehnte Deutsche beschäftigt unangemeldete Haushaltshilfen. Das ist nicht nur illegal: Die Putzhilfen und Babysitter verzichten damit auch auf einen Teil ihrer Rente.

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Welche Auswirkung die Inflation auf die Rentenlücke hat
Eine Hand hält Geldscheine und einen Kassenbon über einer Einkaufskiste mit Lebensmitteln Quelle: dpa
Eine Hand nimmt am 22.01.2010 eine Euro-Münze aus einem Geldbeutel Quelle: dpa
Eine Kundin bezahlt an der Kasse in einem Supermarkt in Karlsruhe ihren Einkauf Quelle: dapd
Ein Rentner demonstriert und hält dabei eine Weste in den Händen, auf der "Rente muss zum Leben reichen" zu lesen ist. Quelle: dpa
Hinter dem Griff seines Gehstocks ist ein Rentner vor einem Computer zu sehen Quelle: dpa/dpaweb
Als Miniaturfiguren sind zwei Senioren am Montag (10.09.2012) in Schwerin auf Euro-Münzen zu sehen Quelle: dpa

"Als ich vor 15 Jahren nach Deutschland kam, war Putzen gehen für mich die einzige Möglichkeit, zu arbeiten. Ich konnte die Sprache kaum und hatte keine deutsche Ausbildung", erzählt Natalia, 40 Jahre, alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern. Sie arbeitet überwiegend schwarz. So hat sie - zumindest kurzfristig - mehr von ihrem Geld. Und Arbeitskräfte wie sie sind gefragt.

Laut einer Forsa-Studie im Auftrag der Minijobzentrale steigt zwar der Bedarf an Babysittern und Haushaltshilfen stetig, aber kaum jemand meldet seine Helferlein an. Vor allem Gutverdiener um die 60 lassen sich gerne ohne Rechnung unter die Arme greifen, aber auch Familien mit Kindern oder berufstätige Singles nehmen gern die Hilfe von Menschen wie Natalia in Anspruch. Ohne Rechnung. So ergab die Umfrage, dass neun Prozent der Deutschen bereits einmal jemanden schwarz beschäftigt hat. Sei es als Babysitter, Putzhilfe oder zum Rasen mähen. Mehr als die Hälfte beschäftigt regelmäßig Schwarzarbeiter. Dem gegenüber stehen nur 242.743 angemeldete Helferlein.

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Ganz davon abgesehen, dass es sich auch bei der unangemeldeten Beschäftigung einer Haushaltshilfe um Steuerhinterziehung handelt, tun sich Frauen wie Natalia mit der Schwarzarbeit keinen Gefallen. Sie sind nicht versichert, bekommen im Krankheitsfall kein Geld und zahlen nicht in die gesetzliche Rente ein. Und dass sämtliche Haushaltshilfen privat vorsorgen, darf bezweifelt werden.

Anmeldung bietet Steuervorteile

So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Detlef Fetchenhauer, Leiter des Instituts für Wirtschafts-und Sozialpsychologie der Universität zu Köln rät Haushaltshilfen gerade deshalb zur Anmeldung ihrer Tätigkeit. "Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kostet den Arbeitnehmer nichts und wird dem Arbeitgeber größtenteils erstattet. Und bei der Anrechnung auf Sozialleistungen gibt es Freibeträge, bis zu denen Einkommen anrechnungsfrei erzielt werden kann." Der Arbeitgeber könne sogar 20 Prozent der gesamten Ausgaben, maximal 510 Euro pro Jahr, von der Einkommensteuer absetzen. "Insgesamt kann sich die Anmeldung für den Arbeitgeber also durchaus lohnen", sagt Fetchenhauer.

Erfreulicherweise, so die Studienautoren, ist rund die Hälfte der Arbeitgeber bereit, die Hilfen auch anzumelden. So gaben 45 Prozent an, ihre Helferlein anzumelden, wenn diese darum bitten würden. Allerdings läge genau hier das Problem. "Das formale Bildungsniveau und die Erfahrung der Haushaltshilfen im Umgang mit Formularen und Behörden sind
manchmal eher niedrig, was zu Ängsten führen könnte, sich auf den ganzen ‚Papierkram’ einzulassen", so Fetchenhauer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialpsychologie. Er schätzt auch, dass viele eine Absenkung ihres Stundenlohns befürchten, wenn ihnen Sicherheiten wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gewährt würden.

Arbeitgeber sollen ihre Helfer überreden

Deshalb sei es wichtig "den Arbeitnehmern die Vorteile offizieller Arbeitsverhältnisse noch stärker als bislang zu verdeutlichen", so Fetchenhauer. Diese sollten dann auf ihre Haushaltshilfen einwirken. Schließlich profitiert der Minijobber: Er verdient brutto für netto, hat Anspruch auf Urlaub und auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ein weiteres Plus: Der Arbeitnehmer kann zusätzlich fürs Alter vorsorgen. Dafür muss er lediglich die bereits vom Arbeitgeber gezahlten Rentenbeiträge (fünf Prozent des Entgelts) auf 19,6 Prozent aufstocken. Erik Thomsen, Leiter der Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See resümiert: "Fakt ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Anmeldung profitieren."

ked


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