Der Blick nach Frankreich treibt deutschen Angestellten die Tränen in die Augen. Denn dort hat die Regierung Hollande gerade eine Rentenreform beschlossen, die Kommentatoren gleich als "Rentenreförmchen" verspotteten. Um die Löcher in der Rentenkasse zu schließen, sollen Franzosen künftig 43 Jahre lang Rentenbeiträge zahlen, bevor sie dann wie bisher schon mit 62 die volle Rente beziehen können. In Deutschland müssen Arbeitnehmer 45 Versicherungsjahre erreichen, die volle Rente gibt es erst mit 67.
Kritiker der komfortablen Rentenregelung in Frankreich dürfen jedoch nicht vergessen, dass weder in Frankreich noch in Deutschland die für die Vollrente geforderten Beitragsjahre erreicht werden. Faktisch gehen hierzulande viele deutlich früher in Ruhestand und müssen damit schmerzhafte Einbußen bei der gesetzlichen Rente in Kauf nehmen. Wer das nicht will, muss die Initiative ergreifen und mit privaten Ersparnissen die Einkommenslücken schließen. Mit welchen Einbußen und Rentenlücken Arbeitnehmer heute rechnen müssen, hat WirtschaftsWoche Online in Teil 1 (So schaffen Sie die Rente mit 60 bereits ausführlich erläutert. Im zweiten Teil schildern wir, wie Sparer die Rente mit 60 richtig planen, welche Ersparnisse im Alter vorhanden sein müssen, damit die Einkommenseinbußen erträglich bleiben und mit welcher Sparstrategie das gebildete Vorsorgevermögen bei vertretbarem Risiko eine optimale Rendite erwirtschaftet.
Michael Huber, Geschäftsleitungsmitglied der unabhängigen Vermögensverwaltung VZ Vermögenszentrum, kennt viele Kunden, die lieber schon mit 55 oder 60 Jahren in den Ruhestand wechseln würden. “Nach dem Studium wünschen sich das noch viele ambitionierte Angestellte. Dieser Traum weicht aber bei einem großen Teil bis zum Alter von etwa 40 Jahren der Realität. Denn viele – auch leitende Angestellte sind erst in diesem Alter finanziell in der Lage, nennenswert auf die vorzeitige Rente hin zu sparen“, sagt der Honorarberater. Die Gründe dafür sind meist plausibel. Zunächst hat die Absicherung der existenziellen Risiken mit Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Haftpflicht und ähnlichem Vorrang. "Das ist unbedingt sinnvoll", so Huber. "Zudem hängt es oft an den Lebensumständen. Wer jung ist und gut verdient, will erst einmal etwas von der Welt sehen und sich modern einrichten und ausstatten. Auch die Familiengründung erfolgt heute oft erst später."
Da viele erst in ihren Vierzigern das Thema Altersvorsorge ernsthaft angehen, hat Huber für WirtschaftsWoche Online zunächst den Kapitalbedarf für zwei Musterfälle berechnet. In beiden Fällen wurde unterstellt, dass in den 20 Jahren der Ansparphase, die bis zum vorzeitigen Renteneintritt mit 60 Jahren bleiben, die Inflationsrate bei durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr liegt und das Nettoeinkommen bis dahin um jährlich ein Prozent steigt.
Viel Psychologie im Spiel
Musterfall 1 ist ein 40jähriger Angestellter, verheiratet, mit zwei Kindern. Er hat ein Nettoeinkommen von 3.000 Euro im Monat (36.000 Euro im Jahr) und zahlt bereits seit 15 Jahren in die gesetzliche Rentenversicherung ein.
Musterfall 2 ist ein 40jähriger Selbständiger, ebenfalls verheiratet, zwei Kinder. Er hat ein Nettoeinkommen von 5.000 Euro (60.000 Euro im Jahr) und bisher noch gar nichts für seine Altersvorsorge gespart, weil jeder freie Euro in seine Selbständigkeit geflossen ist.
Beide wollen in unserem Szenario mit 60 den Ruhestand genießen und mindestens 65 Prozent ihres Nettoeinkommens auch in der Rente zur Verfügung haben. Wenn möglich, möchten sie gern 80 Prozent vom Netto erreichen.
Schon aufgrund der unterschiedlichen Einkommenshöhe liegen beide beim Kapitalbedarf - also den notwendigen Ersparnissen bei Renteneintritt - weit auseinander. Hinzu kommt, dass der Angestellte ab dem Alter von 63 Jahren - dem frühestmöglichen Rentenbezugsalter für die gesetzliche Rente bei vorzeitigem Ruhestand - eine staatliche Rente bezieht. Zur Überbrückung muss er zwischen 60 und 63 seine Versorgung allein aus den Ersparnissen bestreiten.
Für den Angestellten ergibt sich den Berechnungen zufolge - inklusive der nach heutiger Gesetzeslage zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge von rund acht Prozent der monatlichen Rente - ein Kapitalbedarf von 431.000 Euro zum Beginn des Ruhestands. Dann könnte er bis zum Alter von 90 Jahren monatlich so viel Geld entnehmen, dass er zusammen mit seiner gesetzlichen Rente 65 Prozent des Nettogehalts zur Verfügung hat.
Im ersten Rentenjahr hat er somit 2.355 Euro im Monat zur Verfügung. In den drei Jahren bis zum Rentenalter müsste er dafür zwischen 28.000 und 30.000 Euro seiner Ersparnisse opfern. Sobald mit 63 die gesetzliche Rente von anfangs 16.500 Euro im Jahr gezahlt wird, benötigt er im ersten Jahr nur noch 13.500 Euro aus seinen Ersparnissen. Wegen der Inflationsrate von zwei Prozent und dem geringeren Rentenanstieg von einem Prozent sinkt aber seine Kaufkraft, so dass er entsprechend die Entnahme Jahr für Jahr leicht erhöht. Im Alter von 90 Jahren liegt sie dann schon bei 29.623 Euro im Jahr. Zusammen mit der gesetzlichen Rente kommt er so auf eine monatliche Rente von 4.267 Euro.
Kapitalbedarf und -verzehr für die Rente ab 60 - der Angestellte
Angestellter, 40 Jahre, zwei Kinder, zahlt seit 15 Jahre in die Deutsche Rentenversicherung
Nettoeinkommen: 3.000 Euro pro Monat (inkl. Kindergeld, Steuerklasse 3)
Das Beispiel zeigt, wie der Angestellte ab dem Renteneintritt mit 60 Jahren seinen angesparten Kapitalstock von 431.000 Euro durch eine Rente in Höhe von 65 Prozent seiner bisherigen Nettoeinkünfte bis zum Alter von 90 Jahren aufzehrt. Dabei gleichen steigende Rentenbeträge die Abnahme der Kaufkraft durch die Inflation aus. Annahmen: eine Verzinsung der Ersparnisse von 3 % nach Steuern und Gebühren in der Rentenphase, eine Inflation von 2 % sowie eine jährliche Erhöhung der gesetzlichen Rente von 1 % .
Quelle: VZ Vermögenszentrum
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 28.270 Euro
entspricht monatlich: 2356 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -28.270 Euro
verbliebener Kapitalstock: 431.000 Euro
Entnahme: -28.270 Euro
Zinseinnahmen: 12.082 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 31.212 Euro
entspricht monatlich: 2601 Euro
Gesetzliche Rente: 16.830 Euro
Lücke: -14.382 Euro
verbliebener Kapitalstock: 373.603 Euro
Entnahme: -14.382 Euro
Zinseinnahmen: 10.777 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 34.461 Euro
entspricht monatlich: 2872 Euro
Gesetzliche Rente: 17.689 Euro
Lücke: -16.722 Euro
verbliebener Kapitalstock: 349.510 Euro
Entnahme: -16.772 Euro
Zinseinnahmen: 9.982 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 38.047 Euro
entspricht monatlich: 3170 Euro
Gesetzliche Rente: 18.591 Euro
Lücke: -19.456 Euro
verbliebener Kapitalstock: 307.899 Euro
Entnahme: -19.456 Euro
Zinseinnahmen: 8.653 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 42.007 Euro
entspricht monatlich: 3500 Euro
Gesetzliche Rente: 19.540 Euro
Lücke: -22.468 Euro
verbliebener Kapitalstock: 244.301 Euro
Entnahme: -22.468 Euro
Zinseinnahmen: 6.655 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 46.380 Euro
entspricht monatlich: 4031 Euro
Gesetzliche Rente: 20.536 Euro
Lücke: -25.843 Euro
verbliebener Kapitalstock: 153.348 Euro
Entnahme: -25.843 Euro
Zinseinnahmen: 3.825 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 51.207 Euro
entspricht monatlich: 4267 Euro
Gesetzliche Rente: 21.584 Euro
Lücke: -29.623 Euro
verbliebener Kapitalstock: 28.611 Euro
Entnahme: -29.623 Euro
Zinseinnahmen: -30 Euro
Am Ende des Jahres sind die Ersparnisse aufgebraucht.
Der Weg dorthin ist jedoch steinig. "Sparen bedeutet Konsumverzicht zugunsten von Lebensqualität und Sicherheit in ferner Zukunft. Es ist ein ständiger Kampf gegen den inneren Schweinehund und erfordert viel Disziplin", weiß Finanzberater Huber aus Erfahrung. Den Kapitalbedarf zu kennen, ist dabei nur der Ausgangspunkt für langfristiges Sparen. "Da ist viel Psychologie im Spiel. Deshalb sollte der Sparbetrag möglichst gleich nach Gehaltseingang automatisch abgebucht werden", sagt Huber. "Das gefühlte Nettogehalt ist dann gleich auf einer niedrigeren Basis." Das hält das Konsumverlangen im Zaum und sorgt für einen kontinuierlichen Aufbau des Kapitalstocks.
Sparen ja - aber wie?
Doch die meisten Sparer haben darüber hinaus mit der praktischen Umsetzung Schwierigkeiten. Wie viel müssen sie sparen, um ihren späteren Kapitalbedarf zu decken? In welche Anlagen sollen sie ihre Sparraten ganz konkret stecken? Welche Renditen sind realistisch? „Man braucht zum systematischen Sparen Leitplanken“, sagt Huber dazu.
Der Reihe nach. Nur wenn Sparer sich eine Anlageaufteilung überlegt und Annahmen zu den erzielbaren Renditen getroffen haben, können sie die nötigen Sparraten berechnen. In der Vergangenheit hat sich für langfristiges Sparen eine fixe Aufteilung der Sparbeiträge auf verschiedene Anlageklassen bewährt. So können Anleger zum Beispiel je 30 Prozent ihrer Sparbeiträge in Aktien und Anleihen stecken, 25 Prozent in Gold und 15 Prozent als Festgeld (oder Banksparplan) anlegen.
Je nach persönlicher Risikoneigung sind natürlich auch andere Aufteilungen denkbar. Die fixen Anteile sind aber wichtig: Sie helfen dem Anleger, sich nicht von der Anleger-Masse treiben zu lassen. Bringt er sein Depot einmal pro Jahr wieder auf die gewünschte Anlageaufteilung, wird er in der Regel verstärkt in Anlagen investieren, die im Wert gefallen sind. Bei sehr gut gelaufenen Anlagen zieht er etwas Geld heraus und realisiert so Gewinne. Beides steigert auf Dauer die Rendite und senkt das Risiko.
Das beschriebene Portfolio aus Aktien, Anleihen, Gold und Festgeld hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Hätte ein Sparer seit Anfang 2009 jeden Monat 100 Euro nach der vorgeschlagenen Musteraufteilung mit jährlicher Anpassung angelegt, wären aus seinen Gesamteinzahlungen von 5.700 Euro mittlerweile 6.570 Euro geworden. Dabei sind die Ordergebühren schon berücksichtigt (kostengünstig als Sparpläne auf börsengehandelte Indexfonds (ETFs)). Nach Abzug von Abgeltungsteuer und Soli hätte der Sparplan ihm so eine Rendite von 4,6 Prozent gebracht. Angesetzt ist hier die Wertentwicklung von Dax (Aktien), Rdax (Anleihen), dem Goldpreis in Euro und 1,5 Prozent Zins aus Festgeld oder Banksparplan.
Für unsere Musterfälle unterstellen wir etwas vorsichtiger eine zukünftig erreichbare Rendite von vier Prozent (nach Steuern und Gebühren), die für den Sparplan durchaus realistisch sein dürfte. Die Beispielfälle sind trotz dieser ordentlichen Rendite besonders ehrgeizig, weil beiden nur noch 20 Jahre Zeit bleiben, um das für die Frührente notwendige Vermögen aufzubauen. Da die Lebenserwartung bei Erreichen des 60sten Lebensjahres für Männer bei etwa 81 Jahren und für Frauen bei etwa 85 Jahren liegt, sind die Beispielrechnungen so angelegt, dass bis zum 90sten Lebensjahr genügend Geld aus den Ersparnissen zur Verfügung steht. Für die Zeit im Ruhestand unterstellen die Berechnungen nur noch eine Verzinsung des Kapitals mit drei Prozent nach Steuern, da die Ersparnisse zunehmend in risikoarme Anlagen umgeschichtet werden.
Welche Sparraten nötig sind
Für ein Rentenniveau von 65 Prozent der bisherigen Nettoeinkünfte müsste der 40-jährige Angestellte 431.000 Euro ansparen. Das wäre schon mit 1180,57 Euro Sparrate pro Monat möglich. Will er sogar 80 Prozent des Nettoeinkommens auch im Alter zur Verfügung haben, benötigt er Rücklagen in Höhe von 607.000 Euro. Hierfür müsste er 1.662,65 Euro pro Monat zur Seite legen, vorausgesetzt, er investiert sein Geld wie beschrieben. Mehr als die Hälfte seines Nettoeinkommens wären dafür also nötig. Zum Vergleich: Hätte der Angestellte schon mit 30 Jahren zu sparen begonnen, bräuchte er nur 626,82 Euro Sparrate pro Monat, um 65 Prozent seiner Nettoeinkünfte abzudecken. Die 80 Prozent könnte er mit 882,78 Euro im Monat erreichen.
Kapitalbedarf und -verzehr für die Rente ab 60 - der Selbständige
Selbständiger, 40 Jahre, zwei Kinder, fängt jetzt erst mit dem Sparen an
Nettoeinkommen: 5.000 Euro pro Monat (inkl. Kindergeld, Steuerklasse 3)
Das Beispiel zeigt, wie der Selbständige ab dem Renteneintritt mit 60 Jahren seinen angesparten Kapitalstock von 1.266.000 Euro durch eine Rente in Höhe von 65 Prozent seiner bisherigen Nettoeinkünfte bis zum Alter von 90 Jahren aufzehrt. Dabei gleichen steigende Rentenbeträge die Abnahme der Kaufkraft durch die Inflation aus. Annahmen: eine Verzinsung der Ersparnisse von 3 % nach Steuern und Gebühren in der Rentenphase, eine Inflation von 2 %.
Quelle: VZ Vermögenszentrum
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 47.116 Euro
entspricht monatlich: 3926 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -47.116 Euro
verbliebener Kapitalstock: 1.266.000 Euro
Entnahme: -47.116 Euro
Zinseinnahmen: 36.567 Euro
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 52.020 Euro
entspricht monatlich: 4335 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -52.020 Euro
verbliebener Kapitalstock: 1.199.890 Euro
Entnahme: -52.020 Euro
Zinseinnahmen: 34.433
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 57.434 Euro
entspricht monatlich: 4786 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -57.434 Euro
verbliebener Kapitalstock: 1.095.155 Euro
Entnahme: -57.434 Euro
Zinseinnahmen: 31.132
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 63.412 Euro
entspricht monatlich: 5284 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -63.412 Euro
verbliebener Kapitalstock: 943.076 Euro
Entnahme: -63.412 Euro
Zinseinnahmen: 26.390 Euro
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 70.012 Euro
entspricht monatlich: 5834 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -70.012 Euro
verbliebener Kapitalstock: 732.790 Euro
Entnahme: -70.012 Euro
Zinseinnahmen: 19.883 Euro
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 77.299 Euro
entspricht monatlich: 6442 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -77.299 Euro
verbliebener Kapitalstock: 451.491 Euro
Entnahme: -77.299 Euro
Zinseinnahmen: 11.226
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 85.345 Euro
entspricht monatlich: 7112 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -85.345 Euro
verbliebener Kapitalstock: 83.964 Euro
Entnahme: -85.345 Euro
Zinseinnahmen: -41
Der anfängliche Kapitalstock von 1.266.000 Euro ist am Ende des Jahres aufgezehrt.
Für Musterfall 2, den 40-jährigen Selbständigen mit höherem Einkommen, sind die 20 Jahre bis zum gewünschten Start ins Rentenleben mit 60 noch knapper bemessen. Für die 65-Prozent-Rente bräuchte er knapp 1,3 Millionen Euro als Kapitalstock. Die erreicht er mit monatlich angesparten 3.560,87 Euro. Die für die 80-prozentige Rente mit benötigten rund 1,6 Millionen Euro setzen sogar monatliche Sparraten von 4.270,31 Euro voraus. Es bliebe also kaum Geld zum Leben. Auch bei ihm würden sich die nötigen Raten fast halbieren, wenn er schon zehn Jahre früher mit dem Sparen begonnen hätte.
Haben unsere Beispielfälle also noch keine Rücklagen, müssen sie viel sparen. Fällt zusätzlich noch Miete an, wird das kaum möglich sein. Aber wie sieht es aus, wenn sie zumindest einen Teil des nötigen Kapitalstocks bereits angespart oder etwa durch Erbschaft oder Schenkung zur Verfügung haben?
Gehen wir davon aus, unser Angestellter (Musterfall 1) hätte bereits 100.000 Euro an Rücklagen zum Zeitpunkt des Sparbeginns. Der selbständige Besserverdiener (Musterfall 2) hätte sogar schon 300.000 Euro für seinen frühen Abschied aus dem Berufsleben zurückgelegt. Beide legen diese Summe gemäß der Musteraufteilung an und stecken dann zusätzlich jeden Monat noch Geld in den Sparplan. Erneut verzinst sich das Depot laut Annahme mit vier Prozent nach Steuern und Gebühren.
ABC der Rentenansprüche
Alle, die bis 1946 geboren sind und das 65. Lebensjahr vollendet haben, können Rente bekommen, wenn sie mindestens fünf Jahre eingezahlt haben. Bei ab 1947 Geborenen wird die Altersgrenze mit jedem Jahrgang stufenweise weiter angehoben. Wer ab 1964 geboren ist, kann erst mit 67 Jahren in Rente gehen.
Langjährig Versicherte haben ab dem 65. Lebensjahr Rentenanspruch, wenn sie mindestens 45 Jahre eingezahlt haben.
Langjährig Versicherte können schon mit 63 Jahren in Rente gehen, wenn sie mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Jedoch müssen bis 1948 Geborene einen Abschlag von 7,2 Prozent in Kauf nehmen, danach steigen die Abschläge stufenweise an. Wer ab 1964 geboren ist, muss sich mit 14,4 Prozent weniger Rente zufrieden geben, wenn er früher in Rente will.
Wenn der Arzt einen Behinderungsgrad von 50 und mehr bescheinigt, kann man Altersrente schon mit 63 bekommen. Voraussetzung sind 35 Jahre Anwartschaftszeiten und Geburt vor dem 1. Januar 1952. Ab 1964 Geborene können erst mit 65 Jahren eine abschlagsfreie Rente für Schwerbehinderte bekommen.
Frauen können Altersrente mit 60 beanspruchen, wenn sie vor dem 1. Januar 1952 geboren sind. Gehen sie mit 60 in Rente, müssen sie 18 Prozent Abschlag zahlen, ab dem 65. Lebensjahr werden 7,2 Prozent abgezogen.
Hier gelten die gleichen Regeln wie bei der Frauen-Rente.
Kann jemand am Tag wegen seiner Krankheit weniger als sechs Stunden arbeiten, hat er Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Voraussetzung: Mindestens fünf Jahre Beiträge und während der letzten fünf Jahre vor Beginn der Rente sind drei Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden.
Wer am Tag zwischen nur noch zwischen drei und sechs Stunden arbeiten kann, hat Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Nach dem Tod des Versicherten können Witwe oder Witwer und die Waisen als Hinterbliebene Rente beziehen. Der Rentenanspruch endet, wenn ein Waise das 18. Lebensjahr erreicht oder danach eine Ausbildung abgeschlossen hat. Die Witwen-Rente endet beispielsweise, wenn neu geheiratet wird.
In diesem Fall würden die nötigen Sparraten deutlich sinken. Soll die private Zusatzrente bis zum 90. Lebensjahr reichen, müsste Musterfall 1 im 65-Prozent-Szenario noch 580,39 Euro pro Monat zurücklegen. Für die 80-Prozent-Rente bräuchte er monatliche Raten von 1.062,48 Euro für den Sparplan. Der Selbständige Besserverdiener (Musterfall 2) müsste im nur noch 1.667,21 Euro beziehungsweise 2.469,77 Euro pro Monat anlegen. Die nötigen Sparraten in beiden Fällen wären nach wie vor ambitioniert - aber eher stemmbar als ohne jegliche Rücklagen.
Anlageprodukte für den Sparplan
Die Musteraufteilung (je 30 Prozent Aktien und Anleihen, 25 Prozent Gold und 15 Prozent Banksparplan) gilt weiterhin. Damit die Kauf- und Verwaltungsgebühren nicht so hoch sind und die Risikostreuung groß bleibt, sollten Anleger bei der konkreten Umsetzung vor allem auf ETFs, also börsengehandelte Indexfonds setzen. Bei günstigen Anbietern fallen für ETF-Sparpläne nur prozentuale Kaufgebühren an, zum Beispiel bei Comdirect 1,5 Prozent der Kaufsumme. Teilweise können ETFs einzelner Anbieter als Sparplan sogar ohne jegliche Gebühren gekauft werden (bei der DAB Bank gibt es zum Beispiel ETFs von Comstage (Commerzbank) und db x-trackers (Deutsche Bank) ohne Gebühr).
Beispiel: Der Sparer legt jeden Monat 1.000 Euro zurück. Die Sparraten im ersten Jahr könnte er dann wie folgt aufteilen und entsprechende Sparpläne bei einer Direktbank einrichten.
- 300 Euro für den Aktien-Anteil fließen in einen Dax-ETF, zum Beispiel vom Anbieter Ishares (ISIN: DE0005933931).
- 300 Euro für den Anleihen-Anteil investiert der Anleger in einen ETF mit Unternehmensanleihen. Der auf deutsche Unternehmensanleihen berechnete Rdax ist nicht direkt als ETF erhältlich. Alternativ steht aber zum Beispiel vom Anbieter Lyxor ein ETF auf einen Korb von Euro-Unternehmensanleihen ohne Schuldscheine von Banken zur Verfügung (ISIN: FR0010814236). Seine Wertentwicklung, abgebildet sind etwa Unternehmensanleihen von BASF, Siemens, Volkswagen, entsprach in den vergangenen Jahren weitgehend der des Rdax. Allerdings kauft Lyxor die Anleihen nicht wirklich, sondern bildet deren Wertentwicklung über spezielle Finanzinstrumente ab (Swaps). Wem das langfristig zu heikel ist, der kann auf einen ETF von Ishares ausweichen (ISIN: DE000A0YEEX4). Enthalten sind hier zum Beispiel Unternehmensanleihen von Siemens, E.On und Daimler. Die Wertentwicklung dieses ETFs war in den vergangenen Jahren sogar noch etwas besser. Da er aber regelmäßig Erträge ausschüttet, müssten Anleger diese jeweils reinvestieren.
- 250 Euro fließen in Gold. Hier kann der Anleger auf sogenannte ETCs zurückgreifen, die laut Anbietern mit 100 Prozent Gold besichert werden. Sparpläne mit günstigen Gebühren werden zum Beispiel auf einen ETC der Deutschen Bank angeboten (ISIN: DE000A1EK0G3). Allerdings ist dieser währungsgesichert, seine Wertentwicklung aus Sicht der deutschen Anleger entspricht also der Wertentwicklung des Goldpreises in Dollar, nicht in Euro. Ähnliche Produkte gibt es zwar auch mit der Wertentwicklung von Gold in Euro, diese sind jedoch bislang nicht zu günstigen Kaufgebühren als Sparplan erhältlich. Gold-Puristen werden sowieso lieber auf physisches Gold zurückgreifen und sich Anlagemünzen wie Krügerrand oder Wiener Philharmoniker direkt kaufen, sobald die angesparte Summe dafür reicht. Dann müssen sie jedoch einen Aufschlag auf den normalen Goldpreis einkalkulieren.
Das ideale Spardepot
- Die 150 Euro für den Tages- oder Festgeld-Anteil kann der Anleger nach eigener Vorliebe anlegen. Dabei sollte er auf größtmögliche Sicherheit achten und der deutschen Einlagensicherung den Vorrang geben. Die Musterrechnung basiert auf einem Jahreszins von 1,5 Prozent vor Steuern. Ratensparpläne mit Bonuszahlungen je nach Laufzeit können noch etwas mehr Rendite bieten. Der Sparer könnte sie für einen Teil dieses Cash-Bausteins nutzen. Vor allem Sparkassen und Volksbanken sind hier aktiv.
- Als Alternative können sich Ratensparpläne von Bau- und Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung eignen. Diese Spareinrichtungen werden von der Aufsichtsbehörde BaFin kontrolliert und unterliegen einer eigenen Einlagensicherung. Sie dürfen das eingesammelte Geld nur für die gehaltenen Immobilien verwenden. Die Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft bietet etwa einen Ratensparplan ("Zielsparen") mit einem aktuellen Grundzins von 1,7 Prozent pro Jahr und jährlichen Bonuszahlungen an. Auf 20 Jahre betrachtet bringt er vor Abzug der Abgeltungsteuer 3,8 Prozent Rendite pro Jahr (nach Steuer noch knapp 3 Prozent Jahreszins). Um ihn zu nutzen, müssen Sparer Mitglied der Genossenschaft werden. Den Antrag können sie aber problemlos online stellen. Mitglieder müssen zur Nutzung der Spareinrichtung eine Einlage von nur 15,50 Euro leisten, die ihnen bei Austritt erstattet wird.
Möglichkeiten bei der Altersvorsorge
Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung – 2011 sind das 2640 Euro - steuer- und sozialabgabenfrei in die betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen. Zusätzlich können weitere 1800 Euro lohnsteuerfrei investiert werden. Insgesamt können 4440 Euro in eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse fließen. Der Verbreitungsgrad der Betriebsrenten ist in Deutschland noch immer gering. Vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen führt die Betriebsrente noch immer ein Schattendasein.
Der Staat bezuschusst die private Altersvorsorge mit Zulagen und Steuervorteilen. Riester-Sparer erhalten derzeit 154 Euro Grundzulage pro Person und 185 Euro für jedes Kind. Für Nachwuchs, der nach 2008 geboren ist, gibt es sogar 300 Euro. Voraussetzung für die volle Förderung ist, dass der Sparer vier Prozent seines jährlichen Bruttolohns einzahlt, wobei bis zu 2100 Euro gefördert werden. Außerdem können Beiträge bis zu dieser Höhe steuerlich geltend gemacht werden. Förderberechtigt sind grundsätzlich Angestellte sowie Beamte und deren Ehepartner.
Die Rürup-Rente richtet sich in erster Linie an Selbstständige. Sparer können einen wachsenden Teil der Einzahlungen von der Steuer absetzen. Aktuell sind es 72 Prozent, bis 2025 soll der Anteil auf 100 Prozent ansteigen. Pro Jahr sind steuerbegünstigte Einzahlungen von bis zu 20.000 Euro (40.000 Euro für Verheiratete) möglich.
Depotpflege ist wichtig
Nach einem Jahr sollte der Sparer überprüfen, wie sich die Anteile der Anlageklassen verändert haben. Machen Aktien mittlerweile 40 Prozent des Gesamtdepots aus, kann er entweder einen Teil davon verkaufen und das Geld auf die übrigen Anlageklassen verteilen. Oder er passt die regelmäßigen Raten so an, dass die Anteile sich wieder auf das gewünschte Niveau verschieben. Den Aktien-Sparplan würde er dann beispielsweise aussetzen, bis der Aktienanteil wieder auf 30 Prozent gesunken ist. Letzteres ist unter Umständen vorteilhaft, da weniger Gebühren für Käufe und Verkäufe anfallen. Nachteil: Die Anpassung der Anteile kann im Zweifel dann deutlich länger dauern. Haben sich die Depotanteile stark verschoben, sollte der Anleger auch direkte Verkäufe einsetzen. Sonst bekommt das Depot doch eine unerwünschte Unwucht. Nutzt der Sparer einen Raten-Banksparplan, kann er dessen Sparraten nicht einfach verändern. Deshalb sollte er einen Teil des Cash-Bausteins flexibel auf einem Tagesgeldkonto halten, um darauf problemlos zurückgreifen zu können.
Die Strategie stimmt für alle
Die Beispielfälle zeigen: Die Rente mit 60 ist möglich, wenn ein paar günstige Faktoren zusammenkommen. Laut Michael Huber vom VZ Vermögenszentrum haben die meisten, die mit Erfolg auf die Frührente gespart haben, ein Einkommen im fünfstelligen Bereich zur Verfügung. Vor allem die klassischen Freiberufler wie Ärzte und Anwälte seien fleißige Vorsorger. Unternehmer hingegen stecken meist möglichst viel Geld in ihre Firma und in Immobilien. Bei den übrigen Selbständigen sei das Sparverhalten extrem unterschiedlich. "Viele versuchen, ihre Altersvorsorge mit vermieteten Immobilien aufzubauen. Oft klappt das aber nicht so, wie gedacht. Es ist einfach mit viel Aufwand verbunden", so Huber.
Aber auch für alle anderen mit geringerem Einkommen und weniger ehrgeizigen Zielen mit Blick auf einen vorzeitigen Renteneintritt ist die beschriebene Sparstrategie uneingeschränkt empfehlenswert. Faustregeln dazu, wie viel man sparen sollte, sind problematisch und hängen stark vom Sparbeginn ab. Wer für das Alter vorsorgen will, sollte idealerweise schon mit 30 Jahren damit beginnen. Als grobe Hausnummer sind dann 15 bis 20 Prozent vom Nettoeinkommen schon ein recht ordentlicher Betrag, der sicher vor erheblichem Konsumverzicht im Alter schützt und die Finanznöte später deutlich abmildert.
Aus Erfahrungen mit seinen Kunden weiß Finanzberater Huber, dass nur wenige, die hart für ihre finanzielle Unabhängigkeit gearbeitet und die ehrgeizigen Sparziele erreicht haben, den Vorruhestand auch tatsächlich in die Tat umsetzen. "Haben sie ihre finanzielle Unabhängigkeit erreicht, gehen sie entspannt bis zum regulären Rentenalter arbeiten. Abseits aller Zahlenspiele ist ihm vor allem eines wichtig: "Sparen muss auch Spaß machen. Wer seine Sparziele am Jahresende erreicht hat, sollte sich deshalb belohnen und Geld, das noch übrig ist, ruhig verprassen."