Wer eine Teil- oder Frührente bezieht, darf sich etwas hinzuverdienen. Allerdings gibt es dafür – außer bei Regelaltersrenten – Obergrenzen. Bisher genügte es, diese Obergrenze nur um einen Euro zu überschreiten, um harschen Renteneinbußen zu verursachen. Nach den bisherigen Regeln reduziert sich dann etwa eine volle Rente entsprechend der angesammelten Entgeltpunkte auf eine Teilrente mit nur zwei Dritteln des bisherigen Rentenanspruchs.
Wer bereits eine Teilrente bezog, musste ebenfalls drastische Kürzungen hinnehmen. Aus einer Zwei-Drittel-Teilrente wurde dann eine halbe, aus einer halben Teilrente eine Ein-Drittel-Rente und eine Ein-Drittel-Rente wurde beim Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze ganz gestrichen.
Das hat vorhandenen Arbeitswillen für die Teil- und Frührentner natürlich schnell ad absurdum geführt. Wer eine volle Rente vor Erreichen des Regelrentenalters bezieht, darf nämlich bisher nur 450 Euro monatlich (mit zwei Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld maximal 14-mal im Jahr) verdienen. Er bleibt also auf einen Minijob beschränkt, will er keine drakonischen Abschläge riskieren.
Die neuen Regeln für den Hinzuverdienst sollen erst ab dem 1. Juli 2017 gelten, da immer in der Jahresmitte die Rentenanpassungen erfolgen. Jetzt steht als abschlagfreie Obergrenze nur noch ein Jahreshinzuverdienst von 6300 Euro im Gesetzentwurf. Wer dann mehr verdient, rutscht nicht mehr in die nächstniedrige Teilrentenstufe. Stattdessen werden für jeden hinzuverdienten Euro oberhalb der von 6300 Euro 40 Cent von der Rente abgezogen. Wer also beispielsweise 7300 Euro im Jahr hinzuverdient, dem wird die Rente um 400 Euro gekürzt. Somit fallen die starren Teilrentenstufen weg. Die neue Regelung orientiert sich an den 40-Prozent-Kürzungen, die analog bei Hinterbliebenenrenten schon lange gelten.
Um es noch einmal klarzustellen: Die Hinzuverdienstgrenzen gelten nur bei vorgezogenen Altersrenten, die – abgesehen von der abschlagfreien Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren – immer auch mit Abschlägen verbunden sind. Ob sich der Hinzuverdienst für den Einzelnen lohnt, hängt immer von der individuellen Situation, der Rentenhöhe nach Abschlag, den Kosten für Sozialversicherungen und den fälligen Steuern ab. Erst nach Erreichen des Rentenalters dürfen Ruheständler ihre volle Rente beziehen und zudem unbegrenzt hinzuverdienen, ohne Rentenabschläge zu riskieren.
Vorschläge zur Renten-Reform
Rund 536 000 Menschen erhalten Grundsicherung im Alter. Künftig dürfte Altersarmut weiter zunehmen, weil mehr Arbeitnehmer gebrochene Erwerbslaufbahnen haben und nicht durchgängig in die Rentenkasse einzahlen. Auch viele Alleinerziehende und Selbstständige ohne ausreichende Eigenvorsorge sind betroffen. Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund, Axel Reimann, fordert, Selbstständige ohne Altersvorsorge sollten obligatorisch in der Rentenversicherung abgesichert werden.
Rund 40 Prozent der Beschäftigten haben keine Betriebsrente. Arbeitgeber könnten - so diskutiert das derzeit die Koalition - verpflichtet werden, den Arbeitnehmern Angebote zu machen. Geringverdiener könnten mit einem Förderbetrag stärker unterstützt werden. Kleinen und mittleren Unternehmen könnten die Risiken mittels kollektiver Haftungslösungen genommen werden. Die Koalition mildert vielleicht auch das Problem doppelter Krankenkassenbeiträge auf Beiträge und Erträge ab.
Erst ab 63 ist die Rente wegen Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen ohne Abschläge möglich. Vorher werden bis zu 10,8 Prozent abgezogen. Vielfach führt Erwerbsminderung zu Armut: Knapp 502 000 Menschen mit Erwerbsminderung erhalten Grundsicherung. Die Opposition fordert die Abschaffung der Abschläge.
Wer bereits mit 63 in Teilrente geht, soll laut einem rot-schwarzen Gesetzentwurf mehr vom Zuverdienst behalten können. Bei der Teilrente mit 63 wird die Rente ab einer Zuverdienstgrenze von 450 Euro heute stark gekürzt. Stärker lohnen soll sich aber auch das Arbeiten über die reguläre Altersgrenze hinaus. Dafür sollen die Arbeitnehmer Rentenbeiträge zahlen können, die dann zu einer Steigerung der Rente führen. Heute zahlen Arbeitgeber bei Beschäftigung eines Rentners den Arbeitgeberanteil, ohne dass das die Rente steigen lässt.
Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will die versprochene Aufwertung kleiner Renten bald auf den Weg bringen. Bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit sollen angerechnet werden. Eine Krux dabei: Viele Bezieher von Kleinrenten leben in gut situierten Haushalten, etwa wenn der Ehemann gut verdient hat. Deshalb sollen laut Nahles die Partnereinkommen berücksichtigt werden.
Ende 2019 soll die Angleichung der Ost- an die Westrenten kommen. Die Standardrente nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittslohn liegt in den neuen Ländern bei 1217 Euro - 97 Euro unter dem Westwert. Doch käme die Angleichung konsequent, hätte das negative Folgen für die künftigen Ostrentner. Denn bei der Rentenberechnung werden die Ostlöhne heute noch aufgewertet.
Es soll auf 67 bis 2029 steigen. Weil immer weniger Einzahler in die Rentenkasse künftig für immer mehr Rentenbezieher aufkommen müssen, werden Forderungen nach einer Anhebung des Rentenalters immer lauter. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) etwa ist für eine Kopplung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung.
Heute liegt es bei rund 48 Prozent - unter 43 Prozent darf dieses Verhältnis von der Standardrente zum Durchschnittslohn bis 2030 laut Gesetz nicht fallen. Doch das schützt immer weniger vor Altersarmut. Immer mehr Politiker aus allen Parteien fordern eine Stabilisierung, die Linke will mit 53 Prozent hier am meisten.
Gut 16 Millionen Bürger haben einen Riester-Vertrag. In knapp einem Fünftel der Verträge fließt aber kein Geld mehr. Nur gut jeder Zweite schöpft die staatliche Förderung voll aus. Der DGB fordert bereits, die Riesterrente auslaufen zu lassen. Vertrauensschutz würde es nur für laufende Verträge geben. Allerdings dürften die Politik der Eigenvorsorge künftig auf der einen oder anderen Weise eher eine bedeutendere als eine kleinere Rolle zumessen, wie man von Politikern oft hört.
Angesichts der Schwächen von Riester- und Betriebsrenten gewinnt die Vorstellung einer einfacheren zusätzlichen Absicherung mit staatlicher Garantie immer mehr Anhänger. Aus der hessischen Landesregierung kam der Vorstoß für eine Deutschlandrente - ein einfaches Standardprodukt für jedermann. Jeder Arbeitnehmer soll über vom Arbeitgeber abgezwackte Beiträge in einen zentralen Fonds einzahlen - sofern sie gegenüber dem Arbeitgeber nicht aktiv widersprechen.
Im Einzelfall ist die alte Regelung günstiger
Das macht das Arbeiten nach Beginn des Rentenbezugs sicherlich attraktiver als bislang. Allerdings stellt sich nicht unbedingt jeder mit der neuen Regelung besser.
Dass dies bei Gutverdienern der Fall sein kann, hat Finanzmathematiker Siepe für die WirtschaftsWoche vorgerechnet. „Sicher kommt eine Schlechterstellung nur im Extremfall vor. Aber man kann eben nicht einfach behaupten, dass alle Frührentner davon profitieren“, betont Siepe.
In der Praxis sähe das nach Berechnungen von Werner Siepe zum Beispiel so aus:
Beispiel 1:
Bei einer vollen Rente von 2000 Euro brutto, für die im Erwerbleben ungefähr ein Bruttogehalt von 5000 Euro nötig war, und einem zusätzlichen, versicherungsfreien Minijob für 450 Euro im Monat bleiben einem ledigen Rentner eine Rente von netto 1680 Euro. Zusammen mit dem Einkommen aus dem Minijob kommt er so auf ein Gesamteinkommen von 2130 Euro. Gemessen an den Bruttoeinkünften von 2450 Euro hat sich der Hinzuverdienst also gelohnt.
Beispiel 2:
Verdient der Rentner stattdessen 2500 Euro brutto, indem er weiter halbtags arbeitet, wird seine Rente um 790 Euro auf 1210 Euro gekürzt. Von den 3710 Euro, die ihm brutto verbleiben, muss er Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge sowie Steuern zahlen, sodass ihm netto nur noch rund 2560 Euro netto im Portemonnaie bleiben. Obwohl er brutto 2050 Euro mehr verdient als im ersten Fall, steigt sein Einkommen nur um gut 430 Euro. Für diesen Rentner lohnt sich der Hinzuverdienst nicht.
Die Beispiele zeigen, dass die Berechnungen für den Hinzuverdienst nur schwer durchschaubar sind und immer im Einzelfall geprüft werden müssen. „Ein Früh- oder Teilrentner ist bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze automatisch versicherungspflichtig, mit Erreichen der Regelaltersgrenze wurde er automatisch von dieser Versicherungspflicht befreit“, sagt Herbrich von Rentenberaterverband. „Neu ist, dass er bei Erreichen der Regelaltersgrenze auf die dann eintretende Versicherungsfreiheit verzichten und weiter Rentenbeiträge zahlen kann, das sogenannte Opting-in. Dass in dieser Phase weiter Entgeltpunkte gesammelt und die Rente erhöht werden kann, ist zu begrüßen. Die starren Regeln waren insbesondere für Teilrentner unattraktiv.“
*Name von der Redaktion geändert