Fragen & Antworten Kommen Frauen bei der Scheidung zu schlecht weg?

Am Dienstag befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der Aufteilung der Altersversorgung bei einer Scheidung. Quelle: imago images

Eine traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau macht sich bei der Rente bemerkbar. Der Versorgungsausgleich soll finanzielle Nachteile bei einer Scheidung wettmachen. Aber das funktioniert nicht überall gut.

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Wenn die Liebe endet, geht es oft auch ums Geld: Wer bekommt bei der Scheidung wie viel? Und wie gut ist man damit für die Zukunft abgesichert? Eine wichtige Rolle spielt dabei die Aufteilung der Altersversorgung. Am Dienstag befasst sich damit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Im Raum steht der Verdacht, dass vor allem Frauen bei der Berechnung ihrer Ansprüche in bestimmten Fällen systematisch benachteiligt werden. (Az. 1 BvL 5/18)

Was passiert bei einer Scheidung mit der Altersvorsorge?
Alle Anrechte aus der Zeit der Ehe werden als gemeinschaftliche Lebensleistung betrachtet und grundsätzlich zu gleichen Teilen aufgesplittet. Das nennt sich Versorgungsausgleich. Ausnahmen gibt es nur in bestimmten Fällen, zum Beispiel wenn die Ehe keine drei Jahre gehalten hat oder die Partner etwas anderes vereinbart haben. Das soll Ungerechtigkeiten beseitigen. Denn bei vielen Paaren bekäme der Mann als Hauptverdiener sonst viel mehr Rente als seine Frau, die sich vielleicht jahrelang zu Hause um die Kinder gekümmert hat.

Wie funktioniert der Versorgungsausgleich?
Wie die Rentenansprüche aufgeteilt werden, legt das Familiengericht im Scheidungsurteil fest. Im Ergebnis bekommt der Partner mit den ursprünglich höheren Anrechten weniger Rente und der andere mehr. Am Versorgungsträger ändert sich meistens nichts. Sind zum Beispiel beide bei der Deutschen Rentenversicherung, wird dort einfach neu berechnet, wer im Alter wie viel bekommt. Das nennt man interne Teilung. Die Probleme, um die es in Karlsruhe geht, tauchen bei der sogenannten externen Teilung von Betriebsrenten auf.

Was bedeutet externe Teilung?
Dabei bekommt die Ex-Frau ihr Geld nicht automatisch vom selben Versorgungsträger, bei dem der Mann seine Rente hat. Die Ansprüche dürfen ausgelagert und an eine andere Unterstützungskasse übertragen werden – auch gegen den Willen der Frau. Der Gesetzgeber wollte damit die Träger der betrieblichen Altersversorgung entlasten.

Warum kann das problematisch werden?
Das hat damit zu tun, dass die Zinsen so in den Keller gegangen sind. Der Versorgungsträger, der die Anrechte abgibt, ermittelt den Kapitalwert mit einem speziellen Zinssatz, der für Handelsbilanzen maßgeblich ist und monatlich von der Bundesbank bekanntgegeben wird. Bei Betriebsrenten ist dabei der – vergleichsweise hohe – durchschnittliche Zinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre maßgeblich. Der Träger, der die Anrechte übernimmt, orientiert sich dagegen am aktuell niedrigen Marktzins. Das wirkt sich negativ auf die Rentenhöhe aus. Durch die Übertragung geht also Geld verloren.

Weshalb überprüft das Verfassungsgericht diese Praxis?
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hält die Regelung für verfassungswidrig. Für die Ungleichbehandlung gebe es keine Rechtfertigung. Die Richter haben deshalb ein Scheidungsverfahren ausgesetzt, um Paragraf 17 im Versorgungsausgleichsgesetz in Karlsruhe prüfen zu lassen. „Die entstehenden Transferverluste sind zu hoch und sie treten in zu vielen Fällen ein“, meinen sie.

Wie hoch sind die Verluste und wie viele betrifft das?
Unterschiedliche Rentenhöhen können auch mit dem Altersabstand der Ex-Partner zusammenhängen. Lässt man das unberücksichtigt, müssen Betroffene nach Berechnungen, die das OLG Hamm zitiert, Abschläge von weit mehr als 50 Prozent in Kauf nehmen. In einem Fall blieben zum Beispiel von 696,70 Euro im Monat nur 284,93 Euro übrig. Die Richter gehen davon aus, dass zwischen 2009 und 2017 mindestens 90 Prozent aller Geschiedenen mit einer externen Teilung dadurch negative Folgen hatten. Paragraf 17 kommt demnach bei schätzungsweise jeder 20. Scheidung zur Anwendung. Bei durchschnittlich 170.000 Scheidungen im Jahr entspreche das einer mittleren fünfstelligen Zahl.

Wie lief die Verhandlung und wie geht es jetzt weiter?
Vertreter der Bundesregierung betonten, mit der fraktionsübergreifend beschlossenen Gesetzesreform zum Versorgungsausgleich von 2009 sei mehr Gerechtigkeit geschaffen worden. Der Halbteilungsgrundsatz sei mit der Aufteilung des Kapitals eingehalten. Nach zehn Jahren würden die Erfahrungen mit dem Gesetz und dabei besonders mit der externen Teilung untersucht.

Die Arbeitsgemeinschaft der betrieblichen Altersversorgung verwies auf hohe Verwaltungskosten, wenn bei einer internen Teilung eine betriebsfremde Person aufgenommen werden müsste. Das könnte Unternehmen davon abhalten, Betriebsrenten überhaupt anzubieten.

Die Richter des Ersten Senats unter Vorsitz von Stephan Harbarth stellten zahlreiche kritische Nachfragen, etwa zur Notwendigkeit, überhaupt extern zu teilen, und zur Wertgrenze, bis zu der das möglich ist. Bis ein Urteil gefällt wird, dürften noch mehrere Monate vergehen.

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