Die Einstellung der Deutschen ist gelegentlich verblüffend: Laut einer aktuellen TNS Emnid-Umfrage im Auftrag der Postbank glauben noch immer 31 Prozent, die gesetzliche Rente würde für ihren Lebensunterhalt im Ruhestand genügen. Kaum einer dieser Optimisten befürchtet Einbußen beim gewohnten Lebensstandard. Da wird die Mehrheit von ihnen aber irren.
Derzeit erreicht die gesetzliche Rente noch etwa 48 Prozent eines durchschnittlichen Nettoeinkommens vor Steuern ab. Im Jahr 2010 lag es noch bei 52 Prozent. Bis 2030 soll dieses Niveau weiter auf 43 Prozent sinken. Derzeit streiten Politik und Interessenverbände darüber, ob das heutige Rentenniveau auch für die Folgejahre festgeschrieben, angehoben oder weiter abgesenkt werden soll. Eine Mammutaufgabe mit Mammutsummen.
Zumindest soll das System schon ab dem Jahr 2017 deutlich flexibler werden, insbesondere beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Die Möglichkeiten zum Bezug einer Teilrente plus Teilzeitjob oder für ein Erwerbsleben über das Rentenalter hinaus sollen verbessert werden. Damit sollen Arbeitnehmer ihr Alterseinkommen aufstocken können. Aus diesen Gründen hat sich die Koalition auf eine Flexi-Rente“ verständigt.
Am Donnerstag wurde der von der Regierung verabschiedete Gesetzentwurf erstmals im Bundestag beraten – und es gab reichlich Gegenwind der Opposition, unter anderem weil das Gesetz nicht das Problem der Geringverdiener-Renten angeht oder die neuen Regeln nicht weit genug gingen. Nach der Anhörung der Sachverständigen im Oktober soll das Gesetz dann im November im Bundestag beschlossen werden und ab dem 1. Januar 2017 gelten. Welche konkrete Ausgestaltung die Regelung dann haben wird, steht somit noch nicht fest.
Warum die Reform nötig ist
Nachdem zunächst Mütterrente und die abschlagfreie Rente mit 63 Jahren (nach 45 Beitragsjahren) 2014 eingeführt wurden, verlangte die Union für ihre Zustimmung Verbesserungen für Rentner, die auch im Ruhestand noch arbeiten wollen. Bereits im November 2014 lagen die ersten Vorschläge für die sogenannte Flexi-Rente auf dem Tisch. Aber erst Mitte September dieses Jahres gab das Kabinett der Merkel-Regierung seinen Segen.
Die Regelungen im Einzelnen
Im Wesentlichen geht es bei der neuen Flexi-Rente um wichtige Änderungen in drei Bereichen:
• Arbeiten über das Regelrentenalter hinaus soll finanziell attraktiver werden, indem auch die aufgeschobene Rente schneller steigt.
• Frührentner: Wer früher in Rente gehen möchte oder muss, erhält nur eine verminderte Rente. Die Möglichkeiten, die dann wirksamen Abschläge durch freiwillige Einzahlungen auszugleichen, sollen verbessert werden.
• Wer neben seiner Früh- oder Teilrente etwas hinzuverdienen will, soll verbesserte Möglichkeiten dazu erhalten und weniger schnell hohe Abschläge bei seiner Rente hinnehmen müssen. Das bisherige, gänzlich unattraktive Modell mit hohen, stufenweisen Abschlägen soll durch ein stufenloses System Hinzuverdienstmöglichkeiten fairer gestalten.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Länger arbeiten mit Rententurbo
Politiker hoffen wegen des drückenden Fachkräftemangels darauf, dass künftig mehr Arbeitnehmer ihren Renteneintritt hinauszögern und länger arbeiten. Das ging auch nach den bisherigen Regeln problemlos, war aber nicht sonderlich attraktiv in Bezug auf die Rente. Zwar erhöhte sich die spätere Rente um 0,5 Prozent für jeden Monat, der über die Regelaltersgrenze hinaus gearbeitet wurde. Die Einzahlung weiterer Beiträge in die Rentenversicherung ist dem Arbeitnehmer im Rentenalter aber nicht möglich.
Der Arbeitgeber hingegen muss bislang seinen Anteil an den Rentenversicherungsbeiträgen zahlen, ohne dass diese die spätere Rente des Arbeitnehmers erhöht haben. Das Geld verschwand in der Kasse der Rentenversicherung und kam bestenfalls allen Versicherten zugute. Kein Wunder, dass von den 650.000 Neurentner 2013 gerade mal zwei Prozent ihre Rente durch längeres Arbeiten hinauszögerten – vermutlich nicht des Geldes wegen. Mit Einführung der Flexi-Rente will die Regierung diesen Missstand beenden.